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Inflation soll Probleme lösen - wie geht das?

30.10.2016  |  Manfred Gburek
Der Weltspartag am vergangenen Freitag hat mich nachdenklich gestimmt. Nicht so sehr wegen des allgemeinen Gejammers über zu niedrige Zinsen, sondern eher wegen der penetranten Dauerwerbung für den Deka-Zukunftsplan der Sparkassen:

Da hopsen zu wilder Musik bei der RTL-Tochter n-tv und anderswo als rüstige Rentner verkleidete Menschen über die Tanzfläche, und man ist schon geneigt, das Ganze als Vorspiel auf den Karnevalsbeginn am 11.11. abzutun - bis der Appell kommt, sich in Sachen Altersvorsorge doch bitteschön an einen Sparkassenberater zu wenden. Die Botschaft ist klar: Der werde schon dafür sorgen, dass auch man selbst im Alter unbeschwert das Tanzbein schwingen und dank Beratung mithilfe eines finanziellen Polsters später fröhlich vor sich hin leben kann.

Da drängt sich die Frage auf: Ist der Sparkassenberater etwa schlauer als EZB-Chef Mario Draghi, der bislang noch keine Lösung gefunden hat, um die Zinsen zu erhöhen, ohne dass gleichzeitig die Finanzwelt zusammenbricht?

Nein, beide können nicht in die Zukunft blicken. Nur hat Draghi wenigstens die Macht, zu entscheiden, wann und unter welchen Bedingungen die EZB ihre extrem lockere Geldpolitik beenden wird. So gesehen erübrigt sich bis auf Weiteres jegliche Beratung zur finanziellen Altersvorsorge. Dann lieber den liquiden Anteil am Vermögen auf dem Tagesgeldkonto bunkern (bei Beträgen ab 100.000 Euro auf Konten bei verschiedenen Banken) und einfach abwarten, wann und wie die EZB entscheidet.

Fast alles spricht dafür, dass sie sich an ihrem großen Vorbild Fed, der amerikanischen Notenbank, orientieren wird. Das bedeutet: keine Hektik bei der nächsten EZB-Ratssitzung im Dezember, dann ab 2017 erste zaghafte Rücknahme der Anleihekäufe, später auch minimale Zinserhöhung. Genau so hat die Fed seit 2013 agiert. Die Besitzer von Aktien und Anleihen haben es ihr gedankt; deren Kurse sind nicht eingebrochen, sondern über längere Phasen sogar leicht gestiegen.

Also alles halb so schlimm? Von wegen! Denn während die amerikanische Geldpolitik einem einzigen Land gilt, den USA, betrifft die europäische Geldpolitik, speziell die der EZB für den Euroraum, geradezu ein Gewusel an wirtschaftlich grundverschiedenen Ländern: vom Exportweltmeister Deutschland über den Schuldensünder Italien bis zum aktuellen Problemfall Portugal, der nun anstelle von Griechenland die Schuldenschlagzeilen prägt.

Hinzu kommt, dass die Zeit seit 2013 fortgeschritten ist, was unter anderem bedeutet: Um die Ecke lauert die Inflation. Vorerst breitet sie sich am deutlichsten in Deutschland aus (0,8 Prozent im Oktober), zurückzuführen auf die Verteuerung von allem, was mit dem Wohnen zu tun hat, neuerdings mehr und mehr auch bedingt durch steigende Personalkosten, die immer häufiger den um sich greifenden Streiks folgen. Würde die Inflation im Euroraum die von der EZB angepeilte Höhe (etwas unter 2 Prozent) erreichen und dann diese Hürde mit großer Wahrscheinlichkeit bald auch überspringen, müsste die EZB handeln. Am Montag wissen wir etwas mehr, weil dann die Veröffentlichung der Euroraum-Inflationsrate ansteht.

Aber wie soll die EZB handeln? Etwa mit dem vollständigen Abbau der Anleihekäufe, sprich Liquiditätsentzug? Und/oder mit einer Zinserhöhung? In beiden Fällen würden die Kurse von Anleihen (außer inflationsindexierten) und Aktien abstürzen, die Immobilienpreise mit etwas Zeitverzug ebenfalls. Und Gold? Sein Preis könnte dann zwar kurzfristig auch in Mitleidenschaft gezogen werden, aber nicht nachhaltig. Denn sobald der Realzins, also der Nominalzins abzüglich Inflation, ins Minus rutschen würde, dürfte Gold seiner Funktion als Schutz vor dem dann negativen Realzins gerecht werden.

