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Inflation: Ende Juni wird es spannend

24.06.2018  |  Manfred Gburek
Es geht wieder mal auf ein Monatsende zu; aus diesem Anlass werden uns bekanntlich Inflationszahlen serviert, zum einen die deutsche, zum anderen die im Euroraum. Vor Monatsfrist war die deutsche auf 2,2 Prozent gesprungen, die im Euroraum auf 1,9 Prozent. Würde man nicht nur Mieten, sondern auch die Preise für selbst genutzten Wohnraum in die Statistik einbeziehen, wie in den USA üblich, stiegen die beiden Zahlen um 0,5 Prozentpunkte, also auf 2,4 bzw. 2,7 Prozent. Das heißt, schon einiges über das seitens der EZB propagierte Inflationsziel von 2 Prozent minus x hinaus.

Trotzdem hat dies vor einem Monat kaum jemanden aufgeregt, sieht man mal von ein paar Schlagzeilen in den Medien ab. Wird sich Ende Juni daran womöglich etwas ändern? Das ist jedenfalls denkbar, ja sogar wahrscheinlich, dürfte doch allein der Basiseffekt des bis vor Kurzem gestiegenen Ölpreises - der Anstieg schlägt voll durch - für noch mehr Inflation sorgen. Und dann? Es dürfte vor allem darauf ankommen, ob die verschiedenen Komponenten der Inflationsrate nur einen Schub bekommen oder ob sie einen nachhaltigen Aufschwung einleiten werden.

Für die zweite der beiden Alternativen spricht, dass Strafzölle und gegebenenfalls ein globaler Handelskrieg, dass transatlantische Störmanöver und Zerwürfnisse innerhalb der Europäischen Union eher für als gegen mehr Inflation sprechen. Wobei die Erwartung höherer Inflationsraten und damit der schwindende Glaube an den Wert des Geldes die entscheidende Rolle spielen.

Damit sind wir bei einem Phänomen angelangt, das man Geldillusion nennt. Dahinter verbirgt sich dieser Glaube. Allerdings kommt es erst dann zum Abschied von der Geldillusion, wenn die Kaufkraft merklich nachlässt. Das war in Europa zuletzt während der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts der Fall. Damals wurde aus der Geld- die Goldillusion, das heißt, der Glaube an dasjenige Geld, das seit Jahrtausenden auf allen fünf Kontinenten eine hohe Wertschätzung erfährt, eben Gold. Der Silberpreis stieg seinerzeit prozentual sogar noch stärker als der Goldpreis, fiel danach aber auch tiefer.

Achten Sie in nächster Zeit auf die Reizschwelle, von der an die allgemeine Geld- zur Goldillusion wird, und investieren Sie dann einen verhältnismäßig großen Teil Ihres Geldes, außer in haltbare Güter des täglichen Bedarfs, auch in die beiden Edelmetalle Gold und Silber.

Inflation bedeutet im engeren Sinn Aufblähung der Geldmenge, im weiteren Sinn, vor allem auch im Volksmund: Preisanstieg von Konsumgütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, zum Beispiel von Lebensmitteln und Heizöl, Mieten und Reparaturen. Umgekehrt betrachtet: Inflation bedeutet Geldentwertung, sodass 100 Euro bei 2 Prozent Inflation nach einem Jahr real 98 Euro wert sind, bei 5 Prozent Inflation real 95,2 Euro und bei 10 Prozent Inflation nur noch real 90,9 Euro.

Inflation wird in Deutschland üblicherweise am Verbraucherpreisindex (VPI) gemessen, im Euroraum am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Die Ergebnisse beider Indizes unterscheiden sich etwas. Das liegt unter anderem am Konjunkturverlauf, der in einem Euroland positiv, in einem anderen neutral oder sogar negativ sein kann. Da Lebensmittel- und Energiepreise stark schwanken, rechnet man sie aus der Inflationsrate heraus, wenn es darum geht, den Inflationstrend zu ermitteln. Das Ergebnis ist dann die Kerninflation.

