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Der Bitcoin Wahn

09.02.2018  |  Markus Mezger
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In der Praxis variieren sie bestimmte Parameter für die Generierung alternativer Blockidentifikationsnummern. Das Ganze wird dann Mining genannt, um eine (nicht angebrachte) Analogie zum Schürfen von Edelmetallen herzustellen. Überhaupt sind viele Begriffe aus dem Marketing von Gold entlehnt, um das Thema Bitcoin zu verkaufen. Aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls ist der Prozeß des "Mining" wirklich kompliziert. Begriffe wie "Iteration des Nonce-Werts" oder "alternative Merkle-Root" sind für viele Menschen jenseits des kognitiven Fassungsvermögens.

Die Schöpfung neuer Bitcoins ist also IT-Spezialisten mit speziellen Kenntnissen vorbehalten. Heute versuchen Vereinigungen von erfahrenen Netzwerkteilnehmern (Mining-Pools) mit hochgerüsteten Serverfarmen, vorwiegend in Asien, die hochgeschraubten Schwierigkeitsgrade zu lösen. Der Einzelkämpfer mit normaler IT-Ausrüstung hat praktisch keine Chance mehr, neue Bitcoins zu ergattern. Ein Großteil der bisher geschöpften Bitcoins dürfte zu Beginn auf das Konto der Leute geflossen sein, die dieses System ersonnen haben.

Aber es kommt noch schlimmer. Das Bitcoin-System war am Anfang nur ein paar Nerds bekannt, die sich den Spaß machten, so etwas einmal technisch auszuprobieren. Ende des Jahres 2008 war Bitcoin ein elektronisches Spielgeld, das an neue Nutzer oft verschenkt wurde. Die erste Preisschätzung im Oktober 2009 ergab einen Wert von 0,000764 USD. Die erste Warentransaktion soll im Mai 2010 stattgefunden haben. Dabei wurden 10.000 Bitcoin für den Gegenwert von zwei Pizzen bezahlt. Mit dem heutigen Kurs von rund 10.000 USD je Bitcoin hätten die beiden Pizzen etwa 100 Millionen Dollar gekostet. Bei wenigen Netzwerkteilnehmern war am Anfang die Verzweigung der Blockkette durch gleichzeitiges Anfügen von Blocks kaum zu befürchten.

Dementsprechend brauchte man auch keinen hohen künstlichen Schwierigkeitsgrad für die Erzeugung neuer Blocks, während die Erzeugung heute mit sehr hohen Rechner- und Stromkosten verbunden ist (s.u.). Aber die Blockerstellung war nicht nur wesentlich einfacher, sie wurde auch noch wesentlich besser vergütet. Zu Beginn wurden noch 50 Bitcoin-Einheiten als Kompensation für die Blockerstellung gezahlt, heute sind es 12,5 Einheiten. Dieser Wert wird nach der Fertigstellung einer bestimmten Blockanzahl immer weiter halbiert bis er sich asymptotisch der Null nähert. Die Anzahl der insgesamt zu emittierenden Bitcoins soll so auf 21 Millionen beschränkt werden.

Diese Beschränkung und eine schrumpfende Entlohnung bei steigendem Aufwand führen langfristig zu massiven Anreizproblemen zur Aufrechterhaltung des Systems (s.u.). Das Ganze ist ein großer Kettenbrief: Ein kleiner Kreis von hochspezialisierten IT-Fachleuten nimmt für eine an sich triviale Dienstleistung (Transfer von Geldeinheiten) hohe Beträge ein, während die Nachfolgenden bei steigendem Aufwand immer geringer kompensiert werden. In der logarithmischen Darstellung der Entwicklung aller bisher geschaffenen Bitcoin kann man klar erkennen, dass die großen Wachstumsraten in der Bitcoin-"Geld"menge zu Beginn des Systems erzielt wurden, als das Ganze nur wenigen Insidern bekannt war.

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Quelle: https://blockchain.info/de/charts/total-bitcoins, eigene Darstellung, Stand 1.2.2018


Aber nicht nur unfreiwillige, sondern auch mutwillige Verzweigungen der Blockchain sind denkbar. Wie oben angesprochen, setzt sich bei einer Verzweigung der längere Zweig durch. Der kürzere wird aufgegeben. Was aber passiert, wenn ein Teilnehmer versucht, andere Blöcke zu unterdrücken, indem er einen längeren Zweig an die Blockchain anzufügen versucht? Ein solcher Teilnehmer müßte über eine im Vergleich zu seinen Mitbewerbern sehr große Rechenkapazität verfügen, damit er in der Lage ist, mehrere gültige Blöcke hintereinander zu erstellen.

