Der gefährliche Schlaf der Merkel-Regierung
13.01.2019 | Manfred Gburek
So mancher Besucher der diesjährigen CES-Messe in Las Vegas rieb sich verwundert die Augen: War es noch eine Veranstaltung für Elektronik-Spezialisten aus dem Silicon Valley und ihre Nerds oder schon für die Bosse der Autokonzerne, die so taten, als würden sie ihre Investitionen von heute auf morgen voll auf die Entwicklung selbst fahrender Autos mit Batterieantrieb konzentrieren? Zweifellos ging die Begeisterung für alles Neue - in den USA üblich und durchaus herzerfrischend - wieder Mal mit den Messebesuchern durch.
Bleiben wir noch kurz bei den selbst fahrenden Autos und zitieren wir dazu den Startup-Investor Benedikt Herles aus seinem neuen Buch "Zukunftsblind", in dem er unter anderem mit schlafmützigen deutschen Politikern abrechnet, denen er aber auch einen Zehn-Punkte-Plan unterbreitet: "Wir unterschätzen sowohl die Zeit, die vergehen wird, bis unsere Straßen von Roboterautos befahren werden, als auch die fundamentalen Konsequenzen, die mit der Mobilitätsrevolution auf unsere Gesellschaft zukommen."
Und was sagt die Bundesregierung dazu? Nichts, was erwähnenswert wäre. Stattdessen lässt sie eine Debatte über ideologische Phrasen zur Dieseltechnologie jenseits der Realität zu. Manchmal gewinnt man den Eindruck, die umstrittene Deutsche Umwelthilfe habe zum Thema Auto mehr zu sagen als die Ingenieure von VW oder Daimler, Bosch oder Continental zusammen.
Dabei wird immer mehr das Ziel aus den Augen verloren, wie die Autobranche einschließlich ihrer Zulieferer als mit Abstand größter privater Arbeitgeber den Quantensprung in die Zukunft schafft. Über die Konsequenzen aus der Disruption - so die in Branchenkreisen übliche Bezeichnung - scheinen sich vor allem amerikanische, chinesische und japanische Politiker tiefschürfende Gedanken zu machen. Die Merkel-Regierung schläft.
Dieses Szenario ist mit dafür verantwortlich, dass die Kurse deutscher Aktien den Rückwärtsgang eingeschaltet haben. Kaum etwas spricht dafür, dass sie sich schon bald erholen könnten. Denn erstens kosten Investitionen in die Elektromobilität sehr viel Geld. Zweitens lässt sich aus ihnen nicht bereits von heute auf morgen eine auskömmliche Rendite schöpfen - siehe Herles-Zitat. Und drittens erweckt die Merkel-Regierung kaum den Eindruck, als würde sie mit Steuergeldern ein größeres Investitionsprogramm anschieben.
Hinzu kommen externe Faktoren wie der Brexit, zu dem am kommenden Dienstag die wahrscheinlich entscheidende Wahl im britischen Parlament ansteht. Oder die rückläufige Konjunktur in China, die voll auf die deutsche Wirtschaft durchschlägt. Oder das Gezeter um den amerikanischen Shutdown, der die Börsianer weltweit verunsichert. Oder - wohl am wichtigsten - die erwähnte Disruption, die erfahrungsgemäß zwar einen langen Anlauf benötigen wird, dann aber ganze Branchen vernichten dürfte.
So wie Amazon den Einzelhandel umgekrempelt hat, so könnte Nvidia mit Grafikprozessoren gleich mehrere Branchen das Fürchten lehren beitragen. Uber lässt Taxidienste um ihre Existenz bangen, Airbnb rollt das Hotelgewerbe auf, N26 mischt sich aggressiv ins Bankgeschäft ein. Und wenn Deutsche Bank und Commerzbank sich nicht endlich strategisch neu aufstellen, müssen sie damit rechnen, dass ihnen die aus dem Boden schießenden Fintechs ein Geschäft nach dem anderen streitig machen.
Anleger müssen aus alldem Konsequenzen ziehen, und zwar schon jetzt. Aber wie? Zweifellos sind die Kursstürze des vergangenen Jahres Vorboten weiteren Ungemachs und noch nicht das Ende der Aktienbaisse.
Wer Aktien besitzt, muss sich jetzt entscheiden: Entweder durchhalten und zukaufen, sobald der Börsenpessimismus die Schlagzeilen der Bild-Zeitung erreicht, und beim Zukaufen nicht ins fallende Messer greifen, wie es in einer Börsenmetapher heißt. Oder während einer zwischenzeitlichen Kurserholung einen Teil der Aktien verkaufen. Welche Alternative man wählt, hängt vom Aktienanteil eines Anlegers an seinem gesamten Vermögen ab. Beträgt er zum Beispiel nur 10 bis 20 Prozent, empfiehlt sich die erste Alternative. Ist er dagegen viel höher, etwa 50 bis 60 Prozent, spricht viel für die zweite Alternative.
