Harakiri-Geld und weitere Inflations-Treiber
25.09.2016 | Manfred Gburek
Es gibt brisante Entwicklungen, die auf den ersten Blick scheinbar nichts mit Gold und Silber zu tun haben, aber am Ende trotzdem mittelbar auf beide Edelmetalle zumünden. Nehmen wir den Kupferpreis. Er sprang am vergangenen Freitag um mehr als 2 Prozent nach oben. Nichts Sensationelles, werden Sie jetzt wahrscheinlich denken, der Kupferpreis bewegte sich ja zwei Jahre lang bis Ende 2015 in Sprüngen, und zwar überwiegend abwärts. Doch seit Anfang 2016 zeigt er Widerstand nach unten, einschließlich von vier kurzfristigen Sprungansätzen nach oben, unter denen der um über 2 Prozent der letzte ist.
Der Clou dabei: Die Kupfer- und Goldaktie Freeport-McMoRan hat seit Mitte vergangener Woche eine beachtliche relative Stärke im Vergleich zu so mancher reinen Gold- und Silberaktie gezeigt. Das lässt sich so interpretieren: Zum einen trauen Börsianer dem Kupferpreis Aufwärtspotenzial zu, zum anderen honorieren sie mit dem Kurssprung der Freeport-McMoRan-Aktie die Tatsache, dass Großaktionär Carl Icahn durch den von ihm initiierten Verkauf eines Teils des Energiegeschäfts den Konzern offenbar erfolgreich auf Gold und Kupfer trimmt. Details finden Sie im Internet (auf Englisch) unter fcx.com.
Bricht der Kupferpreis in den kommenden Tagen nach oben aus, wird dies ein Indiz für mindestens zwei interessante neue Trends sein: Erstens, dass China als weltweit führender Kupferverbraucher konjunkturell die Kurve kriegt, also mehr von dem Metall einzusetzen gedenkt. Und zweitens, dass der Kupferpreis beim Ausbruch nach oben als klassischer Inflationsindikator auf das Ende der ziemlich inflationsarmen vergangenen Jahre hindeutet.
Das bedeutet: Konjunkturaufschwung plus Inflation. Aber auch weltweit, etwa weil China zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahrzehnten für globales Wirtschaftswachstum sorgen könnte? Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Denn die Konjunktur in den USA und in Europa - Ausnahme u.a. Deutschland - lahmt, ganz zu schweigen von Japan, wo man auf ein Wunder wartet.
Der letzte Punkt ist Anlass genug, sich zur verwirrenden japanischen Geldpolitik einige ernste Gedanken zu machen. Die Bank of Japan hat nämlich in der vergangenen Woche beschlossen, Geld so lange aus dem Nichts zu schöpfen, bis eine Inflation von über 2 Prozent erreicht ist. Noch extremer geht es nicht. Deshalb spricht Heinz-Werner Rapp, Anlagestratege des Finanzdienstleisters Feri, hier bereits von einem "Paradigmenwechsel der Geldpolitik. Damit hat die Bank of Japan unterstrichen, dass sie die Inflation mit allen Mitteln herbeiführen wird."
Eine Blaupause für die USA und Europa? Für die USA wohl kaum, denn die Amerikaner werden zweifellos ihren eigenen Weg gehen müssen. Das heißt, ihre Notenbank Fed wird bis Dezember damit beschäftigt bleiben, die Erhöhung des Leitzinses von derzeit 0,25 bis 0,5 Prozent mit Hängen und Würgen vorzubereiten, ohne Kollateralschäden zu riskieren, auch wenn die amerikanische Konjunktur gegen eine Zinserhöhung spricht. Die USA bewegen sich zweifellos am Rand einer Stagflation, also Stagnation der Wirtschaft bei anhaltender Inflation. Da werden sie nicht so schnell herauskommen, und zwar unabhängig davon, ob Demokraten oder Republikaner die Präsidentschaftswahl gewinnen.
