Börsen im Spielgeld-Rausch
02.04.2017 | Manfred Gburek
Verschwörung gegen Deutschland? Es sieht zwar danach aus, aber dahinter steckt etwas anderes. Der Euro vor der nächsten Zerreißprobe? Auf jeden Fall. Die Folgen? Sie werden wieder mal dramatisch sein. Wann? Es kann jeden Tag passieren. Was ist aus Anlegersicht dagegen zu tun? Wie hier immer wieder vorgeschlagen: Das Geld streuen mit den Schwerpunkten Gold, Tagesgeld, selbst genutzte(s) Haus oder Wohnung (aber nur, falls Sie damit kein Klumpenrisiko eingehen) und Aktien, jedoch erst nach dem nächsten größeren Kurseinbruch.
Da ich ein Gegner jeglicher Verschwörungstheorien bin, sei zur Klärung gleich aus der Praxiswarte hinzugefügt: Es geht nicht um ein zwischen dunklen Mächten abgestimmtes Komplott, sondern um viele einzelne Attacken - teils abgestimmte, teils autonome - gegen das reiche Deutschland, seine Politiker, Unternehmer und Sparer. Dazu nur ein paar Beispiele:
Der amerikanische Präsident erhebt am laufenden Band unqualifizierte Vorwürfe gegen Deutschland. Er und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben dauernd etwas am hohen deutschen Exportüberschuss auszusetzen, den sie willkürlich als Ergebnis unfairer Praktiken interpretieren. Die hiesige Autoindustrie einschließlich Zulieferer wird mit zweifelhaften juristischen Drohungen - auch weit über die VW-Affäre hinaus - beschädigt. Die EU-Kommission lässt zu, dass Frankreich die Defizitregeln neun Mal hintereinander straffrei verletzt und dass Italien einen Schuldenberg vor sich her schiebt, der allein seit Ausbruch der Finanzkrise um nicht weniger als ein Drittel angeschwollen ist.
Aktuell geht es einmal mehr um Griechenlands unglaublich hohe, nie und nimmer rückzahlbare Schulden, wobei der IWF Deutschland drängt, mit hohen Milliardensummen etwas dagegen zu unternehmen. Und ein aktuelles Beispiel aus dem deutschen Mittelstand: Nachdem es dubiose Zocker aus dem angelsächsischen Dunstkreis geschafft haben, die mittelständisch geprägten deutschen Unternehmen Wirecard und Ströer durch Leerverkäufe von deren Aktien zu attackieren, ist ihnen in der vergangenen Woche gelungen, mit derselben Methode einen kurzfristigen Kurssturz der Aurelius-Aktie auszulösen.
Von alldem abgehoben, aber in dieselbe Richtung zielend, geht der mit allzu vielen Worten ausgefochtene Schein-Kampf Dollar gegen Euro vonstatten. Fällt der Euro, mäkeln bestimmte amerikanische Kreise unter Führung ihres Präsidenten herum, das führe zu einer Wettbewerbsverzerrung an den internationalen Gütermärkten. Steigt der Euro dagegen, wittern sie die Gefahr, das könnte den Dollar als Weltwährung schwächen. Im Grunde sind beide Argumente lächerlich. Denn der Devisenmarkt regelt das Euro-Dollar-Verhältnis auf Dauer von selbst, nicht danach, ob Lobbyisten mithilfe ihnen gewogener Medien es gern bei 1,05 oder 1,10 Dollar je Euro hätten.
Der Knackpunkt ist ohnehin ein anderer: Ohne politische Union kann der Euro in seiner jetzigen Form nicht nachhaltig bestehen bleiben. Das heißt, die derzeitige, in sich total gespaltene Währungsunion unter dem Euro-Dach gleicht einem Haus, das jeden Augenblick zusammenbrechen kann. Und weil eine politische Union illusorisch bleibt, muss etwas geschehen. Aber es geschieht nichts. Stattdessen tun alle Politiker so, als könne die Entwicklung einfach wie bisher weiter gehen: Ein bisschen beruhigende Worte hier, ein paar Verhandlungen ohne Ergebnis da, und schon überlassen die Brüsseler Bürokraten die Problemlösung einem Mann, der darin seit Jahren geübt ist, EZB-Präsident Mario Draghi. Das kann nicht mehr lange gut gehen.
