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Inflation: Warum es noch dicker kommt

16.10.2016  |  Manfred Gburek
Die führenden Notenbanken sitzen in der Falle. Und wie! Behalten sie die Zinsen unten, droht eine Geschäftsbank nach der anderen pleite zu gehen, weil dann deren vorwiegend auf Zinsmargen fixierten Geschäftsmodelle zu Verlusten am laufenden Band führen. Es sei denn, sie lassen sich verstärkt auf das risikoreiche Investment Banking ein, wie es führende amerikanische Institute gerade mit viel Glück getan haben. Erhöhen die Notenbanken dagegen die Zinsen, besteht an den Finanzmärkten akute GAU-Gefahr.

Was also ist zu tun? EZB, Bank of England, Fed und Bank of Japan frönen dem Prinzip Hoffnung: Auf dass die Konjunkturlokomotive nicht allein in Deutschland und in einigen kleinen Euroländern, sondern in ganz Europa volle Fahrt aufnehmen möge, dass in Amerika ein klarer Clinton-Wahlsieg die ganze Nation aufatmen lasse und in Japan aus dem gigantischen Schulden-Harakiri ein neues Wirtschaftswunder wie in der Nachkriegszeit erwachse.

Doch stattdessen besteht in Europa die Gefahr, dass nach den Briten auch die Italiener und weitere Mittelmeer-Anrainer sich aus dem EU-Staub machen und damit den Anfang vom Euro-Ende einläuten, dass in Amerika selbst nach einem noch so hohen Clinton-Wahlsieg der von den Republikanern beherrschte Kongress jede größere Reform im Keim ersticken kann und dass in Japan das Experiment mit den hohen Schulden in einen Währungsschnitt mündet, der auf der ganzen Welt erhebliche Turbulenzen nach sich ziehen dürfte.

Wobei noch zu erwähnen sei, dass sich das Prinzip Hoffnung auch auf China stützt. Nur mag das im Westen kein Notenbanker und erst recht kein Politiker offen zugeben - schließlich kommt es wegen einer kleinen, aber strategisch wichtigen Inselgruppe im südchinesischen Meer immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Japan als verlängertem Arm der USA und China als Wächter über den zu Unrecht nur allzu selten in die Schlagzeilen geratenden Konfliktherd. Alles in allem also nicht unbedingt ein Vorzeichen dafür, dass aus China wie bereits vor gut einem Jahrzehnt der entscheidende Impuls für die Weltkonjunktur käme.

Damals stand China wie kein anderes Land für Globalisierung und damit für preisdämpfende Effekte weltweit, sprich, das Thema Inflation konnte erst einmal ad acta gelegt werden. Dagegen ist China heute neben Europa und Amerika vor allem eine tragende Säule der Weltwirtschaft: Globalisierung ja, aber Preisdämpfung nur noch begrenzt bis erst gar nicht vorhanden. Dafür sorgt allein schon die chinesische Inflationsrate, die – auch wenn die verfügbaren Daten nicht unbedingt zuverlässig sind - doppelt bis drei Mal so hoch sein dürfte wie in Europa und Amerika, zurückzuführen auf den anhaltenden Bauboom und neuerdings auf immer mehr von der Regierung geförderte Projekte zur Verbesserung der Infrastruktur und zum Umweltschutz.

Nachdem das Statistische Bundesamt in der vergangenen Woche die an den deutschen Verbraucherpreisen gemessene Inflationsrate von 0,7 Prozent bekanntgegeben hatte (September 2016 gegenüber September 2015), fehlte in fast allen Kommentaren der Hinweis auf die schwindenden preisdämpfenden Globalisierungseffekte. Nicht nur in Bezug auf China, sondern auch auf Mittel- bis Osteuropa, wo zum Beispiel die deutsche Autoindustrie von Billiglöhnen profitiert. Die Effekte haben ihre Schuldigkeit getan, jetzt sind sie nur noch marginal. Das heißt, von daher ist ein Rückgang der Inflation nicht zu erwarten.

