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Gold aus verschiedenen Perspektiven betrachtet

09.04.2017  |  Manfred Gburek
Warum haben die Börsen auf den militärischen Eingriff der USA in den Syrien-Krieg eher verhalten als dramatisch reagiert? Naheliegende Antwort: Weil die Folgen nicht absehbar sind. Doch diese Begründung ist zu vage, sie wird der Realität nicht ganz gerecht. Denn an den Börsen herrschen gerade jetzt Kräfte vor, die weit über kriegerische Auseinandersetzungen hinausgehen. Sie wirken sich zum Teil positiv, zum Teil negativ aus - auf Aktien, Anleihen, Edelmetalle, Rohstoffe und von Fall zu Fall sogar auf Immobilien. Durch sie rückt die Politik mal in den Vordergrund, mal in den Hintergrund. Hier sind einige markante Beispiele für entscheidende Kräfte:

  • Die trotz sehr vorsichtiger Zinserhöhungen nach wie vor lockere Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank Fed sorgt dafür, dass die Aktien drüben noch nicht kollabieren, obwohl sie, gemessen an bewährten Kennzahlen, viel zu hoch bewertet sind. Und die viel lockerere Geldpolitik der EZB hüben wirkt genauso. Wobei die auf ihr Inflationsziel von etwas unter 2 Prozent ausgerichtete EZB zunehmend in die Rolle eines staatlichen Financiers schlüpft, geschuldet der Tatsache, dass Europa keine eigenständige Regierung hat, sondern aus lauter egoistischen Staaten besteht.

  • Weltweit wachsen die Schuldenberge in einem noch nie dagewesenen Tempo. Daran zu glauben, Griechenland (gerade wieder mal durchgepäppelt) oder Italien (kurz vor dem nächsten Offenbarungseid) würden Schulden je ganz oder auch nur zur Hälfte zurückzahlen, ist lächerlich. Derweil haben die Autokredite in den USA gerade einen neuen Gipfel erreicht; an größere Rückzahlungen ist auch hier nicht zu denken.

  • Mehrere italienische Banken sind kaum mehr überlebensfähig. Nur sollte man sich in Deutschland nicht darüber erheben, denn auch hier gibt es immer noch eine Menge aufzuräumen: Die Geschäftsmodelle vieler Institute sind von gestern, Gebühren und Provisionen als Ersatz für das wegbrechende Zinsgeschäft können keine Dauerlösung sein, und Fintechs bringen die ganze Branche durcheinander.

  • Der Syrien-Krieg lenkt von anderen Brandherden ab. Diese befinden sich auch in Deutschland, vor allem dort, wo Flüchtlinge ohne Arbeit und ohne Perspektive vor sich hin leben. Das Gewaltpotenzial nimmt zu. Trotzdem sind Politiker derzeit mehr auf Stimmenfang als auf Problemlösungen bedacht. Zunächst wählen Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, für September ist die Bundestagswahl angesetzt. Viel brisanter sind indes die jetzt vor der entscheidenden Phase stehenden Wahlen in Frankreich und in der Türkei.

  • Die Auswirkungen der Politik auf die Börsen werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. So sind zum Beispiel die Brexit-Folgen kaum abzusehen. In den USA sorgt Präsident Donald Trump nicht allein mit seiner problematischen Entscheidung für das Bombardement in Syrien für Unruhe, sondern auch mit nebulösen Andeutungen zu den amerikanisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.

Während der vergangenen Tage konnte man gut beobachten, wie führende institutionelle Anleger angesichts der hier beschriebenen Großwetterlage in Deckung gegangen sind: Vor lauter Verunsicherung haben sie abwechselnd Aktien, Gold und Anleihen favorisiert. Jawohl, auch Anleihen, vorzugsweise Kurzläufer mit Negativ-“Renditen“, also mit programmierten Verlusten - als gäbe es kein Gold. Was veranlasst Anleger zu so etwas? Ganz einfach, sie nehmen die Verluste in Kauf, denn sie halten Anleihen guter Schuldner (etwa des Bundes oder gut aufgestellter Konzerne) für sicher - nicht zuletzt deshalb, weil ja auch die EZB Anleihen kauft, und zwar gleich massenweise. Das ist verrückt, wird aber bis auf Weiteres so bleiben.

