EZB-Chef Draghi sitzt in der Geldfalle
10.06.2018 | Manfred Gburek
Der 14. Juni verspricht für die ganze Finanzwelt ein besonders spannender Tag zu werden. Dann wollen nämlich die EZB-Oberen unter Führung ihres Chefs Mario Draghi darüber diskutieren, ob es nicht endlich an der Zeit sei, das Anleihen-Kaufprogramm zu stutzen, immerhin 30 Milliarden Euro monatlich, nach den derzeit noch geltenden Regularien bis September geplant.
Dass es zur Diskussion kommen wird, hat EZB-Chefvolkswirt Peter Praet vorzeitig verraten - und damit für erhebliche Turbulenzen bei den Kursen europäischer Anleihen, im Verhältnis des Euro zum Dollar und nicht zuletzt am Aktienmarkt gesorgt, hier besonders deshalb, weil die Kurse der bis dahin müden Bankaktien vorübergehend in die Höhe geschossen sind.
Diese Entwicklungen mögen zunächst verwirrend erscheinen, aber sie entsprechen der üblichen Börsenlogik: Wird das Kaufprogramm gestutzt, fällt praktisch ein relativ großer Teil der Anleihen-Nachfrage vonseiten der EZB weg. Das treibt nebenbei das Zinsniveau nach oben und damit die Renditen der umlaufenden Anleihen, deren Kurse im Gegenzug straucheln. Der Euro legt im Verhältnis zum Dollar zu, weil die Euro-Renditen wegen des Zinsanstiegs attraktiver erscheinen. Und die Kurse der Bankaktien profitieren von höheren Zinsen, weil die Zinsspanne der Banken, also was für sie unterm Strich übrig bleibt, größer wird.
Es fragt sich indes, ob diese übliche Börsenlogik hier wirklich plausibel ist. Wenn bereits eine simple Andeutung des EZB-Chefvolkswirts für Turbulenzen sorgt, wie mag da die Reaktion der Finanzmärkte erst ausfallen, wenn die EZB zur Tat schreitet und ihr Kaufprogramm reduziert oder sogar beendet? Die Folgen einer veränderten Geldpolitik, in diesem Fall der Übergang von der Expansion zur Restriktion, hat immer schon Spuren hinterlassen, mit denen man vorher nicht gerechnet hatte. Dementsprechend sollten Sie Überraschungen einkalkulieren, zunächst vor allem heftigere Kursausschläge bei Anleihen und Aktien.
Dies noch aus einem ganz speziellen Grund: US-Präsident Donald Trump zieht sein Programm „America First“ ohne Rücksicht auf Verluste radikal durch. Darunter leidet inzwischen die europäische Wirtschaft, und sei es nur, dass deren Bosse immer mehr verunsichert sind und Investitionen zu stoppen beginnen. Beim G7-Gipfel war das ein Riesenthema. An der Börse hat es sich besonders deutlich darin offenbart, dass die Kurse der Euroanleihen innerhalb eines einzigen Tages mal kräftig gestiegen, mal nicht minder kräftig gefallen sind.
Damit kommen wir wieder zur eingangs zitierten geheimnisvollen Andeutung von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet bezüglich des Anleihen-Kaufprogramms. Denn sie lässt sich so interpretieren: Mario Draghi könnte ausgerechnet im Zuge eines drohenden Konjunktureinbruchs gezwungen sein, die EZB-Geldpolitik zu straffen, um sie später überhaupt lockern zu können. Das heißt, Draghi sitzt in der Geldfalle. So sind denn auch die erwähnten Turbulenzen zu erklären. Sie werden länger anhalten.
Wie kommt man als Anleger mit so einer Entwicklung zurecht? Wahrscheinlich kennen Sie meine bereits häufiger gegebene Empfehlung: Das Risiko streuen, von den infrage kommenden Anlageklassen einen Schwerpunkt mit Gold und Silber bilden, weil beide Edelmetalle derzeit spottbillig zu haben sind, Tagesgeld (am besten bei verschiedenen Banken und Sparkassen) trotz des niedrigen Zinsniveaus als Liquiditätspolster vor Anleihen bevorzugen, zumal für den einen oder anderen Schnäppchenkauf am Aktienmarkt, und Immobilien im Zweifel auf das selbst genutzte Haus oder die selbst genutzte Eigentumswohnung beschränken, vorausgesetzt, sie bilden kein Klumpenrisiko.
