Der große Irrtum: "Was nicht in den Computer passt, existiert nicht."
02.09.2018 | Manfred Gburek
"Wir sind buchstäblich blind für das, was wir nicht erwarten." Dieser Satz stammt aus dem Buch "Payback" vom leider zu früh verstorbenen ehemaligen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. Man kann zwar viel in den Satz hineininterpretieren, aber eine Deutung hat es ganz besonders in sich: "Das Unerwartete ist bekanntlich nicht die Stärke der Computer", resümiert Schirrmacher. Womit ein Mal mehr festgestellt sei, dass Computer treue Diener sind, wenn es darum geht, Unmengen an Daten zu verarbeiten - dass sie jedoch regelmäßig versagen, sobald Intuition und Kreativität gefragt sind.
Daran muss ich denken, wenn irgendwo auf der Welt und zuletzt speziell in Deutschland schon wieder eine neue digitale Vermögensverwaltung gepuscht wird, wenn es heißt, diese oder jene Fonds und Zertifikate schnitten aus den und den Gründen angeblich immer besser ab die ihnen zugrunde liegenden Aktien oder Anleihen, und wenn mich täglich hanebüchene Kursprognosen erreichen, die ich jedes Mal wegklicken muss, um mich nicht in Versuchung bringen zu lassen, sie auf ihren Inhalt zu prüfen.
Die Hausse der Aktien und Anleihen ist in die Jahre gekommen. Es gibt gute Gründe dafür, dass sie bald endet, allerdings auch dafür, dass ihr Ende noch etwas auf sich warten lässt. Derzeit nehmen die Kommentare in den Medien zu diesem Thema überhand. Warum, geht auf einen naheliegenden, jedoch irreführenden Anlass zurück:
Am 15. September wird sich der Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers jähren, anno 2018, also ein runder Geburtstag. Mit diesem Datum ist die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008/09 eng verknüpft. Das gilt es bereits im Vorfeld zu kommentieren, meinen die Medienmacher, und schreiben sich die Finger wund, um zu spekulieren, wann denn wohl die nächste Krise von ähnlichem Ausmaß drohen könnte.
Darüber vergessen sie indes zu beachten, dass wir heute in einer ganz anderen Finanzwelt leben als vor zehn Jahren: Geld ist im Überfluss vorhanden, die Zinsen sind (trotz zwischenzeitlicher amerikanischer Ausbruchsversuche nach oben) im Keller, die Spekulation befindet sich auf dem oder nahe beim Höhepunkt - und vor uns liegt eine Zukunft, die Christoph Meinel, Chef des Hanno-Plattner-Instituts, so beschreibt: "Es geht um die wirtschaftliche Erschließung und Besetzung des neuen digitalen Kontinents."
Daraus ergeben sich Fragen nach Details zu diesem sogenannten Kontinent, nach seinen Gesetzen, Steuern und sonstigen Regularien. Brisant, insbesondere von europäischer Warte aus betrachtet: Die Vormachtstellung im digitalen Raum nehmen derzeit die USA und China ein. Das unterstreicht auch Rocket Internet-Chef Oliver Samwer in einem aktuellen manager magazin-Interview. Er muss es wissen; denn nach vier erfolgreichen Börsengängen (Zalando, Delivery Hero, HelloFresh und Home24) hat er dem Finanz-Establishment gezeigt, wie man - auch international - im Investment Banking erfolgreich sein kann.
Für wirtschaftliche Umbrüche, wie für den Umstieg vom Pferd aufs Auto oder von der Schreibmaschine zum Computer, hat sich der Begriff Disruption eingebürgert. Digitalisierung ist mehr als das. Zu welchen Fehlentwicklungen es dabei kommen kann, hat der zitierte Frank Schirrmacher anschaulich anhand eines Beispiels dargestellt: Wortfehler wie Sanne statt Sonne oder Mont statt Mond werden von Computern zu 100 Prozent entdeckt.
Dagegen sind Computer nicht in der Lage, Wortfehler wie Sahne statt Sonne oder Mund statt Mond zu erkennen. Wenn sie schon bei so einfach erscheinenden Fehlern passen müssen, welches Ergebnis mag dann erst herauskommen, wenn es darum geht, in die Welt komplexer Finanztransaktionen einzutauchen? Keine Frage, dann sind Menschen mit entsprechenden Kenntnissen gefragt.