Und Europa mit dem Schwerpunkt Eurozone? Anders als in den USA weht hier ein aus Japan kommender spürbarer Wind. Das heißt, das japanische Experiment findet in der EZB immer mehr ernst zu nehmende Befürworter. Warum? Weil zum einen EZB-Chef Mario Draghi mit seiner berühmt-berüchtigten Londoner Rede vom Juli 2012 versprochen hat, alles zu unternehmen, um den Euro zu erhalten (sprich, die schwachen Euroländer zulasten der starken durchzufüttern). Und weil zum anderen die EZB sich nicht gefallen lassen kann, dass die Bank of Japan mittels Harakiri-Geldpolitik ihre Währung Yen massiv abwertet, bis exportstarke japanische Konzerne wie Toyota oder Hitachi im Vergleich zu VW oder Siemens daraus auf den Weltmärkten ihren Vorteil ziehen.
Wird es folglich zu einem Abwertungswettlauf kommen, an dem letzten Endes alle führenden Notenbanken beteiligt sind? Das ist nicht mehr auszuschließen, so lautet die Botschaft nach der japanischen Entscheidung. Wobei der EZB wie auch der amerikanischen Fed fürs Erste nur eine passive Rolle zukommt: Der EZB, weil sie über ein derart heterogenes Sammelsurium an Euroländern wacht, dass sie bei ihren Entscheidungen immer die Balance wahren muss. Und der Fed, weil sie sich mit ihrer monatelangen Nicht-Zinsentscheidung ins Abseits manövriert hat.
Es gibt Indizien, die scheinbar nicht viel mit der großen Geldpolitik zu tun haben - und doch ein Licht auf das werfen, was hinter den Geldkulissen vor sich geht. Da wurde beispielsweise vor Wochenfrist Gerhard Grandke, Präsident des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen, nach seinem Verhältnis zur Deutschen Bank gefragt.
Netterweise meinte er, Deutschland brauche ein solches international tätiges Institut, etwa um Großfinanzierungen zu stemmen. Dann legte er nach: Sollte - "rein hypothetisch" - die Rettung der Deutschen Bank nötig sein, werde die Bundesregierung mittels Staatshilfe einspringen. Womit wir bei einer weiteren Blaupause wären: bei der von Italiens Regierung im Fall der maroden Bank Monte dei Paschi, deren Ende ohne Staatshilfe absehbar gewesen wäre.
Was für Zustände! Da musste die Bundesregierung bereits die Commerzbank retten; und nun ist der Kurs der Deutsche Bank-Aktie so tief gefallen, dass damit offenbar die nächste Rettungsaktion heranrückt. Wie ist so etwas möglich? Darauf geben die Medien zurzeit viele Antworten. Die originellste liegt jedoch 27 Jahre zurück: "Der Vorstand der Deutschen Bank kontrolliert sich selber." Sie entstammt einem 1989 erschienenen Buch von Hans Otto Eglau. Titel: "Wie Gott in Frankfurt". Auch heute noch lesenswert, weil der Autor schon damals die Ursachen der ganzen Banker-Arroganz aufgedeckt hatte, die schließlich zum tiefen Fall führte.
Die verschlungenen Wege der Bankenrettung reichen letzten Endes bis zu uns Steuerzahlern. Welcher Etat schließlich dafür herhalten muss, bleibt bis auf Weiteres offen. Da wird erst einmal getrickst und gemauschelt, danach werden die Schulden verteilt. Dazu folgen hier, abgesehen von der Großbanken-Rettung, fünf weitere Beispiele, bei denen sich die Frage aufdrängt, wo das viele Geld geblieben ist: Landesbanken-Rettung, Griechenland-Hilfe, Schiffsfinanzierung, Berliner Flughafen und Stuttgart 21.
