Merkel, Macron und der EZB-Basta-Präsident
06.05.2018 | Manfred Gburek
Deutschland und Frankreich haben große Pläne, heißt es in Berlin und Paris: Sie wollen noch vor dem Eurogipfel im Juni die Währungsunion entscheidend voranbringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, so lässt man uns wissen, sei dafür bereits in Vorlage getreten. Das ergibt sich angeblich aus ihrem kürzlich in Gegenwart von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geäußerten Wunsch, "in einer vielleicht nicht unmittelbaren, aber ferneren Zukunft ein gemeinsames Einlagensicherungssystem zu schaffen".
Das heißt, so etwas wie die Vollendung des Eurosystems. Das war's aber auch schon mit den großen Plänen, denn Merkel will einfach nicht konkret werden. Also wieder mal eine Vorlage von der Sorte Wunsch statt Wirklichkeit.
Das Interessante an solchen Äußerungen besteht darin, dass sie signalisieren, in welchem Stadium die Währungsunion sich gerade tatsächlich befindet. Zurzeit offenbar in einem immer noch sehr frühen, gemeinsame Währung hin oder her. Denn außer dieser gibt es nicht viel, was darauf schließen ließe, dass die Nord- und Südländer des Euroraums sich in absehbarer Zeit auf eine gemeinsame Linie einigen könnten. Kurzum, die Nordländer unter der Führung Deutschlands wollen, dass die Südländer erst ihre faulen Kredite abbauen, bevor es zu einer gemeinsamen Einlagensicherung kommt, wohingegen die Südländer solche Kredite am liebsten der Allgemeinheit der Euroländer aufdrücken möchten.
Die Quote fauler Kredite im Euroraum beläuft sich auf durchschnittlich etwas über 5 Prozent, gemessen an der Summe aller Kredite. Das scheint prima vista zwar nicht viel zu sein, aber bei näherer Betrachtung zeigt sich eine bemerkenswerte Unwucht: Während Deutschland auf nur etwa 2 Prozent kommt, liegt Italien bei fast 11,8 Prozent. Griechenland schießt mit über 46 Prozent den Vogel ab - kein Wunder also, dass dieses Land, wie Finanzauguren bereits vorhersagen, für die nächste Eurokrise sorgen könnte.
Alles wird noch vertrackter, wenn man in Betracht zieht, dass Staatsanleihen, auch solche von Problemländern wie Italien oder Griechenland, in den Bilanzen der Banken eine Art Bonus genießen dürfen: Weil sie per se als sicher gelten, brauchen Banken für sie keine Risikoabschläge zu verbuchen. Das Schlimme daran: Die ganze Finanzwelt einschließlich der EZB ist sich längst darüber im Klaren, dass Staatsanleihen eben nicht uneingeschränkt sicher sind - und trotzdem bleiben die Bankbilanzen von Risikoabschlägen verschont.
Wobei die EZB mit ihrem massenhaften Kauf von Staatsanleihen ein unrühmliches Zeichen gesetzt hat. Derweil hüllt sich die Bundesregierung zu diesem Thema in Schweigen; möglicherweise mangelt es ihr am diesbezüglich erforderlichen ökonomischen Wissen.
EZB-Präsident Mario Draghi hat sich kürzlich auf seine Weise zur Einlagensicherung geäußert: Er behauptet, die Risiken in den Bankbilanzen seien weitgehend zurückgefahren. Folglich sollte alles unternommen werden, um die gemeinsame Einlagensicherung vorzubereiten. Das ist starker Tobak, zudem flankiert von einer EZB-Studie, die es in sich hat: Auf den Punkt gebracht, steht in ihr, deutsche Bedenken im Hinblick auf die Haftung der hiesigen Sparer für Risiken der Banken in den Südländern seien nicht angebracht. Außerdem bringe die gemeinsame Einlagensicherung einen beachtlichen Nutzen bei nur geringfügigen Risiken mit sich, basta.
Ob Merkel und Macron unter solchen Umständen beim Eurogipfel im Juni etwas dagegensetzen können? Oder ob sie überhaupt ein gemeinsames Ziel haben? Lassen wir doch einfach einen Experten zu Wort kommen, der dazu jetzt in der Neuen Zürcher Zeitung ein Interview gegeben hat, das Zweifel an gemeinsamen Zielen von Deutschland und Frankreich aufkommen lässt: Lars Feld, als einer von fünf Wirtschaftsweisen Mitglied im Sachverständigenrat. Hier sind einige seiner Kernthesen:
"Wir haben in der EU Regeln für die Finanzpolitik. Diese sind aber so löchrig, dass man kaum dagegen verstoßen kann. Die Kommission hat somit einen riesigen Spielraum, einzelnen Ländern die Einhaltung der Regeln zu bescheinigen, obwohl sie eigentlich dagegen verstoßen. Diese Organisationen (der Internationale Währungsfonds, die OECD und die EU-Kommission) wollen Deutschland dazu bewegen, einen Teil seiner Wettbewerbsfähigkeit abzugeben, damit es die anderen Länder der Eurozone leichter haben.
