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Der nahende Crash und das Gold

23.04.2017  |  Manfred Gburek
Auf die Gefahr hin, Sie nach nur einer Woche schon wieder mit dem Thema Crash zu konfrontieren, behaupte ich: Es ist aktueller denn je. Warum? Weil wir es - egal, wer die Frankreich-Wahl gewinnt - mit einer völlig neuen politischen und ökonomischen Konstellation zu tun haben, und zwar international, von den USA über Europa bis nach Asien, dort aktuell vor allem bis Nordkorea und China.

Überspitzt formuliert: Die Welt droht aus den Fugen zu geraten, weil vieles, was vor einem Jahr als selbstverständlich galt, heute kaum noch eine Rolle spielt. In so einer Situation ist Sicherheit gefragt - ein Kapitel für sich. Besonders Gold wird weiter in den Vordergrund rücken: als Hort der Sicherheit, aber auch als Seismograph der allgemeinen Zerrüttung, deshalb sein etappenweiser Preisanstieg.

Den Anstoß zu den folgenden Überlegungen gab mir am vergangenen Mittwoch der Internet-Börsendienst wellenreiter-invest.de, als er wieder mal die Grafiken des amerikanischen Börsenbarometers Dow Jones von 1986 bis 1987 und von 2016 bis 2017 übereinander legte: Frappierend, wie da beide Entwicklungen 15 Monate lang bis zum Frühjahr 1987 und bis zum Frühjahr 2017 parallel verlaufen.

Alles nur Zufall? Immerhin Anlass genug, den einen oder anderen Vergleich anzustellen. Denn falls der parallele Verlauf sich fortsetzen sollte, würde es zu einer kräftigen Sommerrally mit anschließendem Crash kommen. Nun wissen wir aus Erfahrung, dass die Börsengeschichte sich nicht exakt eins zu eins wiederholt, sondern nur in ihren Grundzügen: Gier bei hohen, Angst bei niedrigen Kursen. Wobei Gier und Angst nicht allein emotional zu verstehen sind, sondern auch höchst rational.

Dazu nur diese beiden Beispiele: Fondsmanager, die ihre Aktien zu früh verkaufen, werden von Anlegern abgestraft, weil die Fondsperformance für eine gewisse Zeit unter den Aktienverkäufen leidet, sodass Anleger ihre Fondsanteile abstoßen. Folglich versuchen die meisten Manager die Aktienkurse prozyklisch nach oben auszureizen. Das tun sie üblicherweise im Herdentrott. Umgekehrt verhält es sich, wenn die Kursentwicklung abwärts gerichtet ist. Dann veranlasst der Herdentrott die Manager, prozyklisch möglichst viel Bares zu horten, statt antizyklisch Aktien zu kaufen.

Über den Crash-Auslöser vom Oktober 1987 wurde bereits viel gemutmaßt. Am meisten überzeugt hat die Begründung mit dem damaligen transatlantischen Streit zwischen der amerikanischen Regierung und der Deutschen Bundesbank. Auf eine einfache Formel gebracht: Damals warfen die Amis den Bundesbankern eine zu straffe Geldpolitik vor. Daraufhin verbat sich die deutsche Seite die Einmischung in ihre Angelegenheiten.

Und heute? Christine Lagarde, Chefin des von den USA dominierten Internationalen Währungsfonds, wiederholt gebetsmühlenartig ihre Forderung, Deutschland möge weniger exportieren. US-Präsident Donald Trump hält es sogar für unfair, dass seine Landsleute mehr Autos der Marke Mercedes fahren als die Deutschen Chevrolet-Boliden. Das geht dem hiesigen Finanzminister Wolfgang Schäuble offenbar derart auf die Nerven, dass er trotzig für einen Europäischen Währungsfonds plädiert. Damit ist der nächste transatlantische Streit so gut wie programmiert.

Hinter dem internationalen, von den USA ausgehenden Gejammer über die deutschen Exporterfolge steckt viel mehr als nur Konkurrenzneid und die Forderung nach verstärktem Protektionismus, wie üblicherweise diskutiert. Dahinter steckt vor allem auch die Euro-Missgeburt. Eine gängige These lautet: Exportweltmeister Deutschland profitiert vom niedrigen Euro. Dass das Ausland deutsche Autos, Maschinen und viele weitere Produkte in erster Linie wegen ihrer Qualität kauft, wird dabei gern verschwiegen.