Wie lange? Wir kommen der Antwort näher, wenn wir uns vor Augen führen, dass die europäischen Geschäftsbanken durch die Nullzinspolitik der EZB eines Großteil ihres Geschäfts beraubt werden. Denn sie leiden bereits seit längerer Zeit unter extrem niedrigen Zinsmargen, und das bei geringem Eigenkapital, was auch auf deutsche Banken zutrifft. Zwar besteht die - derzeit allerdings nur theoretische - Möglichkeit, dass die EZB das Zinsniveau anhebt, um den Banken zu helfen.
Aber dann müssten ohnehin schon hoch durch Schulden belastete Euroländer unter Führung von Italien, außerdem auch Frankreich und Spanien, Griechenland sowieso, an ihre Gläubiger Zinsen zahlen, die sie sich gar nicht mehr leisten können. Die im März gesunkene Inflationsrate kommt denn auch den Niedrigzins-Fans entgegen.
Zu allem Überfluss finden in diesem Jahr entscheidende Wahlen statt - für die Finanzmärkte ein Unsicherheitsfaktor sondergleichen. So etwas fördert nicht gerade die Investitionslust der Unternehmen. Und obendrein beginnen sich die Kollateralschäden des Brexit auszuwirken, deren Ausmaß noch nicht abzuschätzen ist. Ganz abgesehen vom unberechenbaren Tamtam von US-Präsident Donald Trump.
Summa summarum: Mindestens bis zur Bundestagswahl am 24. September werden viele Unternehmen in Lauerstellung verharren, was Ermüdungserscheinungen im ganzen Euroraum und darüber hinaus mit sich bringen dürfte. Derweil werden Politiker das Blaue vom Himmel versprechen, um gewählt zu werden oder um ihre Wahlversprechen einzulösen.
Zu pessimistisch? Nein, realistisch, und allein schon das rechtfertigt die eingangs empfohlene Anlagenmischung mit den Schwerpunkten Gold und Tagesgeld.
Wie steht es um die vielfach empfohlenen Aktien aus Dax, Dow Jones & Co.? Um die Antwort auf den Punkt zu bringen: Die meisten europäischen und amerikanischen Aktien sind, gemessen an gängigen Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Dividendenrendite, einfach zu teuer. Ihre Kurse profitieren - noch - von der extrem lockeren Geldpolitik der EZB bzw. von vorsichtigen statt rigorosen Zinsschritten der amerikanischen Zentralbank Fed. Was so viel bedeutet wie: Das vorhandene Spielgeld reicht aus, um die Aktienkurse oben zu halten. Sobald jedoch politische oder ökonomische Störfaktoren (s. oben) auf die Börse übergreifen, wird ein umfangreicher Kursrückgang nicht mehr zu vermeiden sein.
Bei dieser Gelegenheit gleich noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen zur Titelgeschichte in der April-Ausgabe der mit Steuerzahlergeld geförderten Zeitschrift Finanztest. Darin steht der folgende Satz: "Mit passiven Indexfonds lassen sich typische Anlegerfehler einfach vermeiden. Sie eignen sich auch für Börsenanfänger." Sie werden sogar als "ideale Lösung" angepriesen, vorneweg solche, "die den Weltaktienindex MSCI World abbilden".
Das klingt zwar auf Anhieb plausibel, aber warum haben deutsche Anleger ihre Depots damit nicht schon längst vollgestopft? Eine gängige Antwort könnte sein: Weil Banken und Sparkassen an diesen Fonds kaum verdienen und deshalb ihren Kunden vorzugsweise gemanagte Fonds - mit hohen Gewinnspannen für sich - verkaufen. Doch erst die folgende Antwort bringt uns der Wahrheit näher:
Weil sehr viele deutsche Anleger mit Aktien seit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes und vor allem der Telekom-Aktie in den Jahren 2000 bis 2003 generell auf Kriegsfuß stehen. Für sie bedeuten Kursschwankungen nicht so sehr Chance, sondern Risiko. Denn ihr prozyklisches Verhalten in der Vergangenheit hat ihnen den finanziellen Garaus gemacht.
