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Aus Inflation wird bitterer Ernst

21.10.2018  |  Manfred Gburek
Als neulich die aktuelle Inflationsrate für die Eurozone veröffentlicht wurde, immerhin 2,1 Prozent, war das Echo in den Medien äußerst bescheiden. Und das, obwohl die EZB ihr Inflationsziel von nahe, aber unter 2 Prozent seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholt, mit 2,1 Prozent also schon darüber liegt. Muss sie da nicht intervenieren oder das Ereignis zumindest kommentieren? Nein, muss sie nicht. Denn 2 Prozent minus x werden von der EZB als durchschnittliches nachhaltiges Ziel definiert. Das heißt, die Inflationsrate darf sich getrost innerhalb einer nicht näher definierten Bandbreite bewegen, ohne dass die EZB zu reagieren braucht.

1 bis 3 Prozent gefällig? Kein Problem. 2 bis 4 Prozent? Erst bei - wahrscheinlich willkürlich interpretierter - "Nachhaltigkeit" relevant. Und 5 Prozent? Fand schon Altkanzler Helmut Schmidt selig nicht so schlimm wie 5 Prozent Arbeitslosigkeit. Wetten, dass den EZB-Bürokraten zur passenden Inflation auch entsprechende Vergleiche einfallen werden!

Führen wir uns die Folgen doch einfach vor Augen: 2 Prozent Inflation bedeuten bei abgezinster Rechnung, dass die Kaufkraft von einem Euro nach zehn Jahren nur noch 82,0 Cent beträgt. Und 5 Prozent Inflation wie während der Ära Schmidt? Nach zehn Jahren gerade mal 61,4 Cent. Aus den Zahlen folgt bei aufgezinster Rechnung: Für den Fall, dass die Inflation nur 2 Prozent beträgt, müsste man für ein großes Rinderfiletsteak, das heute im Restaurant 30 Euro kostet, nach zehn Jahren über 36 Euro berappen, bei 5 Prozent Inflation annähernd 49 Euro. Als Alternative böte sich dann ein preiswerteres Schweineschnitzel an - und wenn die Entwicklung so weiter ginge, schließlich nur noch eine Frikadelle

So weit einige Zahlenspiele. Doch aus Spiel wird Ernst, sogar bitterer Ernst, und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Die Preise für Lebensmittel, Energie und Wohnen steigen und steigen; ein Ende ist nicht abzusehen. Notwendige Dienstleistungen, vom Haarschnitt über Reparaturen in der Wohnung und die Rechtsberatung bis zur Kranken- und Altenpflege werden immer teurer, ohne dass sie in der Inflationsstatistik eine adäquate Berücksichtigung finden. Und wenn die Preise in die Höhe zu schießen drohen, werden sie durch hedonische Methoden zurückgepfiffen. Das sind Rechenverfahren zur Qualitätskorrektur:

Weist zum Beispiel ein Computer oder ein Smartphone im Vergleich zum Vorgängermodell Verbesserungen auf, gehen solche Produkte mit einem rechnerischen Preisabschlag in die Statistik ein. Besonders die Amerikaner sind Meister der Hedonik, die bei ihnen neben technologischen Produkten sogar auch Mieten, Bekleidung und Fernseher umfasst.

Wie bitterernst die Inflation wirklich zu nehmen ist, erschließt sich erst aus der Gegenrechnung mit den Habenzinsen, also mit Erträgen aus Konten, Sparbriefen, Kapitallebensversicherungen, privaten Rentenversicherungen, Anleihen, Rentenfonds und ähnlichen Anlagen. Denn weil das Zinsniveau bereits seit längerer Zeit nominal um null Prozent pendelt, ist es real, also nach Berücksichtigung der Inflationsrate, im Minus. Das wirkt umso schmerzlicher, je länger die Laufzeiten solcher Anlagen sind und je teurer der vorzeitige Ausstieg aus ihnen wird, wie im Fall von langlaufenden Sparbriefen und ganz besonders beim Versicherungssparen.

Die gesetzliche Rentenversicherung spielt eine gewisse Sonderrolle. Sie ist ein Politikum und wird - zunehmend auch aus Steuermitteln - kurzerhand erhöht, sobald die Gefahr besteht, dass die Rentner aufmucken. Bislang hat noch keine Partei gewagt, außer wortreichem Blabla etwas Substanzielles zu einer Rentenreform beizutragen, die diesen Namen wirklich verdient. Doch schon in den nächsten Jahren - spätestens, wenn Rentenerhöhungen durch die Inflation real nachhaltig ins Minus rutschen - muss eine Reform her. Sie wird von wahltaktischen Manövern der Politiker und starker Einflussnahme durch Banken und Versicherungen geprägt sein. Ein Inflationsausgleich ist von ihr nicht zu erwarten.