Der Strategieberater Daniel Stelter ließ neulich die Bemerkung fallen, "dass es nur gelingt, Inflation zu erzeugen, wenn man das Vertrauen in Geld zerrüttet. Die sich dann ergebende Inflation wäre allerdings nicht mehr zu kontrollieren." Das ist hart. Aber kann die EZB, kann die Fed oder irgendeine andere Notenbank sich einem solchen Zerrüttungsprozess entziehen?

Für Stelter ist die Inflation eine von drei Optionen zur Lösung des - international grassierenden - Schuldenproblems. Die beiden anderen: höheres Wirtschaftswachstum und Schuldenrestrukturierung. Im ersten Fall müssten unpopuläre Reformen her, doch die sind, wenn überhaupt, nur äußerst mühsam durchsetzbar. Und im zweiten Fall würden die Gläubiger, sprich Sparer, zur Kasse gebeten, was ebenso unpopulär wäre.

Folglich bietet sich die Inflation als vermeintliche Lösung an. Sie ist zwar, besonders in Deutschland, nicht minder unpopulär als die beiden anderen Alternativen, kommt aber zunächst nur schleichend daher, lässt sich also der Masse der Bevölkerung am Anfang noch recht problemlos „verkaufen“. Und falls sie schlimmer um sich greift, schafften es Politiker immer schon, die Schuld der Opposition oder den Notenbankern in die Schuhe zu schieben, während Notenbanker jedes Mal eine Ausrede fanden, die in der Behauptung gipfelte, die Märkte hätten versagt.

Was die ganze Sache zusätzlich kompliziert macht, ist der vielfach diskutierte demografische Faktor, im Klartext: Nicht allein im Euroraum, sondern global verlagert sich das Verhältnis zwischen Jungen und Alten zugunsten der Alten, und obendrein leben die Menschen im Durchschnitt immer länger. Hier gibt es also gleich zwei Effekte, die ganz tief in die private wie auch in die staatlich geförderte Altersvorsorge eingreifen.

Ich musste schmunzeln, mich allerdings auch ärgern, als die Kanzlerin das Thema Altersvorsorge jetzt zur Chef(in)sache machte. Schmunzeln, weil dieser Opportunismus wegen des hohen, stetig zunehmenden Wählerpotenzials der Alten bereits lange in der Luft lag, sodass Wahlgeschenke an sie nur noch eine Frage der Zeit waren. Und mich ärgern, weil das opportunistische Herangehen an das Thema, speziell in Bezug auf die gesetzliche Rente, von dem eigentlichen Problem der Vorsorge ablenkt.

Diese ist nämlich in der Realität ein Stückwerk, wie es schlimmer nicht sein kann, bestehend aus staatlichen, betrieblichen und privaten Komponenten, überwiegend gestützt auf Schuldtitel aller Art, deren Renditen immer mehr die Null vor dem Komma stehen haben. Wo bleibt eine durchgreifende Reform? Sie ist eine Aufgabe für Jahrzehnte, bis auf Weiteres weder von der Bundeskanzlerin noch von sonstigen Politikern realisierbar.

Nur wer die eigene Altersvorsorge selbst in die Hand nimmt, kann sich den hier beschriebenen Problemen entziehen. Aber bitte individuell, nicht kollektiv, wie uns die Leute von den Sparkassen mit herumhopsenden Rentnern weismachen wollen. Altersvorsorge ist harte Arbeit, aus aktueller Sicht grob einzuteilen in die gesetzliche Rente, staatliche Pensionseinrichtungen oder private berufsständische Versorgungswerke, Geld auf Konten und/oder in Anleihen, Aktien, Immobilien und last but not least Gold.

Die Feinarbeit mit richtiger Auswahl und geschicktem Timing erfordert sehr, sehr viel Zeit, ist jedoch unabdingbar. So sind derzeit beispielsweise weder Anleihen (außer inflationsindexierten) noch Aktien oder Immobilien als Anlageklassen uneingeschränkt zu empfehlen, sondern eher für Schnäppchenjäger geeignet. Folglich sollten zunächst Gold und Kontoanlagen dominieren. Nicht zuletzt die steigende Inflation spricht dafür.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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