David Morgan: Gold und Silber vor dem Ausbruch aus dem Abwärtstrend
31.07.2017 | Mike Gleason
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Der Goldkurs hat in diesem Jahr bislang 12% zugelegt und hat sich damit besser entwickelt als die Aktien. Wenn Sie dagegen den durchschnittlichen Anleger auf der Straße fragen würden, welche Anlageklasse bislang die bessere Performance zeigte, bin ich mir sicher, dass 90% oder wahrscheinlich sogar 98% "die Aktien" antworten würden.Mike Gleason: Da haben Sie sicherlich recht. Im Morgan Report sind Sie kürzlich auf das Thema Gegenparteirisiko eingegangen. Das ist natürlich ein ziemlich breites und praktisch endloses Thema, aber führen Sie doch bitte einige Ihrer Gedanken dazu aus, denn die Selbstzufriedenheit und Gleichgültigkeit vieler Anleger beruht zum Teil auch auf ihrer Unkenntnis der erschreckenden Risiken, die die Märkte heute bergen.
David Morgan: Ja, darüber könnte ich wahrscheinlich ewig reden, aber ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. Eins vorweg: Ganz gleich, wie stark eine Überzeugung ist - die Wahrheit ist manchmal trotzdem das genaue Gegenteil davon. Das globale Establishment des Wirtschaftssystems, d. h. alle Staaten, die großen Hedgefonds, die Banken etc., glauben beispielsweise, dass der US-Staatsanleihenmarkt der sicherste Ort der gesamten Investmentarena ist.
Ob Sie kurz- oder langfristige US-Treasuries kaufen, spielt der herrschenden Auffassung zufolge kaum eine Rolle, denn die Schuldpapiere der Vereinigten Staaten gelten als extrem sichere Anlageoption. In Wahrheit sind sie jedoch das genaue Gegenteil. Der US-Anleihemarkt ist wahrscheinlich sogar genau der Markt, den alle Investoren eines Tages fluchtartig verlassen wollen, vielleicht sogar fast gleichzeitig.
Warum denke ich das? Nun, wie gesagt, alle Fiatwährungen scheitern eines Tages, das hat sich in der Geschichte wieder und wieder gezeigt. Aktuell müssten sich die grundlegenden Ansichten der Marktteilnehmer dazu allerdings dramatisch ändern. Die Entwicklungen, die wir derzeit im Bereich der Kryptowährungen beobachten, sind vermutlich ein erster Hinweis darauf, dass einige Anleger verstanden haben, was hinter den Kulissen wirklich geschieht.
Ich gebe zu, dass die US-Staatsanleihen in den letzten 30 Jahren die besten langfristigen Investments waren. Man konnte sie einfach kaufen und halten, ohne sich viele Gedanken darüber machen zu müssen. Doch kein Baum wächst bis in den Himmel. Eines Tages ist die Zeit des Wachstums für alles und jeden vorbei, und das gilt auch für die Kurse der US-Treasuries.
Hier ist also eine gigantische Schuldenbombe entstanden, die nur darauf wartet, eines Tages zu explodieren. Das bedeutet übrigens nicht zwangsläufig, dass es zu einem großer Knall kommt, und alle plötzlich verstehen, was passiert ist. Wahrscheinlich wird es zuerst langsam beginnen und sich dann zunehmend beschleunigen. Clevere Investoren werden ihre Dollaranlagen rechtzeitig abstoßen. Diesen Trend beobachten wir bei einer Reihe von Staaten ohnehin schon seit mehreren Jahren. Manche bauen ihre Dollarreserven allmählich ab, andere geben die US-Währung recht schnell auf.
China und Russland wickeln ihre Geschäfte untereinander beispielsweise in ihren eigenen Währungen ab. Die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle. So wie die Kryptowährungen Privatanlegern die Möglichkeit geben, Alternativen zu den hergebrachten Währungen zu nutzen, entstehen auch zahlreiche Strukturen und Situationen, in denen Staaten ihr Exposure gegenüber dem US-Dollar reduzieren bzw. ihre US-Assets abbauen können.