Fragt man Anleger, ob sie die Risikostreuung für erstrebenswert halten, dürften die meisten mit einem klaren Ja antworten. Und wie sieht die Realität aus? Klumpenrisiken, wo man hinsieht, und das nicht zu knapp. Mögen die riesigen Beträge auf Konten aller Art der für die Deutschen typischen Vorsicht oder der Schnäppchenjagt gezollt sein, spätestens bei der totalen Übergewichtung von langlaufenden Kapitallebensversicherungen mit ihrem Schwergewicht auf Schuldenpapieren aller Art klumpt es gewaltig.
Solche Versicherungen sind langfristig konzipiert, was sie fragwürdig macht, weil man erfahrungsgemäß mit Schuldenpapieren, anders als mit Aktien, auf Dauer nur unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielen kann.
Immobilien, egal ob selbst genutzt oder vermietet, bilden im Vermögen vieler Deutscher einen noch dickeren Klumpen als Lebensversicherungen. Das liegt natürlich daran, dass man für eine Wohnung und erst recht für ein Haus in der Regel mindestens einen sechsstelligen Betrag investieren muss. Der macht dann einen hohen prozentualen Anteil am gesamten Vermögen aus, was von Fall zu Fall ein Risiko sein kann. Schlimm wird es, wenn Anleger ihre Finger nicht von vermieteten Immobilien lassen können und sich so neben dem ohnehin vorhandenen Klumpenrisiko auch noch Mieter einhandeln, die auf einmal ihre Miete nicht mehr zahlen können oder wollen.
Zum Thema Risikostreuung ist noch etwas Grundsätzliches anzumerken. Angenommen, Sie verfügen neben Tagesgeld und Gold in Form von gängigen Münzen auch über die eine oder andere Aktie aus dem Dax und über Minenaktien. Diese beiden Aktientypen entwickeln sich erfahrungsgemäß meistens gegenläufig. Angenommen, der Goldpreis steigt. Dann werden Sie Ihre Münzen hoffentlich behalten, denn Sie haben sie ja nicht als Spekulationsobjekte, sondern als Sicherheitspolster gekauft. Mit dem Goldpreis steigen auch die Kurse der Minenaktien, bekanntlich sogar überproportional. Aber sollen Sie sie deshalb gleich verkaufen?
Vorausgesetzt, die erwähnten Turbulenzen an den Finanzmärkten treten ein, dann sind Sie besser beraten, wenn Sie stattdessen hoffentlich rechtzeitig Ihre Dax-Aktien verkaufen. Der Clou: Hätten Sie nur Dax-Aktien gekauft, wäre Ihnen der Kursanstieg der Minenaktien entgangen. Auch solche Überlegungen gehören zur Risikostreuung.
Das Ganze hat natürlich auch etwas mit dem Timing zu tun, also mit dem zeitgerechten Kauf und Verkauf zu jeweils günstigen Kursen. Aber weil das den meisten Deutschen ein Gräuel ist, haben Marketingexperten vor einigen Jahren für sie die digitale Vermögensverwaltung erfunden. Das heißt, Roboter übernehmen für Anleger die Aufgabe, die vermeintlich richtigen Anlagen auszusuchen und zu möglichst günstigen Kursen und Konditionen abzuwickeln.
Darüber schon heute zu richten, ist nicht opportun. Doch drei Fragen drängen sich allemal auf.