Kursverluste zu realisieren, fällt den meisten Anlegern sehr schwer. Das ist allzu verständlich, deshalb soll hier noch auf einen weiteren Gedanken hingewiesen werden: Das Aussitzen von Kursverlusten für den Fall, dass es sich um Aktien von Unternehmen handelt, die nicht pleite gehen können, weil ihr Geschäftsmodell überzeugt und weil ihr Eigenkapital weit über 50 Prozent beträgt, idealerweise 80 oder noch mehr Prozent. Entsprechende Daten werden von den Unternehmen ja laufend veröffentlicht.
Warum dieses Vorgehen erwägenswert ist, ergibt sich aus dieser Überlegung: Liegen die hier genannten Voraussetzungen vor, kommt es in absehbarer Zukunft zu Kursgewinnen. Stellen diese sich schon nach 2 Jahren ein, dividiert man sie durch 2, nach 5 Jahren durch 5 und so weiter, um - einschließlich der Dividenden, sofern sie anfallen - auf eine Jahresrendite zu kommen. Diese dürfte sich dann im Vergleich zu Renditen aus Anleihen oder aus Tagesgeld sehen lassen. Dazu müssen Anleger nur Geduld mitbringen.
Apropos Tagesgeld: Es als vorübergehenden Parkplatz im Rahmen einer eigenen Anlagestrategie zu nutzen, ist mehr als nur eine Überlegung wert. Zwar stören seine derzeit üblichen Nullzinsen, aber es bewahrt Anleger vor Kursverlusten. Als Alternative bzw. zusätzliche Absicherung gegen Börsenturbulenzen bietet sich Gold an, wenn nicht in Form von Barren und Anlagemünzen, dann zum Beispiel als Xetra-Gold-Anleihe. In allen drei Fällen winkt noch ein Steuergeschenk, denn nach einem Jahr Haltefrist ist eine mögliche Wertsteigerung steuerfrei.
Damit sind wir auf Umwegen wieder bei der Politik und speziell bei der Merkel-Regierung angelangt. Solange sie nicht durch Neuwahlen abgelöst wird, sind von ihr keine nennenswerten Impulse zu erwarten, erst recht keine Initialzündung, um die kippende Konjunktur durch in die Zukunft gerichtete Investitionen zu beleben. Die Bundeskanzlerin ist nachweislich eine Politikerin, die am liebsten nichts mit der Wirtschaft zu tun haben will. Und ihr getreuer Diener, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, hat derzeit Schwierigkeiten, sich gegen Finanzminister Olaf Scholz durchzusetzen, der auf seine zerrüttete SPD Rücksicht nehmen muss.
Welche Rolle Friedrich Merz in seiner neuen Funktion als Berater für AKK spielen soll, bleibt zunächst ein Rätsel. Als Bindeglied im Rahmen der Atlantik-Brücke? Vielleicht. Als Speerspitze zur Durchsetzung der Altersvorsorge mit Aktien? Möglich, aber nicht realisierbar, solange die SPD als Mitregiererin aus ideologischen Gründen dagegen ist. Die verworrene Berliner Gemengelage tut ein Übriges dazu. Alles in allem spricht viel für Neuwahlen. Aber wohl erst, wenn die kommenden Wahlen (Bundesländer und Europa) entsprechende Signale aussenden. Bis dahin müssen nicht zuletzt auch Aktionäre mit der dazu gehörenden Unsicherheit rechnen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Bleiben wir noch kurz bei den selbst fahrenden Autos und zitieren wir dazu den Startup-Investor Benedikt Herles aus seinem neuen Buch "Zukunftsblind", in dem er unter anderem mit schlafmützigen deutschen Politikern abrechnet, denen er aber auch einen Zehn-Punkte-Plan unterbreitet: "Wir unterschätzen sowohl die Zeit, die vergehen wird, bis unsere Straßen von Roboterautos befahren werden, als auch die fundamentalen Konsequenzen, die mit der Mobilitätsrevolution auf unsere Gesellschaft zukommen."
Und was sagt die Bundesregierung dazu? Nichts, was erwähnenswert wäre. Stattdessen lässt sie eine Debatte über ideologische Phrasen zur Dieseltechnologie jenseits der Realität zu. Manchmal gewinnt man den Eindruck, die umstrittene Deutsche Umwelthilfe habe zum Thema Auto mehr zu sagen als die Ingenieure von VW oder Daimler, Bosch oder Continental zusammen.