Um dies zu untermauern, brauchen wir nur Bundesbank-Präsident Jens Weidmann aus einem kürzlich erschienenen FAZ-Interwiew zur Krise von 2008/09 zu zitieren, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was uns blühen kann: "Beim Entstehen der Krise wirkte ein ganzes Bündel an Faktoren zusammen. Die eine, einfache Erklärung gibt es nicht. Es gab Übertreibungen, Regulierungslücken und Fehlanreize im Finanzsystem. Risiken wurden falsch eingeschätzt und nicht adäquat bepreist."
Da drängt sich aus heutiger Sicht sofort die Frage auf: Kann so etwas nicht erneut geschehen? Oder angelehnt an den eingangs zitierten Satz: Sind wir nicht zu blind für das, was wir nicht erwarten? Ja, wir sind, jede bisherige Krise hat es offenbart; die nächste wird kommen, und zwar innerhalb des digitalen Kontinents (s. oben).
Was kann man dagegen unternehmen? Aus Anlegersicht bekanntermaßen die Streuung des Vermögens in Verbindung mit einem möglichst glücklichen Händchen fürs Timing. Das ist, jeweils für sich betrachtet, bereits schwierig genug.
Darüber hinaus kommt seit geraumer Zeit ein Faktor hinzu, der immer dramatischere Ausmaße annimmt: die Politik, von den unvorhersehbaren Winkelzügen des Trios Trump/Putin/Erdogan über den Brexit mit seinen wahrscheinlich bitteren Konsequenzen (auch für Deutschland) bis zur Regulierungswut der Europäischen Union (DSGVO u.a.), von statistischen Tricks zur Verharmlosung der Masseneinwanderung bis zur tödlichen Messerattacke von Chemnitz, in deren Gefolge es zu schlimmen, von so manchem Medium einseitig kommentierten Auseinandersetzungen kam.
Welche Rolle spielt eigentlich Gold in dem hier beschriebenen, mit Zitaten gespickten Szenario? Solange wir blind sind für das, was wir nicht erwarten, und solange wir uns dem "digitalen Kontinent" mit all seinen Auswüchsen nähern, kann Gold immer mehr in die Funktion als stabiler Anker für unser privates Vermögen hineinwachsen. Denn es entzieht sich dem irreführenden Credo der Computer-Gläubigen, die meinen: "Was nicht in den Computer passt, existiert nicht." Doch es existiert. Das nächste unerwartete Ereignis wird es uns offenbaren. Wer rechtzeitig mit Gold vorgesorgt hat, wird dann die finanziellen und sonstigen Folgen weniger zu spüren bekommen als die Masse der Anleger.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Vier Kernfragen zur Aktienanlage
Daran muss ich denken, wenn irgendwo auf der Welt und zuletzt speziell in Deutschland schon wieder eine neue digitale Vermögensverwaltung gepuscht wird, wenn es heißt, diese oder jene Fonds und Zertifikate schnitten aus den und den Gründen angeblich immer besser ab die ihnen zugrunde liegenden Aktien oder Anleihen, und wenn mich täglich hanebüchene Kursprognosen erreichen, die ich jedes Mal wegklicken muss, um mich nicht in Versuchung bringen zu lassen, sie auf ihren Inhalt zu prüfen.
Die Hausse der Aktien und Anleihen ist in die Jahre gekommen. Es gibt gute Gründe dafür, dass sie bald endet, allerdings auch dafür, dass ihr Ende noch etwas auf sich warten lässt. Derzeit nehmen die Kommentare in den Medien zu diesem Thema überhand. Warum, geht auf einen naheliegenden, jedoch irreführenden Anlass zurück:
Am 15. September wird sich der Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers jähren, anno 2018, also ein runder Geburtstag. Mit diesem Datum ist die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008/09 eng verknüpft. Das gilt es bereits im Vorfeld zu kommentieren, meinen die Medienmacher, und schreiben sich die Finger wund, um zu spekulieren, wann denn wohl die nächste Krise von ähnlichem Ausmaß drohen könnte.
Darüber vergessen sie indes zu beachten, dass wir heute in einer ganz anderen Finanzwelt leben als vor zehn Jahren: Geld ist im Überfluss vorhanden, die Zinsen sind (trotz zwischenzeitlicher amerikanischer Ausbruchsversuche nach oben) im Keller, die Spekulation befindet sich auf dem oder nahe beim Höhepunkt - und vor uns liegt eine Zukunft, die Christoph Meinel, Chef des Hanno-Plattner-Instituts, so beschreibt: "Es geht um die wirtschaftliche Erschließung und Besetzung des neuen digitalen Kontinents."