Konsequent zu Ende gedacht, heißt das: Weil jeder Aktienfonds - ganz egal, ob als Indexabbild oder gemanagt - Schwankungen unterliegt und weil die prozyklische Aktienanlage bei deutschen Anlegern weiterhin dominieren wird, ist das Enttäuschungspotenzial beim jetzigen Einstieg in einen auf Aktien basierenden Indexfonds ebenso programmiert wie der Kauf eines gemanagten Fonds oder die direkte Aktienanlage. Daraus folgt: Auch wenn die Aktienkurse, angetrieben durch viel Spielgeld, noch weiter steigen mögen, ist Abwarten mit Käufen angebracht. Sobald die Kurse später ein tieferes Niveau erreicht haben, wird die Chance auf Kursgewinne viel höher sein als heute.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Da ich ein Gegner jeglicher Verschwörungstheorien bin, sei zur Klärung gleich aus der Praxiswarte hinzugefügt: Es geht nicht um ein zwischen dunklen Mächten abgestimmtes Komplott, sondern um viele einzelne Attacken - teils abgestimmte, teils autonome - gegen das reiche Deutschland, seine Politiker, Unternehmer und Sparer. Dazu nur ein paar Beispiele:
Der amerikanische Präsident erhebt am laufenden Band unqualifizierte Vorwürfe gegen Deutschland. Er und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben dauernd etwas am hohen deutschen Exportüberschuss auszusetzen, den sie willkürlich als Ergebnis unfairer Praktiken interpretieren. Die hiesige Autoindustrie einschließlich Zulieferer wird mit zweifelhaften juristischen Drohungen - auch weit über die VW-Affäre hinaus - beschädigt. Die EU-Kommission lässt zu, dass Frankreich die Defizitregeln neun Mal hintereinander straffrei verletzt und dass Italien einen Schuldenberg vor sich her schiebt, der allein seit Ausbruch der Finanzkrise um nicht weniger als ein Drittel angeschwollen ist.
Aktuell geht es einmal mehr um Griechenlands unglaublich hohe, nie und nimmer rückzahlbare Schulden, wobei der IWF Deutschland drängt, mit hohen Milliardensummen etwas dagegen zu unternehmen. Und ein aktuelles Beispiel aus dem deutschen Mittelstand: Nachdem es dubiose Zocker aus dem angelsächsischen Dunstkreis geschafft haben, die mittelständisch geprägten deutschen Unternehmen Wirecard und Ströer durch Leerverkäufe von deren Aktien zu attackieren, ist ihnen in der vergangenen Woche gelungen, mit derselben Methode einen kurzfristigen Kurssturz der Aurelius-Aktie auszulösen.
Von alldem abgehoben, aber in dieselbe Richtung zielend, geht der mit allzu vielen Worten ausgefochtene Schein-Kampf Dollar gegen Euro vonstatten. Fällt der Euro, mäkeln bestimmte amerikanische Kreise unter Führung ihres Präsidenten herum, das führe zu einer Wettbewerbsverzerrung an den internationalen Gütermärkten. Steigt der Euro dagegen, wittern sie die Gefahr, das könnte den Dollar als Weltwährung schwächen. Im Grunde sind beide Argumente lächerlich. Denn der Devisenmarkt regelt das Euro-Dollar-Verhältnis auf Dauer von selbst, nicht danach, ob Lobbyisten mithilfe ihnen gewogener Medien es gern bei 1,05 oder 1,10 Dollar je Euro hätten.
Der Knackpunkt ist ohnehin ein anderer: Ohne politische Union kann der Euro in seiner jetzigen Form nicht nachhaltig bestehen bleiben. Das heißt, die derzeitige, in sich total gespaltene Währungsunion unter dem Euro-Dach gleicht einem Haus, das jeden Augenblick zusammenbrechen kann. Und weil eine politische Union illusorisch bleibt, muss etwas geschehen. Aber es geschieht nichts. Stattdessen tun alle Politiker so, als könne die Entwicklung einfach wie bisher weiter gehen: Ein bisschen beruhigende Worte hier, ein paar Verhandlungen ohne Ergebnis da, und schon überlassen die Brüsseler Bürokraten die Problemlösung einem Mann, der darin seit Jahren geübt ist, EZB-Präsident Mario Draghi. Das kann nicht mehr lange gut gehen.
Wie lange? Wir kommen der Antwort näher, wenn wir uns vor Augen führen, dass die europäischen Geschäftsbanken durch die Nullzinspolitik der EZB eines Großteil ihres Geschäfts beraubt werden. Denn sie leiden bereits seit längerer Zeit unter extrem niedrigen Zinsmargen, und das bei geringem Eigenkapital, was auch auf deutsche Banken zutrifft. Zwar besteht die - derzeit allerdings nur theoretische - Möglichkeit, dass die EZB das Zinsniveau anhebt, um den Banken zu helfen.