Erstens: Haben emotionslose Roboter wirklich einen Vorsprung vor nicht nur rational, sondern auch emotional handelnden Menschen, also beispielsweise vor Fondsmanagern oder vor den zielgerecht handelnden privaten Anlegern? Zweitens: Können Roboter überhaupt die komplexe private Finanzplanung mit deren Zielvorgaben und Strukturen erfassen? Drittens: Ist die digitale Vermögensverwaltung mit ihren Robotern nicht eher eine Schönwetter-Veranstaltung, die im Gefolge größerer Börsenturbulenzen schnell an ihre Grenzen zu stoßen droht? Die Börsen werden uns die passenden Antworten geben, und zwar schon bald.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Wie Umbrüche unser Leben bestimmen
Dass es zur Diskussion kommen wird, hat EZB-Chefvolkswirt Peter Praet vorzeitig verraten - und damit für erhebliche Turbulenzen bei den Kursen europäischer Anleihen, im Verhältnis des Euro zum Dollar und nicht zuletzt am Aktienmarkt gesorgt, hier besonders deshalb, weil die Kurse der bis dahin müden Bankaktien vorübergehend in die Höhe geschossen sind.
Diese Entwicklungen mögen zunächst verwirrend erscheinen, aber sie entsprechen der üblichen Börsenlogik: Wird das Kaufprogramm gestutzt, fällt praktisch ein relativ großer Teil der Anleihen-Nachfrage vonseiten der EZB weg. Das treibt nebenbei das Zinsniveau nach oben und damit die Renditen der umlaufenden Anleihen, deren Kurse im Gegenzug straucheln. Der Euro legt im Verhältnis zum Dollar zu, weil die Euro-Renditen wegen des Zinsanstiegs attraktiver erscheinen. Und die Kurse der Bankaktien profitieren von höheren Zinsen, weil die Zinsspanne der Banken, also was für sie unterm Strich übrig bleibt, größer wird.
Es fragt sich indes, ob diese übliche Börsenlogik hier wirklich plausibel ist. Wenn bereits eine simple Andeutung des EZB-Chefvolkswirts für Turbulenzen sorgt, wie mag da die Reaktion der Finanzmärkte erst ausfallen, wenn die EZB zur Tat schreitet und ihr Kaufprogramm reduziert oder sogar beendet? Die Folgen einer veränderten Geldpolitik, in diesem Fall der Übergang von der Expansion zur Restriktion, hat immer schon Spuren hinterlassen, mit denen man vorher nicht gerechnet hatte. Dementsprechend sollten Sie Überraschungen einkalkulieren, zunächst vor allem heftigere Kursausschläge bei Anleihen und Aktien.
Dies noch aus einem ganz speziellen Grund: US-Präsident Donald Trump zieht sein Programm „America First“ ohne Rücksicht auf Verluste radikal durch. Darunter leidet inzwischen die europäische Wirtschaft, und sei es nur, dass deren Bosse immer mehr verunsichert sind und Investitionen zu stoppen beginnen. Beim G7-Gipfel war das ein Riesenthema. An der Börse hat es sich besonders deutlich darin offenbart, dass die Kurse der Euroanleihen innerhalb eines einzigen Tages mal kräftig gestiegen, mal nicht minder kräftig gefallen sind.
Damit kommen wir wieder zur eingangs zitierten geheimnisvollen Andeutung von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet bezüglich des Anleihen-Kaufprogramms. Denn sie lässt sich so interpretieren: Mario Draghi könnte ausgerechnet im Zuge eines drohenden Konjunktureinbruchs gezwungen sein, die EZB-Geldpolitik zu straffen, um sie später überhaupt lockern zu können. Das heißt, Draghi sitzt in der Geldfalle. So sind denn auch die erwähnten Turbulenzen zu erklären. Sie werden länger anhalten.
Wie kommt man als Anleger mit so einer Entwicklung zurecht? Wahrscheinlich kennen Sie meine bereits häufiger gegebene Empfehlung: Das Risiko streuen, von den infrage kommenden Anlageklassen einen Schwerpunkt mit Gold und Silber bilden, weil beide Edelmetalle derzeit spottbillig zu haben sind, Tagesgeld (am besten bei verschiedenen Banken und Sparkassen) trotz des niedrigen Zinsniveaus als Liquiditätspolster vor Anleihen bevorzugen, zumal für den einen oder anderen Schnäppchenkauf am Aktienmarkt, und Immobilien im Zweifel auf das selbst genutzte Haus oder die selbst genutzte Eigentumswohnung beschränken, vorausgesetzt, sie bilden kein Klumpenrisiko.