Es gibt zwar keinen direkten, wohl aber einen indirekten Zusammenhang zwischen diesen Skandalen und der drohenden Inflation. Denn statt marodes Geld einfach abzuschreiben und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen (auch Kapitalschnitt genannt), werfen Politiker dem schlechten Geld gutes Geld hinterher. Das heißt, eine deflationäre Entwicklung kann erst gar nicht stattfinden, sie wird einfach zulasten der Steuerzahler gestoppt. Die Leute von der EZB schauen dem Ganzen zu, bleiben bei ihrer ultralockeren Geldpolitik - und werden sich über kurz oder lang sogar an der Bank of Japan orientieren müssen, damit der europäischen Wirtschaft kein zu großer Schaden durch die Yen-Abwertung entsteht. So etwas nennt man dann programmierte Inflation.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Der Clou dabei: Die Kupfer- und Goldaktie Freeport-McMoRan hat seit Mitte vergangener Woche eine beachtliche relative Stärke im Vergleich zu so mancher reinen Gold- und Silberaktie gezeigt. Das lässt sich so interpretieren: Zum einen trauen Börsianer dem Kupferpreis Aufwärtspotenzial zu, zum anderen honorieren sie mit dem Kurssprung der Freeport-McMoRan-Aktie die Tatsache, dass Großaktionär Carl Icahn durch den von ihm initiierten Verkauf eines Teils des Energiegeschäfts den Konzern offenbar erfolgreich auf Gold und Kupfer trimmt. Details finden Sie im Internet (auf Englisch) unter fcx.com.
Bricht der Kupferpreis in den kommenden Tagen nach oben aus, wird dies ein Indiz für mindestens zwei interessante neue Trends sein: Erstens, dass China als weltweit führender Kupferverbraucher konjunkturell die Kurve kriegt, also mehr von dem Metall einzusetzen gedenkt. Und zweitens, dass der Kupferpreis beim Ausbruch nach oben als klassischer Inflationsindikator auf das Ende der ziemlich inflationsarmen vergangenen Jahre hindeutet.
Das bedeutet: Konjunkturaufschwung plus Inflation. Aber auch weltweit, etwa weil China zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahrzehnten für globales Wirtschaftswachstum sorgen könnte? Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Denn die Konjunktur in den USA und in Europa - Ausnahme u.a. Deutschland - lahmt, ganz zu schweigen von Japan, wo man auf ein Wunder wartet.
Der letzte Punkt ist Anlass genug, sich zur verwirrenden japanischen Geldpolitik einige ernste Gedanken zu machen. Die Bank of Japan hat nämlich in der vergangenen Woche beschlossen, Geld so lange aus dem Nichts zu schöpfen, bis eine Inflation von über 2 Prozent erreicht ist. Noch extremer geht es nicht. Deshalb spricht Heinz-Werner Rapp, Anlagestratege des Finanzdienstleisters Feri, hier bereits von einem "Paradigmenwechsel der Geldpolitik. Damit hat die Bank of Japan unterstrichen, dass sie die Inflation mit allen Mitteln herbeiführen wird."
Eine Blaupause für die USA und Europa? Für die USA wohl kaum, denn die Amerikaner werden zweifellos ihren eigenen Weg gehen müssen. Das heißt, ihre Notenbank Fed wird bis Dezember damit beschäftigt bleiben, die Erhöhung des Leitzinses von derzeit 0,25 bis 0,5 Prozent mit Hängen und Würgen vorzubereiten, ohne Kollateralschäden zu riskieren, auch wenn die amerikanische Konjunktur gegen eine Zinserhöhung spricht. Die USA bewegen sich zweifellos am Rand einer Stagflation, also Stagnation der Wirtschaft bei anhaltender Inflation. Da werden sie nicht so schnell herauskommen, und zwar unabhängig davon, ob Demokraten oder Republikaner die Präsidentschaftswahl gewinnen.
Und Europa mit dem Schwerpunkt Eurozone? Anders als in den USA weht hier ein aus Japan kommender spürbarer Wind. Das heißt, das japanische Experiment findet in der EZB immer mehr ernst zu nehmende Befürworter. Warum? Weil zum einen EZB-Chef Mario Draghi mit seiner berühmt-berüchtigten Londoner Rede vom Juli 2012 versprochen hat, alles zu unternehmen, um den Euro zu erhalten (sprich, die schwachen Euroländer zulasten der starken durchzufüttern). Und weil zum anderen die EZB sich nicht gefallen lassen kann, dass die Bank of Japan mittels Harakiri-Geldpolitik ihre Währung Yen massiv abwertet, bis exportstarke japanische Konzerne wie Toyota oder Hitachi im Vergleich zu VW oder Siemens daraus auf den Weltmärkten ihren Vorteil ziehen.
