Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Der Bitcoin Wahn

09.02.2018  |  Markus Mezger
- Seite 4 -
Die Dezentralität des Systems und die prinzipielle Möglichkeit, dass jeder Netzwerkteilnehmer Transaktionen verbuchen kann, bedingt eine künstliche Verzögerung der Verbuchungsvorgänge, um eindeutige und einheitliche Registereinträge in der Blockchain gewährleisten zu können. Gegenwärtig werden neue Blocks nur alle zehn Minuten erstellt. Das ist ungefähr dann auch die Wartezeit eines Netzwerkteilnehmers, der auf eine Zahlungseingangsbestätigung wartet. Zu lange für einen effizienten Einsatz im Einzelhandel.

Bei der aktuellen Blockgröße ergibt sich ein Durchsatz von weniger als 10 Transaktionen pro Sekunde, während andere Zahlungssysteme in der Lage sind, viele Tausend Transaktionen pro Sekunde zu verbuchen. Auch potenzielle Verbesserungen wie eine größere Anzahl von Transaktionen pro Block oder Zahlungskanäle zur Verhinderung einer doppelten Verwendung des gleichen Guthabens (Double Spend), werden den Durchsatz des Bitcoin-Systems höchstwahrscheinlich nicht über ein paar zig Transaktionen pro Sekunde anheben können.


Ad 3. Verschwendung von Ressourcen

Noch schwerer ins Gewicht fällt jedoch die unnötige Verschwendung von IT- und Stromressourcen für das sogenannte Mining. Nach jüngsten Schätzungen des Bitcoin Energy Consumption Index von Digiconomist (1.2.2018) beträgt der hochgerechnete Stromverbrauch per annum mehr als 46 Terrawattstunden. Damit würde das Bitcoin-Netzwerk nahe annähernd so viel Strom verbrauchen wie die gesamte Volkswirtschaft Portugals. Mit dem Stromverbrauch einer Bitcoin-Transaktion ließe sich der Strombedarf von 17 US-Haushalten einen Tag lang decken.

Nun mögen die Zahlen etwas überzeichnet sein, da Digiconomist die Annahme trifft, dass die Kosten für die "Miner" immer 60% der Einnahmen betragen, was sich bei den extremen Aufwärtsschüben des Bitcoin-Preises in den vergangenen 18 Monaten nicht halten läßt. Aber es steht außer Zweifel, dass die installierte Rechenleistung im Bitcoin-Netzwerk stark zunimmt. Exemplarisch dafür mag einer der neuen Computerparks in der Inneren Mongolei stehen, der sich nur dem "Mining" von Kryptowährungen widmet.

21000 (in Worten: einundzwanzigtausend), auf Mining-Operationen spezialisierte Rechner sollen allein für die Schöpfung von Bitcoin installiert sein. Das Geschäft ist profitabel, nicht zuletzt deswegen, weil der Strom angeblich von lokalen Kohlekraftwerken subventioniert bezogen werden kann. Und das alles für die Verbuchung von ein paar Transaktionen, von denen ein guter Teil in anderen Zahlungssystemen unnötig wäre (Verschleierungs- und Wechselgeldtransaktionen). Gegen diesen Wahnsinn wirkt die Dot-Com-Blase der Jahrtausendwende ex post harmlos.

Open in new window
Quelle: Digiconomist.net, Stand 2.2.2018


Ad 4. Anreizproblematik und 5. Abwanderung zu alternativen Kryptowährungen

Was aber passiert, wenn die Vernunft wieder einkehrt? Wenn durch einen starken Preisverfall plötzlich Mining-Pools unrentabel werden? Wenn man aufhört, immer mehr Rechenleistung an ein ineffizientes Zahlungssystem zu verschwenden? Wenn die "Miner" realisieren, dass ein weiteres Hochrüsten der Rechenleistung nichts bringt, weil der Schwierigkeitsgrad für die Anfertigung eines neuen Blocks dann nach oben geschraubt wird? Die langfristige Anreizproblematik wird durch die Halbierung der Entlohnung nach einer bestimmten Blockanzahl noch verschärft.

