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Risiko. Aber das Richtige bitte

12.12.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Das Investitionsrisiko mit der Schwankung der Marktpreise gleichzusetzen, macht keinen Sinn.

In der modernen Finanzmarkttheorie wird unter Risiko das Schwanken der Finanzmarktpreise verstanden. Die dabei verwendete Maßgröße ist die sogenannte Standardabweichung: Sie misst die Streuung der Kurswerte um ihren Mittelwert. Schwankt der Kurs einer Aktie im Zeitablauf, so nimmt nach dieser Auffassung das Risiko der Aktie zu. Eine solche Interpretation des Risikos hat weitreichende Folgen.

Sie beeinflusst beispielsweise die Kauf- und Verkaufsentscheidungen vieler Investoren. Die meisten Aktienfonds etwa müssen regulatorische Risikomaße einhalten, die sich auf Basis vergangener Kursbewegungen der Aktien errechnen. Kommt es beispielsweise zu einem Ausverkauf an den Aktienmärkten und fallen die Kurse daraufhin, so steigen die Risikomaße und die Fondsmanager werden aufgefordert, Aktienpositionen zu verkaufen.

Die regulatorischen Vorgaben verstärken folglich eine Abwärtsentwicklung der Aktienkurse - weil sie den Verkaufsdruck von Seiten institutioneller Investoren erhöht. Aber auch private Investoren, wenn sie Risiken mit Preisschwankungen gleichsetzen, werden in solch einer Situation ganz ähnlich reagieren: Sie verkaufen, wenn die Kurse fallen, weil sie meinen, nunmehr einem erhöhten Risiko ausgesetzt zu sein.

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Doch ist es überhaupt sinnvoll, das Investitionsrisiko an Kursschwankungen einer Aktie festzumachen? Nehmen wir an, Sie investieren 1 Euro. In Fall 1 ist Ihre Rendite +10% in Jahr 1, -15% in Jahr 2, +20% in Jahr 3 und +5% in Jahr 4. Nach vier Jahren werden aus 1 Euro folglich 1,2 Euro. Nun nehmen wir den Fall 2 an: Sie erzielen die gleichen Renditen wie in Fall 1, aber jeweils mit einem negativen Vorzeichen - also -10% in Jahr 1, +15% in Jahr 2, -20% in Jahr 3 und -5% in Jahr 4. So werden aus 1 Euro nach vier Jahren 0,8 Euro.

Errechnet man das Risiko beider Investitionen (also Fall 1 und Fall 2) anhand der Standardabweichung, so ergibt sich in beiden Fällen 14,72. Aber zweifelsohne war Fall 2 riskanter als Fall 1. In Fall 2 hat der Investor sein Kapital verloren, während er es in Fall 1 vermehrt hat!

Dieses kleine Beispiel mag genügen, um sich als Anleger der gängigen Praxis, das Investitionsrisiko mit den Schwankungen der Marktpreise gleichzusetzen, nicht anzuschließen. Wie aber sollte man als Anleger - egal ob Aktien- oder Goldkäufer - mit Risiko umgehen? Die Antwort soll im Folgenden anhand von fünf Schritten gegeben werden.

(1) Es gibt einen Unterschied zwischen Preis und Wert einer Aktie. Der Preis der Aktie ist der Kurs, der sich während der Handelszeit fortwährend ablesen lässt. Der ("innere") Wert einer Aktie ist, vereinfacht gesprochen, der Barwert aller künftigen Einzahlungen, die das Unternehmen erwirtschaftet.

(2) Auf dem Aktienmarkt schwankt der Aktienpreis in der Regel um seinen inneren oder fundamentalen Wert. Meistens ist der Aktienmarkt in der Lage, den Preis der Aktie rasch und recht genau in Übereinstimmung mit ihrem Wert zu bringen. Meistens. Aber eben nicht immer ist das so.

(3) Die Kauf- und Verkaufsentscheidungen der Investoren sind in der Regel abhängig von einer Vielzahl von Faktoren. Neben unternehmensspezifischen Einschätzungen spielen zuweilen auch Trends und Stimmungen wie Ängste und Euphorie, aber auch regulatorische Erfordernisse eine Rolle. Und aus diesen (und anderen Gründen) gibt es folglich immer wieder Situationen, in denen der Wert der Aktie von seinem Preis abweicht.

(4) Der Gedanke, dass fallende Aktienkurse gleichzusetzen sind mit einem steigenden Risiko, ist absurd. Man nehme einmal an, eine Aktie, die 100 Euro wert ist, lässt sich für 80 Euro kaufen. Aufgrund eines Kursrutsches am Aktien-markt fällt die Aktie nun auf 60 Euro. Ist das Risiko für den Investor jetzt gestiegen? Nein - schließlich muss der Investor nur noch 60 Euro (und nicht mehr 80 Euro) für etwas bezahlen, das 100 Euro wert ist. Der Rückgang der Preise hat vielmehr sein Risiko reduziert!

(5) Das "wahre" Risiko, das der Anleger eingeht, besteht nicht im Auf und Ab der Aktienkurse, sondern vielmehr in Form eines permanenten Kapitalverlustes - beziehungsweise darin, dass seine Unternehmen sich langfristig wenig erfolgreich entwickeln als die beste Investmentalternative.

Um das Risiko in den Griff zu bekommen, muss der Anleger folglich den Wert der Aktie (oder des Gutes, das er kauft) zumindest näherungsweise kennen. Bei einigen Unternehmensaktien wird das möglich sein, bei anderen nicht. Daher sollte man nur in die Aktien investieren, deren Geschäftsmodell man versteht und dessen künftige Gewinnentwicklung man mit hinreichender Genauigkeit abschätzen kann. Unternehmensaktien, bei denen das nicht möglich ist, sollte man meiden.

Vor allem sollte der Anleger einen "langen Atem" haben und den Investitionserfolg in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren bemessen. Das kurzfristige Auf und Ab der Kurse kann nämlich den unterliegenden Entwicklungstrend des Unternehmenserfolges überlagern - und Anleger, die zu sehr mit dem Auf und Ab der Kurse beschäftigt sind, zu falschen Anlageentscheidungen verleiten.

Und wie ist Gold in diesem Zusammenhang zu bewerten? Man sollte es als Währung ansehen und als Teil der liquiden Mittel halten. Das Edelmetall kann nicht inflationiert werden, und es trägt kein Zahlungsausfallrisiko. Zudem wird es meist in Krisenphasen relativ zu Aktien teurer. Daraus entsteht eine Versicherung für das Portfolio, die es ermöglicht, in turbulenten Zeiten teures Gold gegen günstige "gute Aktien" einzutauschen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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