Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Die ungelösten Probleme der Eurozone - Rückendeckung für den Goldpreis in den kommenden Monaten?

03.10.2016  |  Thorsten Proettel
- Seite 2 -
Urnengänge in den Niederlanden und in Frankreich …

Auch in Euroland stehen spannende Wahlen an. Voraussichtlich am 17. März 2017 wird in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Gemäß Prognosen würde derzeit die nationalkonservative Partij voor de Vrijheid von Geert Wilders mit 35 von 150 Sitzen die stärkste Fraktion stellen. Wilders strebt die Auflösung von EU-Parlament und -Kommission an sowie einen EU-Austritt der Niederlande, sofern die Türkei in die EU aufgenommen würde. Ein EU-Austritt könnte auch für Frankreich ein Thema werden. Die Kandidatin des Front National für die Präsidentschaftswahl im April oder Mai, Marie Le Pen, kündigte bei einem Wahlsieg ein entsprechendes Referendum an.


… dürften überschaubare Auswirkungen haben

Wir rechnen derzeit aber nicht mit einer Eintrübung des konjunkturellen Klimas und wir gehen auch nicht davon aus, dass die genannten Wahlen hieran etwas ändern werden. Beispielsweise könnte in den Niederlanden eine Art Große Koalition verhindern, dass der mutmaßliche Wahlsieger Wilders die Regierungsgeschäfte übernimmt. Und selbst wenn Frau Le Pen im ersten Wahldurchgang die relative Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt, dann dürfte sie in der Stichwahl gegenüber einem gemeinsamen Kandidaten der anderen französischen Parteien scheitern.


Italienisches Verfassungsreferendum

Schwerer abschätzbar ist dagegen der Ausgang des für den 4. Dezember 2016 angekündigten Verfassungsreferendums in Italien. Ministerpräsident Renzi ruft die Bürger an die Urne, um über die von ihm gewünschte weitgehende Entmachtung der zweiten Parlamentskammer abstimmen zu lassen. Ohne den Senat wäre die Umsetzung von Reformschritten vermutlich leichter und die Umfragen bescheinigten anfänglich eine überwiegende Zustimmung in der Bevölkerung.

Renzi verknüpfte sogar sein Schicksal mit dem Referendum und stellte bei einem Scheitern Neuwahlen in Aussicht. Dies war möglicherweise zu leichtfertig, denn zwischenzeitlich liegen die Gegner des Referendums in den Umfragen vorne und die Protestbewegung "Fünf Sterne" des Komikers Beppe Grillo ist in Wahlumfragen führend. Grillo befürwortet einen Ausstieg Italiens aus dem Euro, so dass eine Ablehnung des Referendums im Dezember an den Kapitalmärkten für Verunsicherung sorgen würde.


Rechts- und Linksrutsch in Europa

Unabhängig vom konkreten Ausgang der anstehenden Wahlen sollten die Umfragen aufhorchen lassen: Wenn schon in einer konjunkturell mäßigen Lage Wahlsiege von Le Pen, Wilders und der 5-Sterne-Bewegung möglich erscheinen, was steht dann bevor, wenn eine neue Rezession kommen sollte und das gesellschaftliche Klima schwieriger wird?

Eine gewisse politische Spaltung Europas ist schon jetzt auszumachen: Im Norden wird tendenziell eher rechts gewählt. Im Süden profitiert das linke bis ultralinke Parteienspektrum, wie die Parlamentswahlen in Griechenland, Spanien und Portugal zeigen und wie auch in Italien bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr zu beobachten war.

Die Tendenz der Stärkung der politischen Ränder spiegelt in gewisser Weise die Verteilungskonflikte innerhalb Europas wider. In den südlichen Ländern des Währungsraumes sank das Bruttoinlandsprodukt seit der Wirtschaftsund Finanzkrise stark. Es hat seitdem nicht mehr das Vorkrisenniveau erreicht.


Abstimmungsprozesse werden schwerer

Eine unmittelbare Folge dieser Tendenz könnte mittel bis langfristig die Erschwerung der politischen Abstimmungsprozesse auf Regierungsebene sein. Dies wurde in den letzten Monaten schon mit Blick auf Polen und Ungarn sichtbar. In einer solchen Situation könnten Zerwürfnisse den Fortbestand des Währungsraumes gefährden, der aufgrund seiner Konstruktionsschwächen ein hohes Maß an gegenseitigem Wohlwollen erfordert.


Neuauflage einer Bankenkrise?

Auch aus einer anderen Richtung droht den Märkten Gefahr: Das Niedrigzinsumfeld, die Digitalisierung und die Kosten der Regulierung zehren an der Ertragskraft der Banken. Kommen in dieser Situation auch noch Abschreibungen auf einen hohen Bestand an faulen Krediten oder Strafzahlungen in Milliardenhöhe hinzu, dann schürt dies Ängste über die Zukunftsperspektiven der betroffenen Häuser.

Im Unterschied zur Situation während der Lehman-Krise 2008 dürften sich die Verantwortlichen in den Regierungen und der Finanzaufsicht aber über die systemischen Risiken bewusst sein und ein Interesse haben, negative Folgewirkungen zu verhindern.


Anleger möglicherweise zu sorglos

Insgesamt ist mit Blick auf die kommenden Monate und 2017 ein Aufflackern der Eurokrise ähnlich wie im Sommer 2012 wenig wahrscheinlich. Die genannten Wahlen könnten zwar zwischenzeitlich für Verunsicherung sorgen. Die EZB dürfte mit ihren Anleihenkäufen und anderen Maßnahmen den Geld- und Staatsanleihenmarkt aber weiter fest im Griff behalten. Trotzdem dürfte sich ein Großteil der Anleger hierzulande in falscher Sicherheit wiegen.

Die Eurokrise ist nicht gelöst, sondern nur aus den Medien verschwunden. Sie wurde von anderen Krisen überdeckt. Irgendwann könnten die Probleme wieder in den Vordergrund treten. Ein Auslöser hierfür könnte eine konjunkturelle Eintrübung sein, die beispielsweise von einem anderen Wirtschaftsraum auf uns einwirkt. Denn bislang hat noch keine konjunkturelle Boomphase ewig angehalten.

Außerdem zeigte der Ausgang des Brexit-Referendums eindrücklich, dass auch vermeintlich unwahrscheinliche Ereignisse möglich sind. Vor diesem Hintergrund kann es für sicherheitsorientierte Anleger nicht falsch sein, sich trotz Entwarnung für die kommenden Monate aus grundsätzlichen Erwägungen mit dem Thema Goldanlagen zu befassen.


© Thorsten Proettel
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart



Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publikation ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur zu Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlagemöglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Anlageberater.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"