Viele Mining-Pools werden dann entweder schließen oder sich alternativen Kryptowährungen zuwenden, die noch etwas mehr am Anfang stehen. Und diese, die sogenannten Altcoins, gibt es reichlich, da das Bitcoin-Netzwerk ja Architektur und Code weitgehend offengelegt hat. Wäre es da nicht sinnvoll, sich bei einem Kettenbrief etwas weiter vorne einzureihen? Da, wo der Schwierigkeitsgrad geringer und die Entlohnung noch größer ist?

Die einfachen Bitcoin-Nutzer sind dann in Gefahr, auf ihren Bitcoin sitzen zu bleiben. Sie sind darauf angewiesen, dass andere Netzwerkteilnehmer ihre Transaktionen verbuchen. Aber wer soll das machen, wenn alle Bitcoin schon emittiert sind. Prinzipiell kann zwar für jede Transaktion vom Sender ein zusätzliches Salär für den "Miner" in Aussicht gestellt werden. Aber es könnte dann trotz sinkender Schwierigkeitsgrade bei zurückgehendem Wettbewerb für die "Mining"-Seite zu wenig sein, um die aufwendige Blockgenerierung zu decken.

Diejenigen, die aus dem Bitcoin raus wollten, müßten dann das zusätzliche Salär für den "Miner" solange anheben, bis sich jemand für ihre Transaktion erbarmt. Schwarzmalerie? Man wird sehen. Aufgrund der limitierten Blockgröße gibt es für Transaktionen mit einem kleinen Gegenwert schon heute kaum Aussicht, einen Platz in einem Block zu ergattern, da die Transaktionsgebühr den Transaktionsgegenwert übersteigt.

Viele kleine Guthaben sind damit faktisch wertlos. In jedem Fall hat man die Abhängigkeit von einem Bankensystem mit definiertem Preis-Leistungs-Verzeichnis eingetauscht in die Abhängigkeit von einer anonymen Nutzergemeinde, die mit Sicherheit nicht nur aus Anthroposophen besteht. Von den Gefahren, die drohen, wenn der "Mining"-Wettbewerb so stark abnimmt, dass das gesamte Bitcoin-Netzwerk von einem Teilnehmer oder einer Teilnehmergruppe dominiert wird, (siehe 51%-Angriff) ganz zu schweigen.


Ad 6. Fehlende Angebotssteuerung und 7. Uneinigkeit der Bitcoin Community

Als ein Pluspunkt des Bitcoin-Netzwerks wird oft die Beschränkung des Geldangebots angeführt. Die Begrenzung auf 21 Millionen Bitcoin-Einheiten soll den Nutzern vermutlich Knappheit suggerieren. Die angebliche Knappheit dürfte aber kaum mehr sein als ein reiner Marketing-Gag. Die Halbierung der Bitcoin-Einheiten als Entlohnung für das "Mining" ist eine reine Willkür der Initiatoren des Systems. Niemand kann ihnen garantieren, dass es dabei bleibt. Aktuell ist die Beschränkung im Code implementiert, aber dieser könnte problemlos auch geändert werden, wenn sich die Bitcoin-Community darauf einigt. Aber wer ist das?

Welche Leitlinien bestimmen ihr Handeln und aus welchem Grund? Im Gegensatz zu Zentralbanken werden Sie auf diese Fragen kaum Antworten finden. Die Bitcoin Community besteht aus verschiedenen Interessensgruppen, die um die Deutungshoheit im Bitcoin-Netzwerk erbittert ringen. Neben der Gruppe, die sich der ursprünglich implementierten Bitcoin-Version verpflichtet fühlt (Bitcoin Core Entwickler), gibt es auch die "Miner" und Bitcoin-Börsen, die vor allem an hohen Gewinnen auf der Basis eines höheren Transaktionsdurchsatzes interessiert sind.

Im August 2017 spaltete sich die Bitcoin-Blockchain in zwei konkurrierende Äste auf: das herkömmliche Netzwerk und ein neuer Zweig, der sich Bitcoin Cash nennt. Beide Systemen basieren auf der gleichen Transaktionshistorie, das heißt die Blockchain ist bis zum Abspaltungszeitpunkt identisch. Bitcoin Cash hat den Anspruch, eine größere Anzahl von Transaktionen pro Zeiteinheit abwickeln zu können.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"