Warum Missgeburt? Ganz einfach: Weil der Exportweltmeister einem Währungsclub namens Euro angehört, dessen weitere Mitglieder überwiegend Schuldenmeister sind. Dieser Club ist in der heutigen Zusammensetzung nicht überlebensfähig. Was wann aus ihm wird, steht zwar in den Sternen, aber der eine oder andere Schuldenschnitt - man denke nicht nur an das ständig durchgepäppelte Griechenland, sondern vor allem an den riesigen Schuldenberg Italiens - dürfte in absehbarer Zeit fällig sein. Was bedeutet absehbar? Wohl nicht nach der jetzigen Frankreich-Wahl, sondern wahrscheinlich erst nach der Bundestagswahl.

Bis dahin und möglicherweise ein paar weitere Wochen könnte alles noch beim Alten bleiben: das Gezänk um die deutschen Exporte, die immer höhere Verschuldung der meisten Euroländer, die unbewältigte Flüchtlingskrise, der Streit zwischen Bund und Ländern um die Entscheidungsmacht beim Zivilschutz, Unruhen in der Bevölkerung, Attentate aller Art und eine EZB-Geldpolitik, die sich - noch - über die verheerenden Folgen niedriger Zinsen hinwegsetzt und einfach immer mehr problematische Anleihen aufkauft.

Die Folgen der EZB-Geldpolitik machen sich bereits deutlich bemerkbar: Während immer mehr Sparer unter den Null- bis Negativzinsen leiden, geraten zunehmend auch deutsche Banken und Sparkasse in Not. So bergen nach Berechnungen der Bundesbank nicht weniger als 800 hiesige Institute Zinsänderungs-Risiken, von weiteren Risiken ganz zu schweigen. Und die deutsche Finanzaufsicht BaFin beziffert die besonders harten Problemfälle im Bankensektor schon mit 150 bis 200. Daraus lässt sich schließen, dass die überwiegend traditionellen Geschäftsmodelle der Finanzwirtschaft - aus kurz mach lang - ihre beste Zeit längst hinter sich haben.

Die hier genannten Beispiele, von prozyklischen Fondsmanagern über transatlantische Querelen und Folgen der Euro-Missgeburt bis zu den Opfern der EZB-Geldpolitik, spiegeln nur einen Bruchteil der Probleme wider, die einem Crash vorauseilen. Dessen Auslöser kann alles Mögliche sein, wie die Vergangenheit zeigt: 1987 vorwiegend deutsch-amerikanische Auseinandersetzungen, ein Jahrzehnt später die Asienkrise, im Jahr 2000 das Platzen der Technologieblase und 2008 die Pleite der Bank Lehman Brothers.

So vielfältig die Auslöser auch sein mögen, in zwei Punkten gleichen sie sich: erst Überraschung, dann Panik. Die Überraschung rührt daher, dass die Masse der Anleger kurz vor einem Crash diesen gar nicht auf der Rechnung hat. Und die anschließende Panik erklärt sich daraus, dass diese Masse emotional statt rational reagiert. Fatal daran ist, dass der Zeitpunkt des Crash-Beginns nicht vorhergesehen werden kann. Also reizen Groß- und Kleinanleger im Zweifel lieber noch die möglichen weiteren, mittelbar von der EZB-Gelddruckmaschine getriebenen Kursgewinne aus, statt antizyklisch vorzugehen und den Bar- sowie Goldbestand am Gesamtvermögen hoch zu halten.

Zugegeben, das kann auf die Nerven gehen, besonders für den Fall, dass die Aktienkurse ihren bisherigen Anstieg noch weitere Monate fortsetzen. Doch am Ende werden antizyklisch agierende Anleger die Gewinner sein.

Die Funktion des Goldes in diesem Szenario bedarf noch zweier Anmerkungen: Es handelt sich um eine passive Anlage, die während turbulenter Börsenzeiten dazu dient, Vermögen real zu erhalten. Darüber hinaus kann Gold aber auch eine aktive Rolle einnehmen, vorzugsweise dann, wenn entweder die Inflation aus dem Ruder läuft (wie in den 70er Jahren) oder wenn die Zentralbanken auf einmal feststellen, dass der Goldanteil in ihren Bilanzen allzu sehr zusammengeschrumpft ist (wie von 2001 bis 2011). Es gibt also zusätzlich zu den eingangs angestellten Überlegungen zwei weitere gewichtige Argumente, die gerade jetzt für Gold sprechen.

Neu bei gburek.eu: Was steckt hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen?


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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