Der Banken-Knall muss kommen
16.09.2018 | Manfred Gburek
Wahrscheinlich haben Sie in den vergangenen Tagen ganze Breitseiten zum zehnjährigen Jubiläum der Lehman Brothers-Pleite über sich ergehen lassen müssen. Nahezu alle Zeitungen und Zeitschriften, Fernsehkanäle und das Internet einschließlich der sozialen Medien waren voll davon. Erkenntnis? So gut wie keine. Handlungsbedarf? "Ja", behaupten die ewigen Mahner, "alles im Griff", kann man vonseiten der nicht minder ewigen Optimisten hören. Eine solche Reaktion ist normal, wie an der Börse: Hier Angebot, dort Nachfrage, und am Ende trifft man sich in der Mitte.
Nur, wo ist die Mitte? An den Finanzmärkten geht es bekanntlich rauf und runter. Früher repräsentierte der Dax mal um 3000 Punkte die Mitte, später um 6000 Punkte, und aktuell bewegt er sich um 12.000 Punkte. Dahinter stecken Fakten, Meinungen und allzu oft auch Fake News. Die Hilflosigkeit, mit der sogar oberste Banker dieses Thema kommentieren, wird besonders deutlich, wenn man noch ein Mal zehn Jahre zurückgeht und den damaligen Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann beim Wort nimmt.
Am 20. September 2007, also knapp ein Jahr vor Lehman, meinte er doch tatsächlich: "Ich glaube, dass jetzt alle größeren Risiken transparent gemacht wurden." Damit lag Ackermann, wie wir wissen, total schief - was ihn allerdings nicht daran hinderte, später, immer noch vor Lehman, in einem seltsamen Anfall von versuchter Dichtkunst zu fabulieren: "Wir sind mittlerweile eher am Beginn des Endes als am Ende des Anfangs der Krise."
Die Deutsche Bank war einst so etwas wie ein Aushängeschild der deutschen Wirtschaft. Doch seit der Ermordung ihres Chefs Alfred Herrhausen im Jahr 1989 ging es mit ihr bergab. Erst forcierte sie das Investment Banking, dann musste sie feststellen, dass die amerikanischen Konkurrenten ihr haushoch überlegen waren. Erst diskriminierte sie ihre weniger betuchten Kunden, indem sie sie zur Bank24 abschob, danach vollzog sie eine Kehrtwende. Erst verärgerte sie die Manager ihrer Fondstochter DWS durch seltsame Strategiewechsel, sodass führende Köpfe zur Konkurrenz abwanderten, dann brachte sie die DWS-Aktie halbherzig an die Börse.
Dass heute sogar schon über die Zusammenlegung der Deutschen Bank mit der Commerzbank diskutiert wird, offenbart das ganze Ausmaß des nunmehr fast dreißigjährigen Missmanagements.
Und nun? Die Deutsche Bank ist in Europa kein Einzelfall, und das sollte aufhorchen lassen. Denn es gibt Dutzende von ähnlich oder noch mehr angeschlagenen Großbanken, deren wichtigste Probleme sich so auf den Punkt bringen lassen: zu wenig Eigenkapital, noch nicht verbuchte notleidende Kredite und eine Ertragsentwicklung zum Abgewöhnen, die wegen des anhaltend niedrigen Zinsniveaus von Tag zu Tag mehr Probleme als Lösungen aufwirft.
Das Schlimme an alldem ist, dass der große Banken-Knall kommen muss, dass aber niemand weiß, wann und wodurch er ausgelöst wird. Was die Sache besonders in Europa so schlimm macht, ist die heterogene Struktur der Bankenlandschaft einschließlich der überbordenden Bürokratie (verschiedene Rechtssysteme, nationale und europaweite Aufsichtsbehörden, EU-Vorschriften aus Brüssel, EZB-Geldpolitik und so weiter), das ist des Weiteren das Schneckentempo, das sich daraus ergibt, und das ist die Hilflosigkeit gegenüber der Dominanz der amerikanischen Großbanken, wenn es um das lukrative Investment Banking geht.
