Die Wirtschaft ist manipuliert
29.09.2016 | John Mauldin
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Um also darauf zurückzukommen, was ich Newt Gingrich in meinem Antwortschreiben und in einem langen Telefonat gesagt habe: Ja, die Wirtschaft ist manipuliert. Sie wird manipuliert von einer globalen Priesterschaft, die die Macht über die Zentralbanken rund um den Globus hat und insbesondere über die Federal Reserve in den USA. Die Wall Street und zugegebenermaßen auch die Privatanleger an den Börsen profitieren von dieser Politik. Natürlich werben die großen Akteure der Finanzwelt auch ehemalige Ökonomen und Gouverneure der Fed als Berater an - die ganze Branche kann praktisch als inzestuös beschrieben werden. Da die Politik der US-Notenbank derzeit der wichtigste Faktor für die Entwicklung der Märkte ist, ist es nur allzu verständlich, dass die Wall Street Insider einstellt, die in der Lage sind das weitere Vorgehen der Fed einzuschätzen und dafür zu sorgen, dass ihr neuer Arbeitgeber immer einen Schritt voraus ist. Alles andere wäre eine törichte Vernachlässigung ihrer treuhänderischen Verpflichtungen gegenüber ihren Aktionären und Investoren.
Wie es nun weitergeht
Hier ist das meiner Ansicht nach wahrscheinlichste Zukunftsszenario. Zu Beginn der nächsten Rezession werden die Zinsen in den USA noch immer bei unter 1% liegen, sodass der Federal Reserve nicht viel Spielraum nach unten bleibt. Aus den Reihen von Ökonomen, die mit Sicherheit als Teil der globalen Priesterschaft anzusehen sind, wurden zahlreiche Studien veröffentlicht, die zeigen, dass die quantitativen Lockerungen abgesehen von einer möglichen Anhebung der Aktienkurse keinen nennenswerten Effekt hatten. Darüber hinaus gibt es keinerlei Daten, die die positiven Auswirkungen des sogenannten Vermögenseffekts dokumentieren, der bei Einführung der Maßnahmen lauthals angepriesen wurde. Vergessen Sie den Vermögenseffekt - die Gewinne der Aktienmärkte sickern nicht zu den normalen Bürgern durch.
Dr. Lacy Hunt hat etwa 15 ernsthafte Studien gefunden, die zu dem Schluss kommen, dass der Geldmengenmultiplikator der Regierungsausgaben äußerst niedrig oder sogar negativ ist. Natürlich werden Sie auch neo-keynesianisch orientierte Abhandlungen finden, deren Autoren einen hervorragenden Multiplikator sehen und Paul Krugman und seinen Freunden einen Anlass geben, immer höhere Ausgaben und Haushaltsdefizite zu fordern.
Die Federal Reserve wird jedenfalls nicht dasitzen und Däumchen drehen. Wir werden quantitative Lockerungen in einer Größenordnung erleben, die derzeit unvorstellbar ist, und die Bilanz der Fed wird auf völlig astronomische Werte ansteigen. Wenn es keinen beträchtlich Widerstand des Kongresses gibt - und damit meine ich weit mehr als die üblichen Verdächtigen am rechten Rand der republikanischen Partei, die über die außer Kontrolle geratene Fed schimpfen - wird die Notenbank auch in der weltweiten Reservewährung negative Zinsen einführen.
Die Hohepriester werden unterdessen eine endlose Reihe von Abhandlungen produzieren, in denen sie schlüssig darlegen, dass die Negativzinsen alle möglichen positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt haben. Dennoch wird keines dieser Dokumente die Energie wert sein, die zur Veröffentlichung nötig war, denn die Schlussfolgerungen der Zentralbanker sind nichts als theoretisches Geschwafel, das auf veralteten Annahmen über die Funktionsweise der Welt beruht.
Die europäischen Zentralbanker, die so überschwänglich mit negativen Zinsen experimentieren, waren beim Symposium in Jackson Hole ebenfalls anwesend und erzählten allen, wie wunderbar diese Maßnahme funktioniert. Was spielt es da schon für eine Rolle, dass in der Schweiz unterdessen astronomische Mengen an Bargeld gehortet werden...