Es kommt noch dicker. Dass im September nur 0,7 Prozent Inflation herausgesprungen sind, verdanken wir in erster Linie den gefallenen Energiepreisen. Ohne sie wären 1,2 Prozent zustande gekommen. Der Preisverfall bei Heizöl, Gas, Sprit etc. ist allerdings kein Grund zur Entwarnung, im Gegenteil: Der niedrige Ölpreis zu Beginn dieses Jahres bleibt vorerst Geschichte; sein jüngster Anstieg wird sich zeitverzögert auf die Inflation nicht allein in Deutschland auswirken. So etwas nennt man Basiseffekt; er ist in diesem konkreten Fall unverrückbar - immerhin war der Preis für Rohöl der Sorte WTI ja zunächst bis in den Bereich um 30 Dollar je Barrel (159 Liter) gefallen, bevor er sich seit Anfang 2016 auf über 50 Dollar erholte. Den Basiseffekt werden wir in den nächsten Monaten zu spüren bekommen.

Auch anderweitig kommt es noch dicker. Schuld daran sind die Nettokaltmieten; sie haben im September-Jahresvergleich um 1,3 Prozent zugelegt. Das mag auf den ersten Blick zwar verschmerzbar sein, aber hinter der nackten Zahl steckt noch mehr. Denn Mieten tragen in Deutschland, bezogen auf die Zusammensetzung der Inflationsrate, zu 21 Prozent mit Abstand am meisten zur deutschen Inflation bei, und Luft nach oben ist noch reichlich vorhanden. Daran kann weder der Bau von neuen Wohnungen noch die Mietpreisbremse etwas Entscheidendes ändern.

Warum es besonders in Sachen Wohnen noch dicker kommt, liegt nicht zuletzt auch daran, dass Mieten, Wasser, Strom, Gas und leichtes Heizöl zusammen bereits über 31 Prozent zur Inflation in Deutschland beitragen. Jetzt braucht man sich nur noch vorzustellen, dass die Energiepreise in die Höhe schießen, ausgelöst durch den Basiseffekt beim Rohöl, und die 2 vor dem deutschen Inflationskomma rückt in greifbare Nähe. Das alles gilt unter etwas anderen Voraussetzungen im Prinzip auch für die Eurozone.

Was diese Entwicklung so gefährlich macht, ist ihre zu erwartende Eigendynamik. Das heißt, ein über mehrere Monate anhaltender Anstieg der Inflation führt zwangsläufig zu Inflationserwartungen und damit auch zu vorgezogenen Käufen. Darüber hinaus verlangen Gewerkschaften für Arbeitnehmer einen Inflationsausgleich, den die Unternehmen, sofern ihre Marktstellung das zulässt, in höheren Preisen weitergeben. Daraus entspringen wiederum weitere Inflationserwartungen und so weiter - eine Entwicklung, die früher in volkswirtschaftlichen Lehrbüchern abwechselnd entweder als Preis-Lohn- oder Lohn-Preis-Spirale bezeichnet wurde. Sie schien lange Zeit vergessen zu sein, doch nun erinnern sich viele Volkswirte wieder an sie und holen ihre alten Lehrbücher aus dem Regal.

Während die Inflation Schritt für Schritt auf uns zukommt, lahmt die Konjunktur in großen Teilen Europas, in den USA und in Japan. Deutschland einschließlich einiger kleiner Euroländer und China können die anderswo lahmende Konjunktur nicht hinreichend ausgleichen. Folglich kommt es im globalen Durchschnitt bestenfalls zur Stagnation. Sie vereinigt sich mit der Inflation, sodass aus beiden gemeinsam Stagflation entsteht. Die Blaupause für eine solche Entwicklung haben die 70er Jahre geliefert. Wer sich ihr damals entziehen wollte, fuhr am besten mit Immobilien in Toplagen, mit Gold und Silber. Viel spricht dafür, dass es diesmal wieder so kommt wie damals.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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