In der EZB gibt es ein Schattenkabinett, dessen Mitglieder gern vorzeitig auf besondere Gefahren aufmerksam machen. In der vergangenen Woche war es wieder mal so weit: Sie warnten vor der Entwicklung in Italien, wo die aus populistischen Parteien zusammengesetzte Regierung gerade ihren Haushalt für 2019 vorbereitet. Sollten die Koalitionäre sich dort nicht einig werden, stünden 2019 Neuwahlen an.
Innerhalb des Schattenkabinetts war man uneins in der Frage, ob die Finanzmärkte eine weitere Höherverschuldung Italiens verkraften oder ob ein Teil der heillosen Versprechen aus dem Wahlkampf (Steuersenkung, Basiseinkommen) zurückgenommen wird. Beide Alternativen bergen so viel Zündstoff, dass mit einer für alle einvernehmlichen Lösung der Probleme nicht zu rechnen ist. Aber womit dann?
Zumindest so viel steht fest: Da Regierungen in Italien traditionell in kurzen Abständen kommen und gehen, ohne dass durchgreifende Reformen in Angriff genommen werden, spricht fast alles dafür, dass es dieses Mal nicht anders sein wird - man gehört ja zum Euroraum, da hilft man sich solidarisch - schön für Italien, dass es Deutschland gerade so gut geht, da müsste doch der eine oder andere Euro abspringen. Zumal das Flüchtlingsproblem, unter dem Italien besonders leidet, die Finanzen des Landes zusätzlich überstrapaziert, sodass es auf Hilfe von außen angewiesen ist.
Übertrieben? Keineswegs, gibt es doch genug Indizien dafür, dass erst allerlei Versuche zur Konsolidierung im europäischen Bankensektor unternommen werden, bevor es zum großen Knall kommt. Konsolidierung, das ist in diesem Fall der offizielle Begriff dafür, dass viele Banken für sich allein nicht überlebensfähig sind und sich folglich vereinigen sollen, fordert die europäische Bankenaufsicht. Offenbar nach dem Motto: Zwei Einäugige ergeben einen Zweiäugigen. Dass daraus nichts werden kann, ergibt sich allein schon von daher, dass jede Bank versuchen wird, ihr Heil im Abladen von Problemkrediten in den gemeinsamen Topf zu suchen.
Neulich wurde Finanzminister Olaf Scholz in einem Handelsblatt-Interview gefragt, wie er sich den deutschen Bankenmarkt in Zukunft vorstellt. Er antwortete, alles andere als überraschend, mit einem dreifachen Appell: "An erster Stelle müssen die Banken natürlich ihre Geschäftsmodelle so gestalten, dass sie produktiv sind. Die Banken müssen wieder nachhaltig profitabel werden. Das sind Aufgaben, die unternehmerisch geleistet werden müssen. Als Regierung sind wir Gesprächspartner für die Branche." So schleppte sich das Interview dahin, bis die Schlussfrage kam: "Wie legen Sie Ihr Geld an?" Die Antwort war entwaffnend: "Mein Geld liegt auf dem Konto, dafür kriege ich kaum Zinsen."
Scholz hätte ebenso sagen können: Ich subventioniere gern meine Bank. Oder: Ich lasse mich gern von EZB-Chef Mario Draghi mit seiner Nullzins-Politik enteignen. Oder auch: Ich erkläre mich mit allen Sparern solidarisch, die ihr Geld auch so anlegen, dass sie dafür kaum Zinsen erhalten. Da fragt man sich im Ernst, wie es mit der deutschen Geld-Kultur so weit kommen konnte, dass sogar dem obersten staatlichen Hüter des Geldes nichts anderes einfällt, als seine Bank zu subventionieren oder sich enteignen zu lassen.
