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Deutsche Sparer und ihre falsch verstandene Sicherheit

03.09.2017  |  Manfred Gburek
Zuletzt überschlugen sich die Gold- und Silberprognosen, typischerweise vor und nicht nach der einen oder anderen Preiskorrektur. Mal dienten die spärlichen Aussagen einiger Zentralbanker in Jackson Hole als Begründung, warum der Goldpreis über 1300 Dollar je Feinunze gestiegen war, mal sah man den Auslöser im schwachen Dollar, mal wollten Kurvendeuter die Ursachen in so mancher Chartformation gefunden haben, mal galt der Nordkorea-Konflikt als Vorwand. So recht zufriedenstellend war allerdings keines der Argumente.

Dabei drängt sich ein Ereignis zur Ursachenforschung geradezu auf: der erneute, für die meisten Anleger überraschende Rückgang der Anleiherenditen. Und das in einer Zeit, die - vor allem in Amerika - seit längerer Zeit von Zinserhöhungsängsten geprägt ist. Was dahintersteckt, lässt sich am besten wie folgt erklären: Sinkende Anleiherenditen, so jedenfalls die Mainstream-Meinung, wirken sich angeblich positiv auf das zinslose Gold aus.

Doch das mag theoretisch noch so überzeugend erscheinen, in der Praxis ist dagegen zu beachten, dass niedrige oder sogar Minus-“Renditen“ eine besondere Gefahr darstellen: Ist die Zeit reif für ihren Anstieg, reißen sie die Kurse der Anleihen nach unten. Das heißt, unter dem Strich sind Anleihen - mit Ausnahme der inflationsindexierten - heutzutage eine gefährliche Anlage. Diese Überlegung impliziert, dass Gold als klassisches Kontra zu Anleihen aktuell doch eine recht lukrative Anlage sein müsste.

Dieses Fazit erschließt sich auch bei genauerer Betrachtung der Anleihen. Nehmen wir zunächst amerikanische Staatsanleihen: Ihre Renditen bewegen sich jetzt nominal zwischen knapp 1,0 Prozent (ein Jahr Restlaufzeit) und gut 2,7 Prozent (30 Jahre Restlaufzeit). Die US-Notenbank Fed will die derzeit schlappe Inflation auf 2 Prozent in die Höhe treiben. Dann würden erst Anleihen mit mindestens zehn Jahren Restlaufzeit eine reale positive Rendite abwerfen. Schlimmer noch: Je länger die Anleihen laufen, desto tiefer fallen ihre Kurse, sobald die Inflation an ihnen nagt.

Zwar gilt auch für deutsche Bundesanleihen, dass die Kurse umso tiefer fallen, je länger die Laufzeit ist. Aber anders als die amerikanischen weisen sie in puncto "Renditen" eine Besonderheit auf: Diese befinden sich aktuell nominal bis zu sieben Jahren Restlaufzeit im Minus. Berücksichtigt man, dass die EZB eine Inflation nahe 2 Prozent anstrebt, bleiben unter dem Strich reale Minus-“Renditen“ etwa zwischen 1,3 Prozent (ein Jahr Restlaufzeit) und 0,9 Prozent (30 Jahre Restlaufzeit) übrig.

Ich hoffe, Sie mit all diesen Zahlen nicht allzu sehr strapaziert zu haben. Mir ist einfach besonders wichtig, mal auch von dieser Seite aus den ganzen Irrsinn darzustellen, mit dem wir es bei den Staatsanleihen zu tun haben, also bei de facto beliebig vermehrbaren nominalen Werten, denen Gold als realer Wert allmählich wieder die Schau zu stehlen beginnt. Und wie Sie sicher schon bemerkt haben, erleben derzeit - neben Silber und anderen Edelmetallen - auch Industriemetalle wie Zink, Nickel, Kupfer u.a. eine Renaissance. Diese Entwicklung passt zu den Inflationszielen auf beiden Seiten des Atlantiks.