Diese Entwicklungen lassen durchaus auf Künftiges schließen. Situationen wie die heutige finden früher oder später ein Ende. Je länger man versucht, das Problem unter den Tisch zu kehren, die Lösung hinauszuzögern, und so zu tun, als könnten die Märkte auf ewig manipuliert werden, desto schlimmer wird es am Ende.
Mike Gleason: A propos Kryptowährungen - in diesem Sektor haben wir in der letzten Zeit einen echten Boom erlebt. Wir sind wahrscheinlich beide der Ansicht, dass es vorteilhaft sein kann, Bitcoin oder eine der anderen alternativen Währungen zu besitzen. Allerdings möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass digitale Währungen nicht als Ersatz für physisches Gold und Silber betrachtet werden sollten. Schließlich haben die beiden Edelmetalle ihren Wert als Geld im Laufe der Geschichte zweifelsfrei unter Beweis gestellt. Wie sehen Sie das?
David Morgan: Nun, es gibt im Grunde genommen zwei Theorien zur Natur des Geldes. Eine besagt, dass Geld all das ist, was die Regierung als Geld bezeichnet. Es ist also eine Fiktion, ein Rechtstrick. Auf der anderen Seite kann man argumentieren, das Geld immer etwas sein muss, das an sich bereits einen Wert besitzt, sei es nun Salz, Kuhhäute, Schafe oder etwas anderes. Es läuft also immer auf eine Entscheidung zwischen einer Fiktion und Hartgeld hinaus.
Ich selbst bin der Ansicht, dass Silber einen größeren inhärenten Wert besitzt als Gold, weil man es nicht nur als Geld bzw. Tauschmittel, sondern z. B. auch in der Medizin, in der Elektronik und in vielen anderen Bereichen einsetzen kann. Es hat mehr Anwendungsmöglichkeiten als Gold. Aber ungeachtet meiner persönlichen Meinung zu den beiden Edelmetallen hat der freie Markt sie seit Menschengedenken zum echtem Geld erkoren. Dieses Argument lässt sich nicht einfach übergehen.
Viele Leute wurden heute allerdings einer derartigen Gehirnwäsche unterzogen, dass sie tatsächlich glauben, Gold und Silber hätten keinen Nutzen mehr, seien kein Geld usw. Doch die Idee hinter dem Fiatgeld, dass sich aus dem Nichts etwas mit einem Wert erschaffen lässt, wurde in der Geschichte ebenfalls zahllose Male ausprobiert - und ist doch immer wieder gescheitert.
Was die Kryptowährungen anbelangt bin ich keineswegs dagegen. Ich habe sogar erst kürzlich einen Vortrag darüber gehalten und über Gold, Silber und die Blockchain gesprochen. Auf Bitcoin bin ich vor allem deshalb eingegangen, weil es die führende der digitalen Währungen ist und es sich dabei um ein ungewöhnliches, neuartiges Konzept handelt.
Lassen Sie mich etwas weiter ausholen, Mike. Die Frage ist, ob ein anders angelegtes Fiatwährungssystem theoretisch funktionieren könnte. Wenn wir ehrlich sind, dann ist Antwort darauf wahrscheinlich ja. Wenn es nur ein begrenztes Angebot an Banknoten gäbe und die Geldmenge nur im gleichen Maße wachsen würde wie die Wirtschaft, wäre das theoretisch ein ziemlich gutes Fiatwährungssystem. In Wirklichkeit war das jedoch nie der Fall. Die Kritiker des Goldstandards behaupten natürlich ebenfalls, dass der Goldstandard nie funktioniert hat. Aber er würde funktionieren, weil das Wachstum der Geldmenge aufgrund des Edelmetallangebots praktisch auf 2% im Jahr begrenzt wäre. Das wäre ein nachhaltiges Wachstum.