Obwohl die Bewertung von Aktien in Amerika wie auch in Europa sehr hoch ist, halten sich ihre Kurse relativ gut. Hier spielt das Sicherheitsmotiv so gut wie keine Rolle. Vielmehr sorgt die erwähnte lockere Geldpolitik von EZB und Fed dafür, dass die Kurse nicht abstürzen. Man fragt sich unwillkürlich, wie lange noch. Denn es gibt verstärkt Warnsignale, von denen der schiere Optimismus der amerikanischen Börsenspieler besonders markant ist. Er hat gerade einen neuen Höhepunkt erreicht - erfahrungsgemäß ein untrügliches Zeichen dafür, dass eine Kurskorrektur nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

Der Anstieg des Goldpreises aus Anlass des amerikanischen Bombardements in Syrien ist bislang nur einer von in solchen Fällen üblichen Reflexen. Entscheidend werden in nächster Zeit andere Faktoren sein, vorneweg die Flucht vieler Anleger in die Sicherheit als Schutz vor der Überschuldung der Welt, vor maroden Währungen und vor der drohenden Inflation. Regierungen und Zentralbanken werden sich einmal mehr als Preisdrücker betätigen. Das kann nicht auf Dauer funktionieren. Folglich wird sich der Goldpreis nach und nach aufwärts schwingen und den Silberpreis mitnehmen.

Das ist nicht nur eine naheliegende Spekulation, sondern auch die logische Konsequenz aus ein wenig Mathematik: Solange der internationale Schuldenberg wächst und damit der Wert der Währungen, in denen der Goldpreis gemessen wird, sukzessive sinkt, muss der Goldpreis, in diesen Währungen gemessen, zwangsläufig steigen. So weit die nominale Betrachtung, die davon ausgeht, dass die Kaufkraft mithilfe von Gold trotz dessen Preiseskapaden auf Dauer erhalten bleibt. Zwar ist die Zeit, in der dies stattfindet, nicht exakt zu messen. Aber dass es sich aus heutiger Sicht nur um wenige Jahre und nicht etwa um Jahrzehnte handelt, das gilt als sicher - zumal der Goldpreis zurzeit noch weit unter dem Gipfel aus dem Jahr 2011 notiert.

Alle hier beschriebenen Zusammenhänge werden durch einen historischen Rückblick erhärtet, den ich an dieser Stelle schon einige Male angestellt habe: In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts versuchten die führenden westlichen Zentralbanken den Goldpreis zu bändigen, um das damals immer brüchiger werdende Währungssystem und vor allem die internationale Dominanz des Dollars irgendwie zu retten. Doch so sehr sie sich darum auch bemühen mochten, im März 1968 mussten sie ihre Interventionen aufgeben. Zwei Jahre später begann der Goldpreis bekanntlich zu steigen, in der Spitze um das 24-fache.

Die Geschichte wiederholt sich natürlich nie eins zu eins, sondern nur in Grundzügen: Auf Hausse folgt Baisse und umgekehrt, auf Krieg folgt Frieden und umgekehrt. Deshalb sei hier zum Schluss noch eine interessante Beobachtung wiedergegeben: 1968 muckte der Goldpreis kurzfristig auf, bevor er eineinhalb Jahre später seinen Höhenflug begann. Ende September 1999 muckte er ebenfalls nur kurz auf, bevor er eineinhalb Jahre später, im Frühjahr 2001, nachhaltig zu steigen anfing. Im ersten Halbjahr 2016 erholte er sich vom mehr als vierjährigen Rückgang, fiel dann etwas zurück und drehte im Januar 2017 nach oben. Das alles mag Zufall sein. Doch ich glaube nicht an geschichtliche Zufälle.

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© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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