Inflation tritt in vielen Varianten auf: schleichend, trabend, galoppierend, selten - dann allerdings gewaltig - als Hyperinflation (wie während der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Deutschland und jahrzehntelang in verschiedenen Ländern Südamerikas). Es gibt die zurückgestaute Inflation (wie während des Dritten Reichs), die importierte und sogar die gefühlte Inflation, die nach der Euro-Einführung die deutschen Gemüter erhitzte. Nicht zu vergessen die sogenannte Asset Inflation, die 2009 global einsetzte. Darunter versteht man im engeren Sinn den kräftigen Anstieg der Aktien- und Anleihenkurse sowie der Immobilienpreise.

Warum peilt die EZB für den Euroraum ein Inflationsziel von unter, aber nahe 2 Prozent an? Weil einerseits genug Abstand zur totalen Geldwertstabilität bei 0 Prozent gewahrt bleiben soll, andererseits keine allgemeine Inflationsmentalität aufkommen darf. 0 Prozent würde nämlich die EZB-Geldpolitik durchkreuzen und das Gespenst der Deflation - der Geldwert steigt, staatliche und private Schuldner drohen pleite zu gehen - auf den Plan rufen.

Das brächte im Extremfall sogar das auf hohen Schulden aufgebaute Wirtschafts- und Währungssystem zum Einsturz. Demgegenüber würden mehr als 2 Prozent Inflation bei anhaltender Teuerung die Inflationserwartungen schüren und hier oder da sogar zu Hamsterkäufen führen: Aus Inflation entstünde dann noch mehr Inflation.

Das Inflationsziel anzupeilen, ist eine Sache, es zu erreichen und dann festzuhalten, eine andere. Der EZB-Rat unter Präsident Mario Draghi gibt sich da offenbar der Illusion hin, dieses Kunststück fertigbringen zu können - ohne zu berücksichtigen, dass Inflation keine starre Zahl, sondern ein dynamischer Prozess ist. Werfen Sie ein Auge darauf, denn die Geldpolitik bestimmt, wie es an den Börsen weiter geht.

Deflation bedeutet: Die Preise sinken, Sachwerte wie Immobilien und ganze Unternehmen einschließlich deren Aktien verlieren an Wert, während Geldwerte (zum Beispiel Geld auf dem Konto, Anleihen und Rentenfonds) an Wert gewinnen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass zwischen Inflation und Deflation Asymmetrie herrscht. Das bedeutet: Steigen die Preise, sind Schuldner die Gewinner und Gläubiger die Verlierer.

Sinken die Preise dagegen, gewinnen die Gläubiger nur dann, wenn die Schuldner zahlungsfähig bleiben – was während einer Deflation eher selten vorkommt. Von daher gesehen wird auch klar, warum alle Notenbanken der Welt in den vergangenen Jahren die Bekämpfung der Deflation auf ihre Fahnen geschrieben haben: Weil sie sich damit nebenbei die Legitimation für ihre ungehemmte Inflationspolitik, also für das Schuldenmachen, verschafft haben.

Es gibt es nur wenige Studien über den Zusammenhang zwischen der erwähnten Asset Inflation - Aktienkurse, Immobilienpreise u.a. steigen - und der Teuerung von Waren und Dienstleistungen. Wahrscheinlich lohnt sich das Erforschen dieses Metiers nicht, weil es eine plausible Erklärung gibt: Wer Assets besitzt, gehört zu der Minderheit, die finanziell ausgesorgt hat. Erfahrungsgemäß gibt sie einen prozentual geringeren Teil ihres Einkommens für den Konsum aus als die Mehrheit der Normalverdiener. Also beeinflusst sie die Entwicklung von VPI und HVPI weniger bis gar nicht.

Was Anleger besonders interessieren dürfte: Warum sind in letzter Zeit die Preise von Oldtimern, seltenen Kunstwerken und Sammlermünzen gestiegen, die Preise von Gold und Silber in Form von Barren dagegen kaum von der Stelle gekommen und zuletzt sogar leicht gefallen? Die plausibelste Erklärung: Weil es neben der Geldillusion auch die Illusion gibt, dass die Preise von Oldtimern, Kunstwerken und Sammlermünzen wegen deren Liebhaberwert steigen. Und was ist mit der Goldillusion? Klare Antwort: Sie stellt sich erst mit steigenden Inflationserwartungen ein. Insofern wird es Ende Juni spannend, wenn die Daten zur Inflation im Euroraum wie auch anderswo bekanntgegeben werden.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Auf den Spuren des Geldes


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