Wenn solche Äußerungen kommen, rede ich nicht mehr vom Internationalen, sondern vom französischen Währungsfonds. Es kommt schon darauf an, wer an der Spitze sitzt. Und beim Währungsfonds ist das mit Christine Lagarde die ehemalige Wirtschafts- und Finanzministerin Frankreichs."
Deutschland muss sich also nicht nur einer unabsehbaren Heerschar von Flüchtlingen und deren Anschlägen erwehren, den Forderungen der Südländer Paroli bieten und die EZB in die Schranken weisen, sondern obendrein auch noch aufpassen, dass Frankreich in der EU und hier speziell im Euroraum nicht die Regie für sich in Anspruch nimmt – eine Mammutaufgabe für die Große Koalition, letztlich auch für die Bundesbank, deren Präsident Jens Weidmann nicht müde wird, eine Gegenposition zu EZB-Chef Mario Draghi aufzubauen. Im nächsten Jahr läuft Draghis Vertrag aus, für genug Spannung bezüglich seiner Nachfolge ist also gesorgt.
Bis dahin wird Draghi doppelt Farbe bekennen müssen: Zum einen im Hinblick auf seine verwirrende Geldpolitik, die ihm wegen des extrem niedrigen Zinsniveaus so gut wie keinen Spielraum für den Fall lässt, dass die Konjunktur den Rückwärtsgang einschaltet. Zum anderen in Bezug auf die gemeinsame Einlagensicherung, ein extrem sensibles Thema, das man nicht mal eben mit Basta-Parolen abhandeln kann, ohne die ganze Finanzwelt zu verwirren.
Anlegern bleibt bei dem hier beschriebenen Szenario nichts anderes übrig, als ihr Geld weiterhin möglichst diversifiziert mit einem gewissen Schwerpunkt in Gold, Silber und Tagesgeld-Liquidität zu halten und abzuwarten, was da an den Kapitalmärkte noch kommen mag. Dies auch deshalb, weil der Handelsstreit mitsamt Strafzöllen, die Brexit-Folgen und nicht zuletzt der immer weiter wachsende globale Schuldenberg für erhebliche Unruhe sorgen dürften.
Speziell in Deutschland kommt neben dem Flüchtlingsproblem dann noch der zuletzt aus Anlass von Schieflagen einiger Pensionskassen zutage getretene Problematik der unzureichenden Altersvorsorge hinzu. Dieses Thema wird uns viele Jahre lang begleiten, Ende offen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Die unberechtigte Angst der Deutschen vor der Volatilität
Das heißt, so etwas wie die Vollendung des Eurosystems. Das war's aber auch schon mit den großen Plänen, denn Merkel will einfach nicht konkret werden. Also wieder mal eine Vorlage von der Sorte Wunsch statt Wirklichkeit.
Das Interessante an solchen Äußerungen besteht darin, dass sie signalisieren, in welchem Stadium die Währungsunion sich gerade tatsächlich befindet. Zurzeit offenbar in einem immer noch sehr frühen, gemeinsame Währung hin oder her. Denn außer dieser gibt es nicht viel, was darauf schließen ließe, dass die Nord- und Südländer des Euroraums sich in absehbarer Zeit auf eine gemeinsame Linie einigen könnten. Kurzum, die Nordländer unter der Führung Deutschlands wollen, dass die Südländer erst ihre faulen Kredite abbauen, bevor es zu einer gemeinsamen Einlagensicherung kommt, wohingegen die Südländer solche Kredite am liebsten der Allgemeinheit der Euroländer aufdrücken möchten.
Die Quote fauler Kredite im Euroraum beläuft sich auf durchschnittlich etwas über 5 Prozent, gemessen an der Summe aller Kredite. Das scheint prima vista zwar nicht viel zu sein, aber bei näherer Betrachtung zeigt sich eine bemerkenswerte Unwucht: Während Deutschland auf nur etwa 2 Prozent kommt, liegt Italien bei fast 11,8 Prozent. Griechenland schießt mit über 46 Prozent den Vogel ab - kein Wunder also, dass dieses Land, wie Finanzauguren bereits vorhersagen, für die nächste Eurokrise sorgen könnte.
Alles wird noch vertrackter, wenn man in Betracht zieht, dass Staatsanleihen, auch solche von Problemländern wie Italien oder Griechenland, in den Bilanzen der Banken eine Art Bonus genießen dürfen: Weil sie per se als sicher gelten, brauchen Banken für sie keine Risikoabschläge zu verbuchen. Das Schlimme daran: Die ganze Finanzwelt einschließlich der EZB ist sich längst darüber im Klaren, dass Staatsanleihen eben nicht uneingeschränkt sicher sind - und trotzdem bleiben die Bankbilanzen von Risikoabschlägen verschont.
