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K.W.F.-Reihe: Scheinwachstum und nachhaltigem Wachstum (6/6)

31.01.2007  |  Mag. Gregor Hochreiter
- Seite 4 -
Symbole des Scheinwachstums
  • Gesellschaftliche Betonung von:
    - Freizeit und Spaß
    - Wohlstand durch Vererbung
    - Wohlstand durch Glücksspiel
    - Zufall bzw. Glück Ursache für Wohlstand
    - Zweckrationalismus - Gut ist, was gefällt.
    - Neidgesellschaft
    - Konfliktdenken (Win - Loose)
  • Glücksspieleuphorie
  • Konsumrausch, Urlaubsrausch, Alkohol- und Drogenrausch
  • Kurzfristige und ständig wechselnde Beziehungen (One-Night-Stand, Promiskuität, Scheidungen, Kinderlosigkeit,...)
  • Revolutionäre Veränderungen
  • Rücksichtslosigkeit gegenüber sich selbst und seinen Mitmenschen
  • Verantwortungslosigkeit
  • einseitige Lebenserfüllung - Geld/Spaß als Lebensziel
  • Achterbahnkarrieren
  • Zitate der Kurzfristigkeit
    - "In the long run we are all dead" (John Maynard Keynes)
    - "Hinter mir die Sintflut" (Madame de Pompadour)


Als Fortsetzung dieser Liste möchte ich noch einmal Stefan Zweig zu Wort kommen lassen, der im weiteren Verlauf von "Die Welt von Gestern" über die Auswirkungen der Inflation auf das Verhalten der Menschen im Österreich der Zwischenkriegszeit berichtet:

Welch eine wilde, anarchische, unwahrscheinliche Zeit, jene Jahre, da mit dem schwindenden Wert des Geldes alle andern Werte in Österreich und Deutschland ins Rutschen kamen! Eine Epoche begeisterter Ekstase und wüster Schwindelei, eine einmalige Mischung von Ungeduld und Fanatismus. Alles, was extravagant und unkontrollierbar war, erlebte goldene Zeiten: Theosophie, Okkultismus, Spiritismus, Somnambulismus, Anthroposophie, Handleserei, Graphologie, indische Yoghilehren und paracelsischer Mystizismus. Alles, was äußerste Spannungen über die bisher bekannten hinausversprach, jede Form des Rauschgifts, Morphium, Kokain und Heroin, fand reißenden Absatz, in den Theaterstücken bildeten Inzest und Vatermord, in der Politik Kommunismus oder Faschismus die einzig erwünschte extreme Thematik; unbedingt verfemt hingegen war jede Form der Normalität und der Mäßigung.

Ein weiteres sehr markantes Beispiel für die Verhaltensänderung von Menschen mit schrumpfender Zukunftsperspektive findet sich im umstrittenen deutschen Film "Der Untergang" (2004). Regisseur Oliver Hirschenbiegel und der Drehbuchautor und Produzent Bernd Eichinger inszenieren auf eindrucksvolle Art und Weise die letzten 12 Tage im Berliner Führerbunker zu Ende des 2. Weltkrieges im Frühling des Jahres 1945. Während dieses kurzen Zeitabschnittes schwindet bei den hochrangigen Insassen des Bunkers die letzte Hoffnung auf den "Endsieg" und sie ergeben sich langsam, aber sicher ihrem Schicksal.

Diese Selbstaufgabe manifestiert sich in wildesten Partys, die alle unter dem Eindruck stehen "leben als gäbe es kein Morgen". Es wird gesoffen bis zum Umfallen, Anstand und Moral müssen den animalischen Trieben ebenso weichen, wie die hierarchischen Strukturen des Militärs und gesellschaftliche Abstufungen. Vergangene Verdienste verblassen zu unbedeutenden Einträgen im Lebenslauf. Den handelnden Akteuren ist jeder Wille abhanden gekommen, die Situation noch irgendwie zu retten und die Weichen für einen Neustart zu stellen. Als die Russen schließlich vor der Tür stehen und die Blase "National-Sozialismus" endgültig zerplatzt, richtet sich eine große Anzahl der Bunkerinsassen selbst. Auf radikalste Weise verleihen sie mit diesem irreversiblen Schritt ihrer Perspektivlosigkeit Ausdruck.


Zusammenfassung

Aus dem Kontext gerissen kann die wilde Konsumorgie sowohl in "Die Welt von Gestern" als auch in "Der Untergang" als Ausdruck steigenden Wohlstands fehlgedeutet werden. Diese Scheuklappenbetrachtung findet in den konsumorientierten Konzepten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wie dem "BIP-Wachstum" Eingang und bildet selbst bei wohlwollender Betrachtung nur die halbe Wahrheit, den Status Quo, ab. Halbwahrheiten haben es allerdings an sich, die Menschen in einem Zustand der trügerischen Sicherheit zu wiegen. Nur eine umfassende Analyse des Kontextes deutet das Verhalten der Menschen richtig und vermittelt ein stimmiges Gesamtbild. Sie, und nur sie, scheidet destruktives Scheinwachstum von nachhaltigem Wachstum.


© Gregor Hochreiter
www.homo-agens.com, www.liberty.li, Den Autor können sie unter gh@liberty.li erreichen.



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» zurück zum Teil 4: Die Staatsanleihe - Der Weg in Armut und selbstverschuldete Knechtschaft
» zurück zum Teil 5: Keine Angst vorm Angstsparen oder Was im Kleinen richtig ist, kann im Großen nicht falsch



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