Wird es folglich zu einem Abwertungswettlauf kommen, an dem letzten Endes alle führenden Notenbanken beteiligt sind? Das ist nicht mehr auszuschließen, so lautet die Botschaft nach der japanischen Entscheidung. Wobei der EZB wie auch der amerikanischen Fed fürs Erste nur eine passive Rolle zukommt: Der EZB, weil sie über ein derart heterogenes Sammelsurium an Euroländern wacht, dass sie bei ihren Entscheidungen immer die Balance wahren muss. Und der Fed, weil sie sich mit ihrer monatelangen Nicht-Zinsentscheidung ins Abseits manövriert hat.
Es gibt Indizien, die scheinbar nicht viel mit der großen Geldpolitik zu tun haben - und doch ein Licht auf das werfen, was hinter den Geldkulissen vor sich geht. Da wurde beispielsweise vor Wochenfrist Gerhard Grandke, Präsident des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen, nach seinem Verhältnis zur Deutschen Bank gefragt.
Netterweise meinte er, Deutschland brauche ein solches international tätiges Institut, etwa um Großfinanzierungen zu stemmen. Dann legte er nach: Sollte - "rein hypothetisch" - die Rettung der Deutschen Bank nötig sein, werde die Bundesregierung mittels Staatshilfe einspringen. Womit wir bei einer weiteren Blaupause wären: bei der von Italiens Regierung im Fall der maroden Bank Monte dei Paschi, deren Ende ohne Staatshilfe absehbar gewesen wäre.
Was für Zustände! Da musste die Bundesregierung bereits die Commerzbank retten; und nun ist der Kurs der Deutsche Bank-Aktie so tief gefallen, dass damit offenbar die nächste Rettungsaktion heranrückt. Wie ist so etwas möglich? Darauf geben die Medien zurzeit viele Antworten. Die originellste liegt jedoch 27 Jahre zurück: "Der Vorstand der Deutschen Bank kontrolliert sich selber." Sie entstammt einem 1989 erschienenen Buch von Hans Otto Eglau. Titel: "Wie Gott in Frankfurt". Auch heute noch lesenswert, weil der Autor schon damals die Ursachen der ganzen Banker-Arroganz aufgedeckt hatte, die schließlich zum tiefen Fall führte.
Die verschlungenen Wege der Bankenrettung reichen letzten Endes bis zu uns Steuerzahlern. Welcher Etat schließlich dafür herhalten muss, bleibt bis auf Weiteres offen. Da wird erst einmal getrickst und gemauschelt, danach werden die Schulden verteilt. Dazu folgen hier, abgesehen von der Großbanken-Rettung, fünf weitere Beispiele, bei denen sich die Frage aufdrängt, wo das viele Geld geblieben ist: Landesbanken-Rettung, Griechenland-Hilfe, Schiffsfinanzierung, Berliner Flughafen und Stuttgart 21.
Es gibt zwar keinen direkten, wohl aber einen indirekten Zusammenhang zwischen diesen Skandalen und der drohenden Inflation. Denn statt marodes Geld einfach abzuschreiben und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen (auch Kapitalschnitt genannt), werfen Politiker dem schlechten Geld gutes Geld hinterher. Das heißt, eine deflationäre Entwicklung kann erst gar nicht stattfinden, sie wird einfach zulasten der Steuerzahler gestoppt. Die Leute von der EZB schauen dem Ganzen zu, bleiben bei ihrer ultralockeren Geldpolitik - und werden sich über kurz oder lang sogar an der Bank of Japan orientieren müssen, damit der europäischen Wirtschaft kein zu großer Schaden durch die Yen-Abwertung entsteht. So etwas nennt man dann programmierte Inflation.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.