Viele Leute vertreten die These, man könne der Inflation mit Immobilien ein Schnippchen schlagen. Hier ist nicht der Platz, alle Argumente pro und kontra zu erörtern. Doch zumindest dies ist festzuhalten: Derzeit sind die Preise von Wohn- und Gewerbeimmobilien in den meisten Ländern relativ hoch. Das schmälert die Renditen. Folglich sagen sich einige Freaks: Das Zinsniveau ist niedrig, also nehmen wir Kredite auf, um die Renditen hochzuhebeln. Das kann, muss aber nicht gut gehen.

Ob ein Inflationsausgleich dabei herauskommt, steht in den Sternen. Und nebenbei bemerkt: Spätestens seit der zurückliegenden Finanzkrise wissen wir, dass mit Krediten finanzierte Immobilien im Krisenfall schnell an Wert verlieren.

Das folgende Beispiel zeigt, dass sogar bei einer Finanzierung nur mit Eigenkapital zunächst Verluste entstehen, die möglicherweise erst in vielen Jahren durch Wertsteigerungen kompensiert werden können: Wer heute in Deutschland ein Haus oder eine Wohnung kauft, muss je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer auf den Gebäudewert zuzüglich Notar- und Grundbuchgebühren sowie gegebenenfalls auch Maklercourtage zahlen. Diese Kosten können schnell auf einen zweistelligen Prozentbetrag hinauslaufen. Sie sind sicher, Wertsteigerungen dagegen nicht.

Als die Aktienkurse während der vergangenen Jahre nur zu steigen schienen, waren viele Börsianer felsenfest davon überzeugt, dass mit Aktien der Inflation beizukommen sei. Nach dem Motto: Kursgewinne und Dividenden ergeben zusammen im Durchschnitt jährlich 6 bis 7 Prozent Ertrag. Doch das ist eine Milchmädchenrechnung. Denn bei Einmalanlagen kommt es auf den Zeitpunkt des Kaufs wie auch des Verkaufs an. Bei Anlageplänen ist darüber hinaus zu beachten, dass sie überwiegend auf Fonds basieren, von denen die gemanagten Varianten hohe Nebenkosten verursachen, während ETFs (börsengehandelte Fonds) relativ preiswert zu haben sind.

Das Verführerische an allen Aktien und Aktienfonds besteht darin, dass Anleger geneigt sind, deren vergangene Wertsteigerungen einfach in die Zukunft fortzuschreiben. Und dann wäre noch ein wichtiger Punkt, der sogar von Börsenprofis sträflich vernachlässigt wird: Das kurz-, mittel- und langfristige Auf und Ab der Kurse lässt Emotionen hochkochen. Diese führen oft dazu, dass Anleger ihre Aktien zu hohen Kursen kaufen und zu niedrigen Kurse verkaufen. Dann mutiert der angestrebte Inflationsschutz zum faktischen Verlust, woraufhin sich die meisten Anleger auf Nimmerwiedersehen von Aktien verabschieden.

Kein Artikel über Inflation, ohne auf Gold und Silber einzugehen. Dazu bedarf es allerdings nur weniger Anmerkungen: Auch die Preise beider Edelmetalle unterliegen einem gewissen Auf und Ab. Doch anders als die meisten Aktienkurse können sie erfahrungsgemäß nicht ins Bodenlose sinken. Gold und Silber eignen sich als Inflationsschutz besonders dann, wenn die Inflationsrate steigt und die weltweiten Schuldenberge - siehe zuletzt Italien - ins Unermessliche zu wachsen drohen. Das ist derzeit in Europa, Amerika und Asien der Fall.

Fazit: Inflation bedeutet sinkende Kaufkraft. Gegen sie hilft kein Patentrezept, sondern nur eine flexible Anlagestrategie, die auf drei Prinzipien beruht: Auswahl zeitgemäßer Anlageklassen, gutes Timing und Streuung zwecks Risikoausgleich. Aktuell spricht wegen der Überschuldung der Welt (und nicht nur Italiens) viel für eine starke Gewichtung von Gold und Silber.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Blick in die Zukunft


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