Negative Zinssätze werden die Verbraucherausgaben sinken lassen, statt sie zu erhöhen. Sie werden zur Folge haben, dass Pensionären weniger Geld zur Verfügung steht und sie dazu zwingen, mehr zu sparen, länger zu arbeiten und weniger auszugeben. Die Öffentlichkeit muss sich der Einführung von Negativzinsen so entschieden entgegenstellen, dass die Fed sich nicht in der Lage sieht, diese Maßnahme tatsächlich zu ergreifen. Unser Schlachtruf muss ein Echo des US-Politikers William Jennings Bryan sein: "Ihr sollt die Rentner und Sparer nicht an ein Kreuz aus Negativzinsen nageln!" (Dieser war 1896 als Präsidentschaftskandidat mit dem berühmten Ausspruch "Ihr sollt die Menschheit nicht an ein Kreuz aus Gold nageln" für die Beibehaltung von Silber als offizielles Zahlungsmittel eingetreten.)
In den nächsten zehn Jahren werden wir die Explosion der Staatsschulden erleben, während die Fähigkeit der Regierungen, ihre Zahlungsversprechen auch zu halten, gleichzeitig rasant schwinden wird. Jedes Wirtschaftsmodell und alle Investmentstrategien, die auf früheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beruhen, werden dann wertlos - so wertlos wie die Modelle der Federal Reserve. Wir werden wirklich unkonventionell denken müssen, um einen Weg zu finden unsere Portfolios durch die kommende Krise zu retten. Es gibt keine Möglichkeit vorherzusehen, wie ein erfolgreiches Anlageportfolio in sechs Monaten, einem Jahr, zwei Jahren oder sechs Jahren zusammengesetzt sein sollte.
Für Europa sehe ich keine Möglichkeit, die Krise zu vermeiden. In den USA könnte das unter Umständen noch möglich sein, wenn 2017 einige radikale Entscheidungen getroffen werden. Die Frage, wie wahrscheinlich das ist, können Sie sich selbst beantworten.
Ich sage Ihnen, es wird nicht gut enden. Sie sollten nicht davon ausgehen, dass Ihre durchschnittlichen Anlageerträge auch nur ansatzweise so aussehen werden wie in den letzten 20, 30 oder 40 Jahren. Ich weiß, dass viele genau das behaupten, auch viele meiner Freunde. Aber diesen sage ich ganz offen, dass sie schlafwandlerisch auf eine wirtschaftliche Hölle zulaufen, und dass alle Anleger, die ihre Ratschläge befolgen, erleben werden, wie sich ihr Portfolio in Rauch auflöst.
Wir werden uns in der für Investoren schwierigsten Lage der letzten 100 Jahre wiederfinden. Die moderne Portfoliotheorie wurde 1952 vom Nobelpreisträger Harry Markowitz entwickelt, der argumentierte, dass Diversifikation zwischen verschiedenen Anlageklassen das einzige ist, was es auf dieser Welt umsonst gibt. Meiner Ansicht nach ist diese Theorie in der heutigen Zeit problematisch geworden.
Wir werden unsere Investitionen noch immer diversifizieren müssen, aber ich denke, dass wir uns dabei eher auf verschiedene Tradingstrategien statt auf Assetklassen konzentrieren sollten. Einfach nur long oder short in einem beliebigen Asset zu sein bzw. einfach zu kaufen und zu halten ist schlichtweg gefährlich. Vielleicht entwickelt sich unser Investment hervorragend, doch ich denke, dass das Risiko einer solch einseitigen Strategie im Verhältnis zu den potentiellen Gewinnen heute viel höher ist, als den meisten Anlegern bewusst ist. Wenn Sie ein 60/40-Standardportfolio haben, werden Ihnen meiner Einschätzung nach nur noch klägliche Überreste Ihrer Investitionen bleiben.
Andererseits könnten sich meine düsteren Prophezeiungen auch als falscher Alarm erweisen. Ich könnte Unrecht haben. Es könnte einfach so weitergehen wie in den letzten 70 Jahren, wir könnten alle Schulden der Welt anhäufen und die Märkte würde es nicht im Geringsten interessieren. In diesem Fall würde die diversifizierte Tradingstrategie, die ich noch vorschlagen werde, eine schlechtere Performance bieten als der endlose Bullenmarkt. Sie wird keine schlechten Gewinne produzieren, aber sie wird nicht mit einem S&P 500 mithalten können, der auf ewig durchschnittlich 15% im Jahr zulegt. Ich schätze, Sie müssen selbst überlegen, wie stark die Aktienkurse angesichts des bei etwa 2% liegenden jährlichen Wirtschaftswachstums in Zukunft steigen können.
© John Mauldin
www.mauldineconomics.com
Dieser Artikel wurde am 14. September 2016 auf www.mauldineconomics.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.