Der riesige Schwindel mit Fonds
06.11.2016 | Manfred Gburek
Ein Mann, ein Buch: "Die große Fondslüge". Untertitel: "Falsch beraten von Finanztest, Sparkassen, Banken & Co". Erschienen im Tectum Verlag. Autor: Michael Ritzau, Honorarberater. Den Preis von 19,95 Euro ist das Buch mehrfach wert, weil der Autor von A bis Z für Aufklärung und gleichzeitig Spannung sorgt. Zitat: "Die Fondsanbieter leiten uns - um ihre Gebühreneinnahmen zu maximieren - bewusst in die Irre mit irrelevanten Informationen über Wertentwicklungen in der Vergangenheit. Gleichzeitig verschweigen sie uns, dass die Kosten die einzig relevanten Daten bei Fonds sind. Das ist ein riesiger Schwindel."
Im Zeitalter des wegbrechenden Zinsgeschäfts der Banken und Sparkassen eine dreiste Selbstbedienung über verdeckte Provisionen, und sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzaufsicht BaFin tun dagegen so gut wie nichts.
Aber was ist mit der Zeitschrift Finanztest, einem Ableger der staatlich subventionierten Stiftung Warentest, wie kommt es, dass sie sich an diesem Schwindel beteiligt? Zitieren wir den Autor nochmals: "Die Stiftung kennen nach eigenen Angaben 94% der Deutschen, ein Drittel orientiert sich bei ihren Entscheidungen an den Tests.....Diese Empfehlungen sind ganz klar eine Leiche im Keller der Stiftung Warentest.....Warum niemand diese Leiche endlich entfernt und dieses Empfehlungsbusiness stoppt, darüber kann man nur mutmaßen."
Dass mit Fonds und ihren Bewertungen geschwindelt wird, ist nicht neu. Aber warum hält sich dann das ganze darauf basierende Abzocksystem auch noch Jahrzehnte nach dem Aufkommen der ersten deutschen Fonds im Jahr 1949? Darauf gibt es mehrere Antworten, von denen eine entscheidend ist: Der Gesetzgeber beugt sich den Interessen der Finanzkonzerne.
Zitat Ritzau: "Politiker ohne Fachkompetenz sind nicht in der Lage, die interessengesteuerten Informationen, Meinungen und Argumente der Lobbyisten zu beurteilen. Allzu oft werden so Standpunkte der Interessenvertreter vorschnell übernommen.....Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold erwähnt eine Zählung von 2014, die 1.700 professionelle Lobbyisten nur des Finanzsektors allein in Brüssel angibt. Nach seiner Schätzung steht dem höchstens ein Dreißigstel auf Seiten von Gewerkschaften, Verbraucherschützern und anderen Nichtregierungsorganisationen gegenüber."
Wie können Anleger sich vor den schlimmsten Auswüchsen der großen Fondslüge schützen? Die Antwort von Ritzau ist ernüchternd: "Es gibt aus Anlegersicht nur zwei Wege, den Fallstricken dieses unseligen Systems zu entkommen: Machen Sie sich selbst kundig, oder suchen Sie wirklich unabhängigen Rat. Und wie finden Sie raus, ob der Rat unabhängig ist? Er ist nicht gratis!"
Na ja, ein bisschen Werbung in eigener Honorar-Sache kann ja nicht schaden. Damit soll das große Verdienst von Ritzau um die Aufklärung von Anlegern indes nicht geschmälert werden. Er ist konsequenterweise ein Befürworter von sauber konstruierten börsengehandelten Fonds (ETFs), deren Kosten nur einen Bruchteil der gemanagten Fonds ausmachen - und muss im selben Atemzug zugeben, dass der Schwindel mittlerweile auch bei einer ganzen Reihe von ETFs eingezogen ist. Er nennt ihn "Etikettenschwindel mit verkappten Indexfonds".
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Anleger sich in Sachen Finanzen auf jeden Fall selbst kundig machen sollten, auch durch die Lektüre von Ritzaus Buch. Damit wiederhole ich eine These, die Sie hier schon einige Male gelesen haben und die ich konsequent weiter vertreten werde. Denn falls Sie in Sachen Finanzen erfolgreich sein wollen, müssen Sie das Heft in die Hand nehmen. Dazu gehört ja nicht allein, Fehler mit Fonds zu vermeiden, sondern die ganze Palette finanzieller Entscheidungen abzuarbeitgen, von der auf Ihre Verhältnisse zugeschnittenen Geldanlage einschließlich geschicktem Timing über optimierte Versicherungen und Steuererklärungen bis zur richtigen Baufinanzierung.
