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Das Versagen der sogenannten Elite

16.12.2018  |  Manfred Gburek
Was wir zurzeit in Europa erleben, ist ein einziges Hauen und Stechen zwischen Politikern, Bürokraten, der EZB und dem Europäischen Gerichtshof. Die Auseinandersetzungen finden aber weniger öffentlich als hinter den Kulissen statt. Fraglos hat sich die sogenannte europäische Elite ein schlechtes Beispiel an US-Präsident Donald Trump genommen - nur dass sie, statt zu twittern und Entscheidungen am laufenden Band zurückzunehmen, untereinander lieber Bussi hier und Küsschen da verteilt.

Geht Ihnen zum Beispiel die ganze Brexit-Diskussion nicht auch auf die Nerven? Aus gutem Grund, denn sie will einfach nicht aufhören. Machen wir es kurz: harter Brexit = Abspaltung Großbritanniens von der EU mit der Folge, dass ein dann notwendiges Freihandelsabkommen über viele Jahre neu erarbeitet werden müsste. Weicher Brexit = weiterhin Anschluss Großbritanniens an die EU, aber ohne EU-Mitgliedschaft. Ende der Diskussion bis zum nächsten Jahr offen.

Und dann droht ja noch die Gefahr, dass die Briten eine neue Volksbefragung starten könnten. Bestünde deren Ergebnis im Festhalten an der EU-Mitgliedschaft, wäre das Chaos komplett. Derweil kursiert im britischen Parlament schon wieder ein Misstrauensvotum gegen Premierministerin Theresa May - immer feste drauf, nichts da mit der angeblich feinen englischen Art.

In so einem Umfeld hat es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron scheinbar leicht, die Öffentlichkeit medienwirksam auf seine neuesten Ideen vom kommenden Europa aufmerksam zu machen, etwa ein europäisches Investitionsbudget. So etwas lenkt von den eigentlichen Problemen der Franzosen ab, die sich im Protest der gelben Westen ja hinreichend offenbart haben.

Dabei schreckt der sonst so elitär auftretende Macron nicht davor zurück, primitive Argumente zu verwenden, indem er zum Beispiel einen Teil der Schuld an der französischen Misere den anderen Chefs der Eurozone, speziell der Bundesregierung, in die Schuhe zu schieben versucht. Dafür und für eine ganze Reihe anderer Ungereimtheiten wurde er allerdings beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche abgewatscht.

Vor vier Wochen lautete hier eine Überschrift "Geschenke für Italien". Jetzt ist es soweit: EU-Währungskommissar Pierre Moscovici bescheinigt Italien große Fortschritte bei der Bereinigung des Staatshaushalts. Vorangegangen ist eine nette Abendveranstaltung mit dem Versprechen der italienischen Regierung auf Haushaltsdisziplin. So einfach geht das, ohne Einschaltung weiterer Gremien, ohne wirkliche Legitimation. Aber es hat Erfolg, zumindest kurzfristig. Denn die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen ist nach dem netten Abend auf 2,9 Prozent gesunken, den niedrigsten Stand seit drei Monaten.

Und noch eine Beobachtung: So, wie der Spread (Unterschied) zwischen der Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen und der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen seit drei Monaten tendenziell von knapp 3,3 Prozent auf aktuell unter 2,9 Prozent gefallen ist, so ist er in derselben Zeit für zehnjährige französische Staatsanleihen von gut 0,4 Prozent auf fast 0,5 Prozent gestiegen. Die Geschenke für Italien haben also gewirkt, während Macron zur Kenntnis nehmen muss, dass die Träume vom großen Europa unter seiner Führung zerplatzt sind.

Kann es Zufall sein, dass ausgerechnet rund um den 13. Dezember, als die EZB ihre letzte offizielle Sitzung des Jahres abhielt, negative Konjunkturprognosen wie Pilze aus dem Boden schossen? Kann es, ist es aber nicht. Denn EZB-Präsident Mario Draghi brauchte für seine Entscheidung, den Kauf auslaufender Anleihen durch den Kauf neuer zu ersetzen, eine gewisse Rückendeckung. Die hat er dann auch von verschiedenen Seiten erhalten, nicht zuletzt von der Bundesbank.

Und um vor dem Ende seiner Präsidentschaft im nächsten Oktober nicht doch noch eine Kehrtwende machen zu müssen, ließ er am 13. September verlauten, jetzt müssten noch erhebliche geldpolitische Impulse kommen.

Was auch immer Draghi konkret damit meint, es läuft darauf hinaus, dass die Zinsen weiter am Boden bleiben. Doch wie vereinbart sich das mit dem von ihm wiederholt propagierten Inflationsziel unter, aber nahe 2 Prozent? Genaugenommen gar nicht, allein schon deshalb, weil ein Inflationsziel keine feste Größe, sondern zwangsläufig nur eine Durchgangsstation sein kann. Aber wie das mit geldpolitischen Phrasen so ist: Werden sie gebetsmühlenartig wiederholt, glauben immer mehr Leute an sie.

Das Schlimme daran ist in diesem Fall, dass die EZB sich mit ihrer laxen Geldpolitik die Chance verbaut, im Fall eines scharfen Konjunktureinbruchs mittels Zinssenkungen gegensteuern zu können. Dann ist zur Abwendung einer anhaltenden Krise die Fiskalpolitik gefragt, also die Konjunkturbelebung mithilfe von Schulden. Die Verschuldung ist jedoch schon viel zu hoch, und zwar weltweit. Was nun? Darauf gibt es realistischerweise nur eine Antwort: Es geht erst mal weiter so. Das mag zwar verrückt erscheinen, entspricht aber den gängigen Spielregeln der sogenannten Elite.

Dazu gehört auch, dass mit den ersten Schritten zur Abwendung einer finanziellen Katastrophe erst dann zu rechnen ist, wenn diese sich deutlich abzeichnet. Und genau das ist jetzt der Fall, sichtbar an den Aktienmärkten, die mittlerweile in den Crash-Modus übergegangen sind. Nur dauert es erfahrungsgemäß mindestens ein paar Monate, im Extremfall sogar einige Jahre, bis Regierungen und Zentralbanken endlich erkennen, dass Aktienkurse Vorboten der wirtschaftlichen Entwicklung sind und dass demzufolge mehr geschehen muss als das unerträgliche Palaver bei allen EU-Gipfeln.

Ein weiteres Beispiel für die elitäre Borniertheit und Ignoranz bekommen wir seit einiger Zeit vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) serviert. Anlass ist dessen Streit mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG); es geht wieder mal um die EZB-Geldpolitik. Die folgende Europolis-Pressemitteilung spricht Bände; denn sie ist ein markantes Beispiel dafür, wie über die Vergemeinschaftung von Schulden der Euroländer hinter den Kulissen gekungelt wird:

"Ein besonderes Licht fällt auf die Entscheidung des EuGH, die Frage nach den eventuellen Haftungsfolgen der Aufkaufpolitik als unzulässig anzusehen. Während das BverfG gerade diese Problematik für haushaltsrelevant hielt ..., verneint der EuGH - den Einlassungen Frankreichs und Italiens folgend - die Relevanz der Fragestellung: Es gäbe keine Vorschriften der Verträge, die eine Vergemeinschaftung vorsehen. Hier irrt der EuGH: Art. 32.4. der EZB-Satzung (welcher Teil der Verträge ist) ermöglicht eine solche Gemeinschftshaftung."


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

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