Daraus ergeben sich Fragen nach Details zu diesem sogenannten Kontinent, nach seinen Gesetzen, Steuern und sonstigen Regularien. Brisant, insbesondere von europäischer Warte aus betrachtet: Die Vormachtstellung im digitalen Raum nehmen derzeit die USA und China ein. Das unterstreicht auch Rocket Internet-Chef Oliver Samwer in einem aktuellen manager magazin-Interview. Er muss es wissen; denn nach vier erfolgreichen Börsengängen (Zalando, Delivery Hero, HelloFresh und Home24) hat er dem Finanz-Establishment gezeigt, wie man - auch international - im Investment Banking erfolgreich sein kann.
Für wirtschaftliche Umbrüche, wie für den Umstieg vom Pferd aufs Auto oder von der Schreibmaschine zum Computer, hat sich der Begriff Disruption eingebürgert. Digitalisierung ist mehr als das. Zu welchen Fehlentwicklungen es dabei kommen kann, hat der zitierte Frank Schirrmacher anschaulich anhand eines Beispiels dargestellt: Wortfehler wie Sanne statt Sonne oder Mont statt Mond werden von Computern zu 100 Prozent entdeckt.
Dagegen sind Computer nicht in der Lage, Wortfehler wie Sahne statt Sonne oder Mund statt Mond zu erkennen. Wenn sie schon bei so einfach erscheinenden Fehlern passen müssen, welches Ergebnis mag dann erst herauskommen, wenn es darum geht, in die Welt komplexer Finanztransaktionen einzutauchen? Keine Frage, dann sind Menschen mit entsprechenden Kenntnissen gefragt.
Um dies zu untermauern, brauchen wir nur Bundesbank-Präsident Jens Weidmann aus einem kürzlich erschienenen FAZ-Interwiew zur Krise von 2008/09 zu zitieren, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was uns blühen kann: "Beim Entstehen der Krise wirkte ein ganzes Bündel an Faktoren zusammen. Die eine, einfache Erklärung gibt es nicht. Es gab Übertreibungen, Regulierungslücken und Fehlanreize im Finanzsystem. Risiken wurden falsch eingeschätzt und nicht adäquat bepreist."
Da drängt sich aus heutiger Sicht sofort die Frage auf: Kann so etwas nicht erneut geschehen? Oder angelehnt an den eingangs zitierten Satz: Sind wir nicht zu blind für das, was wir nicht erwarten? Ja, wir sind, jede bisherige Krise hat es offenbart; die nächste wird kommen, und zwar innerhalb des digitalen Kontinents (s. oben).
Was kann man dagegen unternehmen? Aus Anlegersicht bekanntermaßen die Streuung des Vermögens in Verbindung mit einem möglichst glücklichen Händchen fürs Timing. Das ist, jeweils für sich betrachtet, bereits schwierig genug.
Darüber hinaus kommt seit geraumer Zeit ein Faktor hinzu, der immer dramatischere Ausmaße annimmt: die Politik, von den unvorhersehbaren Winkelzügen des Trios Trump/Putin/Erdogan über den Brexit mit seinen wahrscheinlich bitteren Konsequenzen (auch für Deutschland) bis zur Regulierungswut der Europäischen Union (DSGVO u.a.), von statistischen Tricks zur Verharmlosung der Masseneinwanderung bis zur tödlichen Messerattacke von Chemnitz, in deren Gefolge es zu schlimmen, von so manchem Medium einseitig kommentierten Auseinandersetzungen kam.
Welche Rolle spielt eigentlich Gold in dem hier beschriebenen, mit Zitaten gespickten Szenario? Solange wir blind sind für das, was wir nicht erwarten, und solange wir uns dem "digitalen Kontinent" mit all seinen Auswüchsen nähern, kann Gold immer mehr in die Funktion als stabiler Anker für unser privates Vermögen hineinwachsen. Denn es entzieht sich dem irreführenden Credo der Computer-Gläubigen, die meinen: "Was nicht in den Computer passt, existiert nicht." Doch es existiert. Das nächste unerwartete Ereignis wird es uns offenbaren. Wer rechtzeitig mit Gold vorgesorgt hat, wird dann die finanziellen und sonstigen Folgen weniger zu spüren bekommen als die Masse der Anleger.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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