Fragt man Anleger, ob sie die Risikostreuung für erstrebenswert halten, dürften die meisten mit einem klaren Ja antworten. Und wie sieht die Realität aus? Klumpenrisiken, wo man hinsieht, und das nicht zu knapp. Mögen die riesigen Beträge auf Konten aller Art der für die Deutschen typischen Vorsicht oder der Schnäppchenjagt gezollt sein, spätestens bei der totalen Übergewichtung von langlaufenden Kapitallebensversicherungen mit ihrem Schwergewicht auf Schuldenpapieren aller Art klumpt es gewaltig.
Solche Versicherungen sind langfristig konzipiert, was sie fragwürdig macht, weil man erfahrungsgemäß mit Schuldenpapieren, anders als mit Aktien, auf Dauer nur unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielen kann.
Immobilien, egal ob selbst genutzt oder vermietet, bilden im Vermögen vieler Deutscher einen noch dickeren Klumpen als Lebensversicherungen. Das liegt natürlich daran, dass man für eine Wohnung und erst recht für ein Haus in der Regel mindestens einen sechsstelligen Betrag investieren muss. Der macht dann einen hohen prozentualen Anteil am gesamten Vermögen aus, was von Fall zu Fall ein Risiko sein kann. Schlimm wird es, wenn Anleger ihre Finger nicht von vermieteten Immobilien lassen können und sich so neben dem ohnehin vorhandenen Klumpenrisiko auch noch Mieter einhandeln, die auf einmal ihre Miete nicht mehr zahlen können oder wollen.
Zum Thema Risikostreuung ist noch etwas Grundsätzliches anzumerken. Angenommen, Sie verfügen neben Tagesgeld und Gold in Form von gängigen Münzen auch über die eine oder andere Aktie aus dem Dax und über Minenaktien. Diese beiden Aktientypen entwickeln sich erfahrungsgemäß meistens gegenläufig. Angenommen, der Goldpreis steigt. Dann werden Sie Ihre Münzen hoffentlich behalten, denn Sie haben sie ja nicht als Spekulationsobjekte, sondern als Sicherheitspolster gekauft. Mit dem Goldpreis steigen auch die Kurse der Minenaktien, bekanntlich sogar überproportional. Aber sollen Sie sie deshalb gleich verkaufen?
Vorausgesetzt, die erwähnten Turbulenzen an den Finanzmärkten treten ein, dann sind Sie besser beraten, wenn Sie stattdessen hoffentlich rechtzeitig Ihre Dax-Aktien verkaufen. Der Clou: Hätten Sie nur Dax-Aktien gekauft, wäre Ihnen der Kursanstieg der Minenaktien entgangen. Auch solche Überlegungen gehören zur Risikostreuung.
Das Ganze hat natürlich auch etwas mit dem Timing zu tun, also mit dem zeitgerechten Kauf und Verkauf zu jeweils günstigen Kursen. Aber weil das den meisten Deutschen ein Gräuel ist, haben Marketingexperten vor einigen Jahren für sie die digitale Vermögensverwaltung erfunden. Das heißt, Roboter übernehmen für Anleger die Aufgabe, die vermeintlich richtigen Anlagen auszusuchen und zu möglichst günstigen Kursen und Konditionen abzuwickeln.
Darüber schon heute zu richten, ist nicht opportun. Doch drei Fragen drängen sich allemal auf.
Erstens: Haben emotionslose Roboter wirklich einen Vorsprung vor nicht nur rational, sondern auch emotional handelnden Menschen, also beispielsweise vor Fondsmanagern oder vor den zielgerecht handelnden privaten Anlegern? Zweitens: Können Roboter überhaupt die komplexe private Finanzplanung mit deren Zielvorgaben und Strukturen erfassen? Drittens: Ist die digitale Vermögensverwaltung mit ihren Robotern nicht eher eine Schönwetter-Veranstaltung, die im Gefolge größerer Börsenturbulenzen schnell an ihre Grenzen zu stoßen droht? Die Börsen werden uns die passenden Antworten geben, und zwar schon bald.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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