Der Goldpreis vor der nächsten Reizschwelle
27.11.2016 | Manfred Gburek
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Gold mit anderen Anlageklassen in eine direkte Beziehung zu setzen, wie es in letzter Zeit von verschiedenen Seiten im Hinblick auf Zinsen und Anleihen immer wieder versucht wurde, ist ein ganz falscher Ansatz. Aber wie soll man dann Gold überhaupt bewerten; wie lässt sich feststellen, ob sein aktueller Preis zu hoch, zu niedrig oder gerade richtig ist? Oder warum ist er von 2001 bis 2011 - mit einer vorübergehenden Unterbrechung im Zuge der Finanzkrise - gestiegen, dann gefallen und im ersten Halbjahr 2016 wieder gestiegen, um danach nochmals zu fallen? Um ehrlich zu sein: Darauf gibt es eine ganze Menge an plausiblen Teil-Antworten, doch keine, die ein für allemal gilt.Ringen wir uns dennoch zu einer Antwort durch, denn ganz im luftleeren Raum schwebt der Goldpreis aufgrund der genannten Attribute - von der Versicherung bis zum Mythos - ja gar nicht. Und weil ihm auch mit Charts kaum beizukommen ist, versuchen wir es doch mit einer einfachen Überlegung: Der Wert des Goldes wird in Währungen gemessen, international üblich in Dollar.
Währungen verkörpern Schulden, denen man zwar unterschiedliche Begriffe zuordnet, die aber alle im Prinzip dieselbe Bedeutung haben: endliches, auf Dauer seinen Wert verlierendes Papier- bzw. Helikopter-Geld oder auch Fiat Money (Es werde Geld). Währungen eignen sich als Tauschmittel und bis zu einem gewissen Grad auch als Messlatten - falls ihre Kaufkraft nicht gerade im Sinkflug ist -, aber zur dauerhaften Werterhaltung taugen sie nicht.
Da springt dann Gold in die Bresche, zum Teil auch Silber. Viele Anleger bevorzugen Immobilien oder sogar Kunstwerke und Oldtimer, um sich vor der Geldentwertung zu schützen. Zugegeben, allein aus den Qualitätsmerkmalen des Goldes lässt sich nicht ableiten, ob ein Preis von 1.000 oder 10.000 Dollar richtig ist. Sicher ist indes, dass der Wert des Goldes mit den in Währungen gemessenen Schulden wächst. Und weil Schulden seit Jahrhunderten dazu neigen, in allen Ländern der Welt bis ins Unendliche zu steigen, kann rechnerisch auch der Goldpreis gen Himmel schießen.
Die Frage ist nur: wann? Die Antwort: Niemand weiß es; doch wie die Vergangenheit gezeigt hat, gibt es Reizschwellen, von denen an Gold im Vergleich zu den anderen Anlageklassen favorisiert wird. Das war in den 70er Jahren so, als die USA wegen des erheblichen Goldabflusses die Lieferung nach Europa und anderswo hin stoppen mussten, und dann noch einmal 2002, nachdem die führenden Zentralbanken beschlossen hatten, nur noch in begrenztem Umfang Gold zu verkaufen.
Und welche Reizschwelle kommt aktuell infrage? Lassen wir die Möglichkeit eines Börsenkrachs oder einer baldigen Hyperinflation außen vor und tun wir so, als würde der Goldpreis nicht von hoher Stelle aus nach unten manipuliert (was jedoch unwahrscheinlich ist), dann bleiben immer noch zwei Alternativen der Reizschwellen-Überschreitung möglich: erstens ein zäher längerer Rückgang der Anleihekurse, zweitens ein nahendes Zentralbanken-Problem. Auch beide Alternativen in Kombination sind denkbar.
Versetzen wir uns zur Erhärtung dieser Thesen zunächst in die 60er Jahre zurück. Damals versuchten Zentralbanken unter dem irreführenden Namen Goldpool den Goldpreis nach unten zu manipulieren - letzten Endes ohne Erfolg, sodass es in den 70er Jahren zur Goldhausse kam. Und nun befinden wir uns in einer ähnlichen Ausgangssituation, nur dass sich das Interesse anders als damals vor allem auf eine Zentralbank richtet: die amerikanische Fed. Denn deren Chefin Janet Yellen musste schon während des Wahlkampfs wüste Beschimpfungen durch Donald Trump über sich ergehen lassen.
Seine Argumente sprechen dafür, dass er Macht auf die Fed ausüben und bezüglich Zinsen seinen Dickkopf durchsetzen will. Damit ist der Krach zwischen beiden so gut wie programmiert, positive Ausstrahlung auf den Goldpreis inbegriffen. Von daher gesehen, war die für ganz kurze Zeit zunächst positive Reaktion des Goldpreises auf den Wahlerfolg von Trump offenbar plausibel. Näheres werden wir am 13. und 14. Dezember erfahren, wenn die Fed über den Leitzins entscheidet.
Lässt sie ihn unverändert, würde dies als Schwäche gegenüber Trump interpretiert werden. Erhöht sie ihn dagegen, dürfte Trump versuchen, Yellen sobald wie möglich loszuwerden. In beiden Fällen sind Unruhen an den Börsen zu erwarten - mit positiven Folgen für das Gold, das dann seiner Funktion als Versicherung und sicherer Hafen gerecht würde.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.