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Nach G-7 und Nato vor "neuem Europa"? (Feiertag USA und UK)

29.05.2017  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1168 (07.33 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1158 im europäischen Handel markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 111.30. In der Folge notiert EUR-JPY bei 124.30. EUR-CHF oszilliert bei 1.0892.

Die letzte Woche lieferte auf der politischen Bühne neue Erkenntnisse für Europa. Donald Trump offerierte das, was er in den Wahlen versprach: "America first!" Das gilt für die Politik, es gilt für die Wirtschaft.

Diese Neuausrichtung der USA kommt bei den Eliten Kontinentaleuropas an und zwingt auf der sachlichen Ebene zu einer Neuausrichtung. Kontinentaleuropa hat nur gemeinsam eine Chance sich mit der eigenen Agenda durchzusetzen, wenn man nicht internationale politische Selbstaufgabe präferiert. Einzelne Länder sind wie Herbstlaub im Wind in ihrer globalen Bedeutung. Kontinentaleuropa gemeinsam hat dagegen das Potential einer Eiche, das jedoch noch in wesentlichen Teilen gehoben werden muss. Eichen sind bekanntlich Windbrecher.

Bundeskanzlerin Merkel hat bei einem Auftritt in Bayern als Konsequenz der Erfahrungen des Nato-Treffens (schroffe Abkanzelung Europas) als auch des G-7 Gipfels ("Klimakrise") mit den USA mehr Eigenständigkeit (gegenüber den USA) eingefordert.

Das ist eine milde verbale Form auf dem Weg der Emanzipation hin zu einer eigenen Agenda. Der Frau Dr. Merkel entgegen donnernde Applaus von 2.000 Anwesenden bei dieser Veranstaltung darf als Indiz eines starken öffentlichen Rückenwinds für diese Position interpretiert werden. Sie beschwor aber ebenso auch die Freundschaft mit den USA und dem UK. Es gab eine Einigung in der Frage des Anti-Terrorkampfes und einen Kompromiss mit den USA in Handelsfragen.

In der Tat ist eine starke europäische Position der Gemeinsamkeit kein Widerspruch zu Freundschaften mit den USA und dem UK. Für eine echte Freundschaft ist sie sogar unverzichtbar. Unterordnungen sind keine Freundschaft, das weiß jeder aus seiner privaten Sphäre. Die Frage ist, wie diese beiden Länder mit dieser für sie neuen potentiellen Situation umgehen werden. Es bleibt spannend.

Die Chance für ein "Neues (Kontinental)Europa" sind gegeben - werden sie genutzt? Diese politische Chance bietet den Schlüssel für eine erhöhte Ausschöpfung von Synergieeffekten der Wirtschaft innerhalb Kontinentaleuropas, dem Hort der "Hidden Champions". Mit 4,6% der Weltbevölkerung (eurozone) haben wir mehr als 60% aller "Hidden Champions" der Welt.

Faktisch ist Kontinentaleuropa diesbezüglich außerhalb der Sektoren Biotech, Hard- und Software das ökonomische Powerhouse der Welt. Wenn wir wollen, können wir übrigens auch Biotech, Hard- und Software. Es ist nur eine Frage des politischen Willens, auch dort die Akzente setzen zu wollen. Wie sagte Tom Enders noch so treffend: "Wir können den europäischen Hard- und Software Airbus bauen!" Das wäre zum Schutz Europas hinsichtlich der NSA/Five Eyes-Aktivitäten durchaus sachlich geboten. Biotech ist eine ethische und politische Frage. Wer aber anderen dieses Spielfeld in der Ökonomie überlässt, kann auch nicht über die Verwendung bestimmen, oder?

Mehr Aufschluss kann diesbezüglich auch der Staatsbesuch Putins in Paris liefern. Hält Präsident Macron an seiner Position aus der Wahlkampagne, die sehr kritisch gegenüber Moskau ausfiel, fest oder fordert die aktuelle globale Konstellation eine zarte oder gar etwas sportlichere Neuorientierung?

Der Ukrainekonflikt kann nur mit der Ukraine, Russland und Kontinentaleuropa im Rahmen der EU gelöst werden. Nur das Miteinander bietet Chancen. Nur verbale, diplomatische und dann militärische Abrüstung kann zum Ziel führen. Sonst bleibt die Ukraine "der Bauer im Schachspiel" der Interessen Dritter. Das war die Ukraine zu Lasten der dort lebenden Menschen schon viel zu lange! Nun, Zbigniew Brzezsinski, der Architekt dieser Politik (The Grand Chessboard) ist am 26. Mai 2017 verstorben. Gilt das dann auch für die von ihm vertretene Geopolitik der USA?

Die Reaktion an den Märkten war ob der politischen Wendungen verhalten. Sie hat eine abwartende Qualität. Das ist mehr als verständlich bezüglich der anstehenden Weichenstellungen.


Aus den USA erreichten uns hinsichtlich der Erwartungswerte in der Tendenz positive Datensätze:

So legte das BIP angeblich per 1. Quartal um 1,2% in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung zu. Die Prognose lag bei lediglich 0,9% nach der Erstschätzung, die bei nur 0,7% lag.
Ergo war es besser, aber wie der Chart untrüglich zeigt, baut sich die Wachstumsdynamik recht deutlich ab.

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© Moody’s Analytics


Die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter sanken per Berichtsmonat April im Monatsvergleich um 0,7%. Die Prognose lag bei -1,2%. Das war zunächst einmal gut, aber der Teufel liegt bekanntlich im Detail. Wesentlicher bei der positiven Betrachtung war die Revision des Vormonatswerts März von +0,7% auf +2,3%. Mithin lag der positive Überraschungswert bei 2,1% in der Zweimonatsperiode. Das ist beachtlich.

Es wurde aber mehr revidiert:

•  Der Februarwert wurde von 2,3% auf 1,4% herabgesetzt.
•  Der Januarwert wurde von 2,4% auf 0,3% angepasst!
•  Ergo lag hier die negative Anpassung bei 3%.

Machen Sie sich Ihre Gedanken über Zahlenspiele unter dem Motto "Window-Dressing".

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© Moody’s Analytics


Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart der Universität Michigan stellte sich per Berichtsmonat Mai in der finalen Fassung auf 97,1 nach zuvor 97,0 Punkten. Die Prognose lag bei 97,5 Punkten. Der Index zeigt die letzten drei Monate eine hohe Widerstandskraft im Umfeld von 97 Punkten. Ergo hält hier das Thema der so genannten "Trump-Euphorie". Wir fragen uns, wie lange noch?

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© Moody’s Analytics


Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0970-1.1000 dreht den Bias zu Gunsten des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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