Besteht nicht wenigstens ein Fünkchen Hoffnung, dass Verbraucherschützer mitsamt ihren Mitstreitern sich gegen die Lobbyisten durchsetzen können? Die Aussichten sind leider alles andere als rosig, es handelt sich um einen Kampf David gegen Goliath. Bislang steht so viel fest: Eine neue EU-Richtlinie soll bis Anfang 2018 in nationales Recht umgesetzt werden, in Deutschland mittels Finanzmarktnovellierungsgesetz II. Das klingt zunächst vielversprechend, weil im Mittelpunkt die Qualität der Anlageberatung steht - oder treffender: zu stehen scheint, denn gemäß Bundesverband der deutschen Verbraucherzentralen schützt bereits der Referentenentwurf zu dem neuen Gesetz das jetzige Provisionssystem.
Aus dem Forderungskatalog der Verbraucherschützer geht hervor, an welchen Stellen noch etwas zu reformieren ist, nämlich an den entscheidenden: Provisionen müssen auch bei Festpreisgeschäften erkennbar sein, Wettbewerbshindernisse für die Honorarberatung müssen beseitigt werden, und die Trennung von Vertrieb und Beratung ist langfristig zu verankern. Na dann viel Erfolg für den Kampf von einem Dreißigstel gutwilliger Anlegerschützer, die der Abgeordnete Giegold erwähnt, gegen die mächtigen Lobbyisten! Das wird wohl leider ein frommer Wunsch bleiben, denn der ganze Schwindel dürfte sich unter neuen Vorzeichen auch von 2018 an fortsetzen.
Die Zahl der in Deutschland angebotenen Fonds ist fünfstellig, die der Fondsverkäufer (Banker, Versicherungsvertreter, Finanzvertriebe u.a.) je nach Abgrenzung sogar sechs- bis siebenstellig. Die Verkäufer brauchen Argumente, um Fonds an Mann und Frau zu bringen. Da fällt ihnen meistens nichts Besseres ein, als Ergebnisse aus der Vergangenheit heranzuziehen. Doch damit bleiben immer noch zu viele Fonds auf dem Radarschirm.
Also werden Ratingagenturen wie Morningstar, Lipper oder Feri und die staatstragend daherkommende Stiftung Warentest mit ihrer Zeitschrift Finanztest herangezogen. Sie verteilen Auszeichnungen, die sich in Zeitschriften und im Internet wiederfinden. Dann läuft der durch Ratings, Rankings und entsprechende Veröffentlichungen in den Medien künstlich aufgeblasene Vertrieb wie geschmiert. Erfolge der Anleger bleiben bei diesem System auf der Strecke.
Das ursprüngliche Fondsprinzip, Risiken zu streuen, indem man auf zehn oder hundert Aktien setzt statt nur auf eine, bleibt ebenso auf der Strecke. Im Lauf der Jahrzehnte wurde die Angebotspalette von Aktienfonds um Misch-, Renten-, Geldmarkt-, Immobilien-, Länder-, Regionen-, Branchen-, Themen- und sonst noch was für Fonds erweitert. In diesem Fondsdschungel findet sich heute niemand, wirklich niemand mehr zurecht. Unter solchen Umständen kann die Konsequenz für Anleger nur lauten: Im Zweifel Finger weg von Fonds!
Autor Ritzau ist in seinem Buch nur am Rande auf einen weiteren wunden Punkt der Fondsanlage eingegangen: die Steuerung der Liquidität durch Aktienfondsmanager. Deshalb folgen hier in aller Kürze auch dazu ein paar Anmerkungen: Sind die Kurse oben, werden Fonds in der Regel prozyklisch mit Geld zugeschüttet, sodass ihre Manager aufgrund der Fondsstatuten geradezu gezwungen sind, Aktien zu kaufen, auch wenn diese bereits hoch bewertet sind. Bewegen die Kurse sich dagegen auf niedrigem Niveau, entziehen Anleger ihren Fonds üblicherweise - wiederum prozyklisch - viel Geld. Die Folge: Manager müssen, um liquide zu bleiben, oft um jeden Preis Aktien verkaufen, auch wenn deren Bewertung schon sehr niedrig ist.