Wobei die EZB mit ihrem massenhaften Kauf von Staatsanleihen ein unrühmliches Zeichen gesetzt hat. Derweil hüllt sich die Bundesregierung zu diesem Thema in Schweigen; möglicherweise mangelt es ihr am diesbezüglich erforderlichen ökonomischen Wissen.
EZB-Präsident Mario Draghi hat sich kürzlich auf seine Weise zur Einlagensicherung geäußert: Er behauptet, die Risiken in den Bankbilanzen seien weitgehend zurückgefahren. Folglich sollte alles unternommen werden, um die gemeinsame Einlagensicherung vorzubereiten. Das ist starker Tobak, zudem flankiert von einer EZB-Studie, die es in sich hat: Auf den Punkt gebracht, steht in ihr, deutsche Bedenken im Hinblick auf die Haftung der hiesigen Sparer für Risiken der Banken in den Südländern seien nicht angebracht. Außerdem bringe die gemeinsame Einlagensicherung einen beachtlichen Nutzen bei nur geringfügigen Risiken mit sich, basta.
Ob Merkel und Macron unter solchen Umständen beim Eurogipfel im Juni etwas dagegensetzen können? Oder ob sie überhaupt ein gemeinsames Ziel haben? Lassen wir doch einfach einen Experten zu Wort kommen, der dazu jetzt in der Neuen Zürcher Zeitung ein Interview gegeben hat, das Zweifel an gemeinsamen Zielen von Deutschland und Frankreich aufkommen lässt: Lars Feld, als einer von fünf Wirtschaftsweisen Mitglied im Sachverständigenrat. Hier sind einige seiner Kernthesen:
"Wir haben in der EU Regeln für die Finanzpolitik. Diese sind aber so löchrig, dass man kaum dagegen verstoßen kann. Die Kommission hat somit einen riesigen Spielraum, einzelnen Ländern die Einhaltung der Regeln zu bescheinigen, obwohl sie eigentlich dagegen verstoßen. Diese Organisationen (der Internationale Währungsfonds, die OECD und die EU-Kommission) wollen Deutschland dazu bewegen, einen Teil seiner Wettbewerbsfähigkeit abzugeben, damit es die anderen Länder der Eurozone leichter haben.
Wenn solche Äußerungen kommen, rede ich nicht mehr vom Internationalen, sondern vom französischen Währungsfonds. Es kommt schon darauf an, wer an der Spitze sitzt. Und beim Währungsfonds ist das mit Christine Lagarde die ehemalige Wirtschafts- und Finanzministerin Frankreichs."
Deutschland muss sich also nicht nur einer unabsehbaren Heerschar von Flüchtlingen und deren Anschlägen erwehren, den Forderungen der Südländer Paroli bieten und die EZB in die Schranken weisen, sondern obendrein auch noch aufpassen, dass Frankreich in der EU und hier speziell im Euroraum nicht die Regie für sich in Anspruch nimmt – eine Mammutaufgabe für die Große Koalition, letztlich auch für die Bundesbank, deren Präsident Jens Weidmann nicht müde wird, eine Gegenposition zu EZB-Chef Mario Draghi aufzubauen. Im nächsten Jahr läuft Draghis Vertrag aus, für genug Spannung bezüglich seiner Nachfolge ist also gesorgt.
Bis dahin wird Draghi doppelt Farbe bekennen müssen: Zum einen im Hinblick auf seine verwirrende Geldpolitik, die ihm wegen des extrem niedrigen Zinsniveaus so gut wie keinen Spielraum für den Fall lässt, dass die Konjunktur den Rückwärtsgang einschaltet. Zum anderen in Bezug auf die gemeinsame Einlagensicherung, ein extrem sensibles Thema, das man nicht mal eben mit Basta-Parolen abhandeln kann, ohne die ganze Finanzwelt zu verwirren.
Anlegern bleibt bei dem hier beschriebenen Szenario nichts anderes übrig, als ihr Geld weiterhin möglichst diversifiziert mit einem gewissen Schwerpunkt in Gold, Silber und Tagesgeld-Liquidität zu halten und abzuwarten, was da an den Kapitalmärkte noch kommen mag. Dies auch deshalb, weil der Handelsstreit mitsamt Strafzöllen, die Brexit-Folgen und nicht zuletzt der immer weiter wachsende globale Schuldenberg für erhebliche Unruhe sorgen dürften.
Speziell in Deutschland kommt neben dem Flüchtlingsproblem dann noch der zuletzt aus Anlass von Schieflagen einiger Pensionskassen zutage getretene Problematik der unzureichenden Altersvorsorge hinzu. Dieses Thema wird uns viele Jahre lang begleiten, Ende offen.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Die unberechtigte Angst der Deutschen vor der Volatilität