Banker und Politiker, so viel steht fest, müssten erst gemeinsam - und zwar europaweit - für Stabilität im gesamten Finanzwesen sorgen. Dazu sind sie derzeit aber nicht in der Lage, weil Altlasten keine durchgreifenden Entscheidungen zulassen und alles viel zu langsam vonstatten geht. Also bleibt es beim Fazit: Erst muss ein Bankenknall kommen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Fakten, an denen niemand vorbei kommt
Nur, wo ist die Mitte? An den Finanzmärkten geht es bekanntlich rauf und runter. Früher repräsentierte der Dax mal um 3000 Punkte die Mitte, später um 6000 Punkte, und aktuell bewegt er sich um 12.000 Punkte. Dahinter stecken Fakten, Meinungen und allzu oft auch Fake News. Die Hilflosigkeit, mit der sogar oberste Banker dieses Thema kommentieren, wird besonders deutlich, wenn man noch ein Mal zehn Jahre zurückgeht und den damaligen Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann beim Wort nimmt.
Am 20. September 2007, also knapp ein Jahr vor Lehman, meinte er doch tatsächlich: "Ich glaube, dass jetzt alle größeren Risiken transparent gemacht wurden." Damit lag Ackermann, wie wir wissen, total schief - was ihn allerdings nicht daran hinderte, später, immer noch vor Lehman, in einem seltsamen Anfall von versuchter Dichtkunst zu fabulieren: "Wir sind mittlerweile eher am Beginn des Endes als am Ende des Anfangs der Krise."
Die Deutsche Bank war einst so etwas wie ein Aushängeschild der deutschen Wirtschaft. Doch seit der Ermordung ihres Chefs Alfred Herrhausen im Jahr 1989 ging es mit ihr bergab. Erst forcierte sie das Investment Banking, dann musste sie feststellen, dass die amerikanischen Konkurrenten ihr haushoch überlegen waren. Erst diskriminierte sie ihre weniger betuchten Kunden, indem sie sie zur Bank24 abschob, danach vollzog sie eine Kehrtwende. Erst verärgerte sie die Manager ihrer Fondstochter DWS durch seltsame Strategiewechsel, sodass führende Köpfe zur Konkurrenz abwanderten, dann brachte sie die DWS-Aktie halbherzig an die Börse.
Dass heute sogar schon über die Zusammenlegung der Deutschen Bank mit der Commerzbank diskutiert wird, offenbart das ganze Ausmaß des nunmehr fast dreißigjährigen Missmanagements.
Und nun? Die Deutsche Bank ist in Europa kein Einzelfall, und das sollte aufhorchen lassen. Denn es gibt Dutzende von ähnlich oder noch mehr angeschlagenen Großbanken, deren wichtigste Probleme sich so auf den Punkt bringen lassen: zu wenig Eigenkapital, noch nicht verbuchte notleidende Kredite und eine Ertragsentwicklung zum Abgewöhnen, die wegen des anhaltend niedrigen Zinsniveaus von Tag zu Tag mehr Probleme als Lösungen aufwirft.
Das Schlimme an alldem ist, dass der große Banken-Knall kommen muss, dass aber niemand weiß, wann und wodurch er ausgelöst wird. Was die Sache besonders in Europa so schlimm macht, ist die heterogene Struktur der Bankenlandschaft einschließlich der überbordenden Bürokratie (verschiedene Rechtssysteme, nationale und europaweite Aufsichtsbehörden, EU-Vorschriften aus Brüssel, EZB-Geldpolitik und so weiter), das ist des Weiteren das Schneckentempo, das sich daraus ergibt, und das ist die Hilflosigkeit gegenüber der Dominanz der amerikanischen Großbanken, wenn es um das lukrative Investment Banking geht.