Das kann allerdings für Anleger, die direkte Aktienanlagen den Aktienfonds vorziehen, auch sein Gutes haben. Denn falls ihre Nerven die Börsenhektik aushalten, arbeitet das Dilemma der Manager ihnen entgegen: Da ihre Anlagen - anders als die der Fondsmanager - im Verhältnis zu den Börsenumsätzen nur einen kleinen Bruchteil ausmachen, können sie viel flexibler Aktien bei hohen Kursen verkaufen und bei niedrigen kaufen. Dazu gehören, wie gesagt, starke Nerven, außerdem viel Disziplin und Geduld. Aber auf Dauer lohnt es sich.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Im Zeitalter des wegbrechenden Zinsgeschäfts der Banken und Sparkassen eine dreiste Selbstbedienung über verdeckte Provisionen, und sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzaufsicht BaFin tun dagegen so gut wie nichts.
Aber was ist mit der Zeitschrift Finanztest, einem Ableger der staatlich subventionierten Stiftung Warentest, wie kommt es, dass sie sich an diesem Schwindel beteiligt? Zitieren wir den Autor nochmals: "Die Stiftung kennen nach eigenen Angaben 94% der Deutschen, ein Drittel orientiert sich bei ihren Entscheidungen an den Tests.....Diese Empfehlungen sind ganz klar eine Leiche im Keller der Stiftung Warentest.....Warum niemand diese Leiche endlich entfernt und dieses Empfehlungsbusiness stoppt, darüber kann man nur mutmaßen."
Dass mit Fonds und ihren Bewertungen geschwindelt wird, ist nicht neu. Aber warum hält sich dann das ganze darauf basierende Abzocksystem auch noch Jahrzehnte nach dem Aufkommen der ersten deutschen Fonds im Jahr 1949? Darauf gibt es mehrere Antworten, von denen eine entscheidend ist: Der Gesetzgeber beugt sich den Interessen der Finanzkonzerne.
Zitat Ritzau: "Politiker ohne Fachkompetenz sind nicht in der Lage, die interessengesteuerten Informationen, Meinungen und Argumente der Lobbyisten zu beurteilen. Allzu oft werden so Standpunkte der Interessenvertreter vorschnell übernommen.....Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold erwähnt eine Zählung von 2014, die 1.700 professionelle Lobbyisten nur des Finanzsektors allein in Brüssel angibt. Nach seiner Schätzung steht dem höchstens ein Dreißigstel auf Seiten von Gewerkschaften, Verbraucherschützern und anderen Nichtregierungsorganisationen gegenüber."
Wie können Anleger sich vor den schlimmsten Auswüchsen der großen Fondslüge schützen? Die Antwort von Ritzau ist ernüchternd: "Es gibt aus Anlegersicht nur zwei Wege, den Fallstricken dieses unseligen Systems zu entkommen: Machen Sie sich selbst kundig, oder suchen Sie wirklich unabhängigen Rat. Und wie finden Sie raus, ob der Rat unabhängig ist? Er ist nicht gratis!"
Na ja, ein bisschen Werbung in eigener Honorar-Sache kann ja nicht schaden. Damit soll das große Verdienst von Ritzau um die Aufklärung von Anlegern indes nicht geschmälert werden. Er ist konsequenterweise ein Befürworter von sauber konstruierten börsengehandelten Fonds (ETFs), deren Kosten nur einen Bruchteil der gemanagten Fonds ausmachen - und muss im selben Atemzug zugeben, dass der Schwindel mittlerweile auch bei einer ganzen Reihe von ETFs eingezogen ist. Er nennt ihn "Etikettenschwindel mit verkappten Indexfonds".
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Anleger sich in Sachen Finanzen auf jeden Fall selbst kundig machen sollten, auch durch die Lektüre von Ritzaus Buch. Damit wiederhole ich eine These, die Sie hier schon einige Male gelesen haben und die ich konsequent weiter vertreten werde. Denn falls Sie in Sachen Finanzen erfolgreich sein wollen, müssen Sie das Heft in die Hand nehmen. Dazu gehört ja nicht allein, Fehler mit Fonds zu vermeiden, sondern die ganze Palette finanzieller Entscheidungen abzuarbeitgen, von der auf Ihre Verhältnisse zugeschnittenen Geldanlage einschließlich geschicktem Timing über optimierte Versicherungen und Steuererklärungen bis zur richtigen Baufinanzierung.