Über kurz oder lang wird man die dafür ausschlaggebenden Ursachen irgendwie zu finden versuchen. Das funktioniert üblicherweise so: Börsianer werden durch ein Ereignis überrascht, wie zuletzt beispielsweise durch den Goldpreissprung über 1300 Dollar. Dann suchen sie nach Ursachen, die dafür infrage kommen könnten, und landen wie eingangs beschrieben bei Mutmaßungen über angebliche Jackson Hole-Beschlüsse, beim schwachen Dollar, bei Charts oder beim Nordkorea-Konflikt. Dass zum Beispiel die extrem hohen Schulden des amerikanischen Staats, deren Obergrenze bald wieder erhöht werden muss, oder die demnächst steigende Inflationsrate dafür eher infrage kommen könnten, fällt ihnen erst später oder gar nicht ein.

Schulden sind schwelende Krisenherde. Was sie so gefährlich macht, ist neben ihrer unermesslichen Höhe bar jeder Vorstellungskraft die mittlerweile fast vollständig abgestumpfte Reaktion - einerseits aufseiten der sogenannten Profis, die mit Schulden (überwiegend Anleihen) rund um die Uhr jonglieren, als gäbe es kein Morgen, andererseits aufseiten der Sparer, für die Euro gleich Euro ist, ungeachtet der vielen Gefahren, die ihnen bei so einer Denkweise vonseiten der Inflation drohen.

Eine weitere Bedrohung besteht darin, dass immer mehr Banken und Sparkassen ihre Gebühren für die Kontoführung erhöhen. Das läuft darauf hinaus, dass Sparer gezwungen werden, unter dem Strich Verluste zu machen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist nicht absehbar. Als erschwerend - besonders für deutsche Sparer mit ihrer üblichen, auf vermeintliche Sicherheit fixierten Denkweise in nominalen Werten - erweist sich die Vorliebe für Zinsanlagen aller Art einschließlich Lebensversicherungen.

Dabei gibt es Auswege. Nur gehört dazu, dass Sparer sich erstens so schnell wie möglich von der hier beschriebenen Denkweise verabschieden und dass sie zweitens bereit sind, zwischenzeitliche nominale Wertschwankungen zu akzeptieren. Diese finden bekanntlich überall dort statt, wo etwas gehandelt wird, seien es Anleihen oder Aktien, seien es Gold, Silber oder Rohstoffe. Allerdings fällt der Abschied besonders vielen deutschen Sparern allein schon mental sehr schwer. Hinzu kommt, dass Banken und Sparkassen ihren Kunden lieber Fonds oder Riester-Sparpläne verkaufen, Letztere vorzugsweise mit eingebauten Garantien - womit wir uns wieder beim falsch verstandenen Sicherheitsdenken befinden.

Man muss indes zugeben, dass viele deutsche Sparer zumindest in Bezug auf Gold ihre Lektion gelernt und es trotz seiner schwankenden Preise zu einem wichtigen Baustein ihres Vermögens gemacht haben. Einen hohen Anteil an dieser Entwicklung hat der Edelmetallhändler pro aurum, in Deutschland - später auch anderswo - Pionier unter den privaten Profis, die das zu Beginn des Jahrtausends im Dornröschenschlaf befindliche Geschäft mit Gold, zusätzlich auch mit Silber und anderen Edelmetallen, jenseits von Banken und Sparkassen populär gemacht haben. Danach begann bekanntlich eine zehnjährige Edelmetallhausse.

Erleben wir derzeit den Beginn einer neuen Hausse? Zumindest eine Antwort steht fest: Allein scho die internationalen Staatsschulden - nicht nur die exorbitant hohen amerikanischen - sprechen für ein klares Ja. Das genaue Timing lässt sich zwar nicht bestimmen, aber die vergangenen Wochen machen Mut. Was jetzt noch hinzukommen müsste, ist die Erkenntnis breiter Anlegerkreise, dass es sinnvoll ist, Gold und Silber lieber vor als nach dem Platzen der Schuldenblase zu kaufen.

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© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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