Aber dann müssten ohnehin schon hoch durch Schulden belastete Euroländer unter Führung von Italien, außerdem auch Frankreich und Spanien, Griechenland sowieso, an ihre Gläubiger Zinsen zahlen, die sie sich gar nicht mehr leisten können. Die im März gesunkene Inflationsrate kommt denn auch den Niedrigzins-Fans entgegen.
Zu allem Überfluss finden in diesem Jahr entscheidende Wahlen statt - für die Finanzmärkte ein Unsicherheitsfaktor sondergleichen. So etwas fördert nicht gerade die Investitionslust der Unternehmen. Und obendrein beginnen sich die Kollateralschäden des Brexit auszuwirken, deren Ausmaß noch nicht abzuschätzen ist. Ganz abgesehen vom unberechenbaren Tamtam von US-Präsident Donald Trump.
Summa summarum: Mindestens bis zur Bundestagswahl am 24. September werden viele Unternehmen in Lauerstellung verharren, was Ermüdungserscheinungen im ganzen Euroraum und darüber hinaus mit sich bringen dürfte. Derweil werden Politiker das Blaue vom Himmel versprechen, um gewählt zu werden oder um ihre Wahlversprechen einzulösen.
Zu pessimistisch? Nein, realistisch, und allein schon das rechtfertigt die eingangs empfohlene Anlagenmischung mit den Schwerpunkten Gold und Tagesgeld.
Wie steht es um die vielfach empfohlenen Aktien aus Dax, Dow Jones & Co.? Um die Antwort auf den Punkt zu bringen: Die meisten europäischen und amerikanischen Aktien sind, gemessen an gängigen Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Dividendenrendite, einfach zu teuer. Ihre Kurse profitieren - noch - von der extrem lockeren Geldpolitik der EZB bzw. von vorsichtigen statt rigorosen Zinsschritten der amerikanischen Zentralbank Fed. Was so viel bedeutet wie: Das vorhandene Spielgeld reicht aus, um die Aktienkurse oben zu halten. Sobald jedoch politische oder ökonomische Störfaktoren (s. oben) auf die Börse übergreifen, wird ein umfangreicher Kursrückgang nicht mehr zu vermeiden sein.
Bei dieser Gelegenheit gleich noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen zur Titelgeschichte in der April-Ausgabe der mit Steuerzahlergeld geförderten Zeitschrift Finanztest. Darin steht der folgende Satz: "Mit passiven Indexfonds lassen sich typische Anlegerfehler einfach vermeiden. Sie eignen sich auch für Börsenanfänger." Sie werden sogar als "ideale Lösung" angepriesen, vorneweg solche, "die den Weltaktienindex MSCI World abbilden".
Das klingt zwar auf Anhieb plausibel, aber warum haben deutsche Anleger ihre Depots damit nicht schon längst vollgestopft? Eine gängige Antwort könnte sein: Weil Banken und Sparkassen an diesen Fonds kaum verdienen und deshalb ihren Kunden vorzugsweise gemanagte Fonds - mit hohen Gewinnspannen für sich - verkaufen. Doch erst die folgende Antwort bringt uns der Wahrheit näher:
Weil sehr viele deutsche Anleger mit Aktien seit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes und vor allem der Telekom-Aktie in den Jahren 2000 bis 2003 generell auf Kriegsfuß stehen. Für sie bedeuten Kursschwankungen nicht so sehr Chance, sondern Risiko. Denn ihr prozyklisches Verhalten in der Vergangenheit hat ihnen den finanziellen Garaus gemacht.
Konsequent zu Ende gedacht, heißt das: Weil jeder Aktienfonds - ganz egal, ob als Indexabbild oder gemanagt - Schwankungen unterliegt und weil die prozyklische Aktienanlage bei deutschen Anlegern weiterhin dominieren wird, ist das Enttäuschungspotenzial beim jetzigen Einstieg in einen auf Aktien basierenden Indexfonds ebenso programmiert wie der Kauf eines gemanagten Fonds oder die direkte Aktienanlage. Daraus folgt: Auch wenn die Aktienkurse, angetrieben durch viel Spielgeld, noch weiter steigen mögen, ist Abwarten mit Käufen angebracht. Sobald die Kurse später ein tieferes Niveau erreicht haben, wird die Chance auf Kursgewinne viel höher sein als heute.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.