Besteht nicht wenigstens ein Fünkchen Hoffnung, dass Verbraucherschützer mitsamt ihren Mitstreitern sich gegen die Lobbyisten durchsetzen können? Die Aussichten sind leider alles andere als rosig, es handelt sich um einen Kampf David gegen Goliath. Bislang steht so viel fest: Eine neue EU-Richtlinie soll bis Anfang 2018 in nationales Recht umgesetzt werden, in Deutschland mittels Finanzmarktnovellierungsgesetz II. Das klingt zunächst vielversprechend, weil im Mittelpunkt die Qualität der Anlageberatung steht - oder treffender: zu stehen scheint, denn gemäß Bundesverband der deutschen Verbraucherzentralen schützt bereits der Referentenentwurf zu dem neuen Gesetz das jetzige Provisionssystem.
Aus dem Forderungskatalog der Verbraucherschützer geht hervor, an welchen Stellen noch etwas zu reformieren ist, nämlich an den entscheidenden: Provisionen müssen auch bei Festpreisgeschäften erkennbar sein, Wettbewerbshindernisse für die Honorarberatung müssen beseitigt werden, und die Trennung von Vertrieb und Beratung ist langfristig zu verankern. Na dann viel Erfolg für den Kampf von einem Dreißigstel gutwilliger Anlegerschützer, die der Abgeordnete Giegold erwähnt, gegen die mächtigen Lobbyisten! Das wird wohl leider ein frommer Wunsch bleiben, denn der ganze Schwindel dürfte sich unter neuen Vorzeichen auch von 2018 an fortsetzen.
Die Zahl der in Deutschland angebotenen Fonds ist fünfstellig, die der Fondsverkäufer (Banker, Versicherungsvertreter, Finanzvertriebe u.a.) je nach Abgrenzung sogar sechs- bis siebenstellig. Die Verkäufer brauchen Argumente, um Fonds an Mann und Frau zu bringen. Da fällt ihnen meistens nichts Besseres ein, als Ergebnisse aus der Vergangenheit heranzuziehen. Doch damit bleiben immer noch zu viele Fonds auf dem Radarschirm.
Also werden Ratingagenturen wie Morningstar, Lipper oder Feri und die staatstragend daherkommende Stiftung Warentest mit ihrer Zeitschrift Finanztest herangezogen. Sie verteilen Auszeichnungen, die sich in Zeitschriften und im Internet wiederfinden. Dann läuft der durch Ratings, Rankings und entsprechende Veröffentlichungen in den Medien künstlich aufgeblasene Vertrieb wie geschmiert. Erfolge der Anleger bleiben bei diesem System auf der Strecke.
Das ursprüngliche Fondsprinzip, Risiken zu streuen, indem man auf zehn oder hundert Aktien setzt statt nur auf eine, bleibt ebenso auf der Strecke. Im Lauf der Jahrzehnte wurde die Angebotspalette von Aktienfonds um Misch-, Renten-, Geldmarkt-, Immobilien-, Länder-, Regionen-, Branchen-, Themen- und sonst noch was für Fonds erweitert. In diesem Fondsdschungel findet sich heute niemand, wirklich niemand mehr zurecht. Unter solchen Umständen kann die Konsequenz für Anleger nur lauten: Im Zweifel Finger weg von Fonds!
Autor Ritzau ist in seinem Buch nur am Rande auf einen weiteren wunden Punkt der Fondsanlage eingegangen: die Steuerung der Liquidität durch Aktienfondsmanager. Deshalb folgen hier in aller Kürze auch dazu ein paar Anmerkungen: Sind die Kurse oben, werden Fonds in der Regel prozyklisch mit Geld zugeschüttet, sodass ihre Manager aufgrund der Fondsstatuten geradezu gezwungen sind, Aktien zu kaufen, auch wenn diese bereits hoch bewertet sind. Bewegen die Kurse sich dagegen auf niedrigem Niveau, entziehen Anleger ihren Fonds üblicherweise - wiederum prozyklisch - viel Geld. Die Folge: Manager müssen, um liquide zu bleiben, oft um jeden Preis Aktien verkaufen, auch wenn deren Bewertung schon sehr niedrig ist.
Das kann allerdings für Anleger, die direkte Aktienanlagen den Aktienfonds vorziehen, auch sein Gutes haben. Denn falls ihre Nerven die Börsenhektik aushalten, arbeitet das Dilemma der Manager ihnen entgegen: Da ihre Anlagen - anders als die der Fondsmanager - im Verhältnis zu den Börsenumsätzen nur einen kleinen Bruchteil ausmachen, können sie viel flexibler Aktien bei hohen Kursen verkaufen und bei niedrigen kaufen. Dazu gehören, wie gesagt, starke Nerven, außerdem viel Disziplin und Geduld. Aber auf Dauer lohnt es sich.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.