In der EZB gibt es ein Schattenkabinett, dessen Mitglieder gern vorzeitig auf besondere Gefahren aufmerksam machen. In der vergangenen Woche war es wieder mal so weit: Sie warnten vor der Entwicklung in Italien, wo die aus populistischen Parteien zusammengesetzte Regierung gerade ihren Haushalt für 2019 vorbereitet. Sollten die Koalitionäre sich dort nicht einig werden, stünden 2019 Neuwahlen an.
Innerhalb des Schattenkabinetts war man uneins in der Frage, ob die Finanzmärkte eine weitere Höherverschuldung Italiens verkraften oder ob ein Teil der heillosen Versprechen aus dem Wahlkampf (Steuersenkung, Basiseinkommen) zurückgenommen wird. Beide Alternativen bergen so viel Zündstoff, dass mit einer für alle einvernehmlichen Lösung der Probleme nicht zu rechnen ist. Aber womit dann?
Zumindest so viel steht fest: Da Regierungen in Italien traditionell in kurzen Abständen kommen und gehen, ohne dass durchgreifende Reformen in Angriff genommen werden, spricht fast alles dafür, dass es dieses Mal nicht anders sein wird - man gehört ja zum Euroraum, da hilft man sich solidarisch - schön für Italien, dass es Deutschland gerade so gut geht, da müsste doch der eine oder andere Euro abspringen. Zumal das Flüchtlingsproblem, unter dem Italien besonders leidet, die Finanzen des Landes zusätzlich überstrapaziert, sodass es auf Hilfe von außen angewiesen ist.
Übertrieben? Keineswegs, gibt es doch genug Indizien dafür, dass erst allerlei Versuche zur Konsolidierung im europäischen Bankensektor unternommen werden, bevor es zum großen Knall kommt. Konsolidierung, das ist in diesem Fall der offizielle Begriff dafür, dass viele Banken für sich allein nicht überlebensfähig sind und sich folglich vereinigen sollen, fordert die europäische Bankenaufsicht. Offenbar nach dem Motto: Zwei Einäugige ergeben einen Zweiäugigen. Dass daraus nichts werden kann, ergibt sich allein schon von daher, dass jede Bank versuchen wird, ihr Heil im Abladen von Problemkrediten in den gemeinsamen Topf zu suchen.
Neulich wurde Finanzminister Olaf Scholz in einem Handelsblatt-Interview gefragt, wie er sich den deutschen Bankenmarkt in Zukunft vorstellt. Er antwortete, alles andere als überraschend, mit einem dreifachen Appell: "An erster Stelle müssen die Banken natürlich ihre Geschäftsmodelle so gestalten, dass sie produktiv sind. Die Banken müssen wieder nachhaltig profitabel werden. Das sind Aufgaben, die unternehmerisch geleistet werden müssen. Als Regierung sind wir Gesprächspartner für die Branche." So schleppte sich das Interview dahin, bis die Schlussfrage kam: "Wie legen Sie Ihr Geld an?" Die Antwort war entwaffnend: "Mein Geld liegt auf dem Konto, dafür kriege ich kaum Zinsen."
Scholz hätte ebenso sagen können: Ich subventioniere gern meine Bank. Oder: Ich lasse mich gern von EZB-Chef Mario Draghi mit seiner Nullzins-Politik enteignen. Oder auch: Ich erkläre mich mit allen Sparern solidarisch, die ihr Geld auch so anlegen, dass sie dafür kaum Zinsen erhalten. Da fragt man sich im Ernst, wie es mit der deutschen Geld-Kultur so weit kommen konnte, dass sogar dem obersten staatlichen Hüter des Geldes nichts anderes einfällt, als seine Bank zu subventionieren oder sich enteignen zu lassen.
Banker und Politiker, so viel steht fest, müssten erst gemeinsam - und zwar europaweit - für Stabilität im gesamten Finanzwesen sorgen. Dazu sind sie derzeit aber nicht in der Lage, weil Altlasten keine durchgreifenden Entscheidungen zulassen und alles viel zu langsam vonstatten geht. Also bleibt es beim Fazit: Erst muss ein Bankenknall kommen.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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