So ein Angriff auf das Bitcoin-Netzwerk wäre dann einigermaßen aussichtsreich, wenn ein Teilnehmer mehr als die Hälfte der gesamten Rechenleistung des Bitcoin-Netzwerks kontrollieren würde. Man spricht deswegen auch vom 51%-Angriff. Der Teilnehmer könnte zwar keine Transaktionen verändern, da er die Signatur nicht fälschen kann. Aber er kann willkürlich entscheiden, welche Transaktionen in die Blockchain aufgenommen werden und welche nicht. Ein Bitcoin-Käufer wäre in diesem Fall nicht mehr von einer Notenbank oder einer anderen Behörde abhängig, dafür aber von einem dominanten Netzwerkpaten.

Einen echten Vermögensschaden könnten derjenige erleiden, der sich darauf verläßt, dass eine Transaktion zu seinen Gunsten verbucht wird. Zum Beispiel der Verkäufer eines Goldbarrens, der dafür drei Bitcoin erhalten soll. Generiert der Käufer neben der ersten Transaktion noch eine zweite, die das gleiche Bictoin-Guthaben (Transaktionsinput) referenziert und die zu seinen Gunsten lautet, gibt es zwei widersprüchliche Transaktionen.

Das gleiche Geld wurde sozusagen doppelt ausgegeben (Double Spend). Nur eine der beiden Transaktion kann in die Blockchain aufgenommen werden. Ein dominanter Netzwerkteilnehmer könnte dafür sorgen, dass die zweite und nicht die erste Transaktion an die Blockchain angefügt wird. Der Verkäufer des Goldbarrens ginge dann leer aus. Dumm nur, wenn er den Goldbarren schon ausgehändigt hat. Der Bitcoin eignet sich demnach wenig für Geschäfte im Einzelhandel, bei denen Ware gegen Cash gilt.

Nun ist ein 51%-Angriff umso unwahrscheinlicher, je mehr Anreize für einen gesunden Wettbewerb beim "Mining" bestehen. Beim gegenwärtigen Bitcoin-Kurs konkurrieren noch mehrere Mining-Pools darum, sich die nächsten Bitcoin-Einheiten zu verdienen. Gegenwärtig gilt eine Transaktion, die in einem Block steht, der mindestens sechs Nachfolger hat, praktisch als unumkehrbar. Wie seht das aber aus, wenn die Vergütung immer weiter sinkt und die Preise fallen, weil sich die Netzwerkteilnehmer zu anderen Kryptowährungen abwenden oder ganz aus Kryptowährungen aussteigen?

Kann ein gutgläubiger Bitcoin-Käufer dann tatsächlich sicher sein, dass nicht eine Gruppe mit großem IT-Budget das gesamte Netzwerk übernehmen kann? Die Zahl der vollwertigen Knoten, die prinzipiell in der Lage wären, Blocks anzufertigen, nimmt seit einiger Zeit kontinuierlich ab, da die einfachen Netzwerkteilnehmer realisieren, dass sie keine Chance mehr haben, beim Mining zum Zug zu kommen. Einmal in die Blockchain eingetragene Transaktionen können später nicht mehr storniert werden, da ja alle Transaktionsblöcke aufeinander aufbauen.

Freuen Sie sich also, wenn Ihnen jemand versehentlich ein paar Tausend Bitcoin zuweist. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zahlungssystemen kann diese Überweisung bei genügend nachfolgenden Blöcken praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden.


Die Problematiken des Bitcoin-Systems

Das Bitcoin-System weist aus meiner Sicht folgende Problematiken auf:
  • 1. Hoher Benutzeraufwand (Pseudonyme)
  • 2. Ineffizienz im Durchsatz von Transaktionen
  • 3. Verschwendung von Ressourcen
  • 4. Langfristige Anreizproblematik und fehlende Versorgungssicherheit
  • 5. Abwanderung zu alternativen Kryptowährungen
  • 6. Fehlende Angebotssteuerung
  • 7. Uneinigkeit der Bitcoin Community
  • 8. Preisvolatilität
  • 9. Sicherheitsmängel
  • 10. Unreguliertheit
  • 11. Ungenügende Verteilungsungerechtigkeit (Kettenbriefcharakter)


Ad 1. Hoher Benutzeraufwand und 2. Ineffizienz

Einer der größten Makel des Bitcoin-Systems ist die ineffiziente Abwicklung von Zahlungsvorgängen. Das zieht sich von der Transaktionsgenerierung, die eine Vielzahl von Pseudonymen, Wechselgeldadressen und Verschleierungstaktiken notwendig macht, bis hin zu einer seriellen Verbuchung ohne Stornomöglichkeit, die zudem durch künstliche Schwierigkeitsgrade extrem aufwendig gestaltet ist. Dieser grundsätzliche Mangel des Bitcoin-Systems liegt im Kern an der Absage an eine zentrale Verbuchungsinstanz, die sich auf die Abwicklung von Zahlungstransaktionen spezialisiert hat.


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