Dabei wird immer mehr das Ziel aus den Augen verloren, wie die Autobranche einschließlich ihrer Zulieferer als mit Abstand größter privater Arbeitgeber den Quantensprung in die Zukunft schafft. Über die Konsequenzen aus der Disruption - so die in Branchenkreisen übliche Bezeichnung - scheinen sich vor allem amerikanische, chinesische und japanische Politiker tiefschürfende Gedanken zu machen. Die Merkel-Regierung schläft.
Dieses Szenario ist mit dafür verantwortlich, dass die Kurse deutscher Aktien den Rückwärtsgang eingeschaltet haben. Kaum etwas spricht dafür, dass sie sich schon bald erholen könnten. Denn erstens kosten Investitionen in die Elektromobilität sehr viel Geld. Zweitens lässt sich aus ihnen nicht bereits von heute auf morgen eine auskömmliche Rendite schöpfen - siehe Herles-Zitat. Und drittens erweckt die Merkel-Regierung kaum den Eindruck, als würde sie mit Steuergeldern ein größeres Investitionsprogramm anschieben.
Hinzu kommen externe Faktoren wie der Brexit, zu dem am kommenden Dienstag die wahrscheinlich entscheidende Wahl im britischen Parlament ansteht. Oder die rückläufige Konjunktur in China, die voll auf die deutsche Wirtschaft durchschlägt. Oder das Gezeter um den amerikanischen Shutdown, der die Börsianer weltweit verunsichert. Oder - wohl am wichtigsten - die erwähnte Disruption, die erfahrungsgemäß zwar einen langen Anlauf benötigen wird, dann aber ganze Branchen vernichten dürfte.
So wie Amazon den Einzelhandel umgekrempelt hat, so könnte Nvidia mit Grafikprozessoren gleich mehrere Branchen das Fürchten lehren beitragen. Uber lässt Taxidienste um ihre Existenz bangen, Airbnb rollt das Hotelgewerbe auf, N26 mischt sich aggressiv ins Bankgeschäft ein. Und wenn Deutsche Bank und Commerzbank sich nicht endlich strategisch neu aufstellen, müssen sie damit rechnen, dass ihnen die aus dem Boden schießenden Fintechs ein Geschäft nach dem anderen streitig machen.
Anleger müssen aus alldem Konsequenzen ziehen, und zwar schon jetzt. Aber wie? Zweifellos sind die Kursstürze des vergangenen Jahres Vorboten weiteren Ungemachs und noch nicht das Ende der Aktienbaisse.
Wer Aktien besitzt, muss sich jetzt entscheiden: Entweder durchhalten und zukaufen, sobald der Börsenpessimismus die Schlagzeilen der Bild-Zeitung erreicht, und beim Zukaufen nicht ins fallende Messer greifen, wie es in einer Börsenmetapher heißt. Oder während einer zwischenzeitlichen Kurserholung einen Teil der Aktien verkaufen. Welche Alternative man wählt, hängt vom Aktienanteil eines Anlegers an seinem gesamten Vermögen ab. Beträgt er zum Beispiel nur 10 bis 20 Prozent, empfiehlt sich die erste Alternative. Ist er dagegen viel höher, etwa 50 bis 60 Prozent, spricht viel für die zweite Alternative.
Kursverluste zu realisieren, fällt den meisten Anlegern sehr schwer. Das ist allzu verständlich, deshalb soll hier noch auf einen weiteren Gedanken hingewiesen werden: Das Aussitzen von Kursverlusten für den Fall, dass es sich um Aktien von Unternehmen handelt, die nicht pleite gehen können, weil ihr Geschäftsmodell überzeugt und weil ihr Eigenkapital weit über 50 Prozent beträgt, idealerweise 80 oder noch mehr Prozent. Entsprechende Daten werden von den Unternehmen ja laufend veröffentlicht.
Warum dieses Vorgehen erwägenswert ist, ergibt sich aus dieser Überlegung: Liegen die hier genannten Voraussetzungen vor, kommt es in absehbarer Zukunft zu Kursgewinnen. Stellen diese sich schon nach 2 Jahren ein, dividiert man sie durch 2, nach 5 Jahren durch 5 und so weiter, um - einschließlich der Dividenden, sofern sie anfallen - auf eine Jahresrendite zu kommen. Diese dürfte sich dann im Vergleich zu Renditen aus Anleihen oder aus Tagesgeld sehen lassen. Dazu müssen Anleger nur Geduld mitbringen.
Apropos Tagesgeld: Es als vorübergehenden Parkplatz im Rahmen einer eigenen Anlagestrategie zu nutzen, ist mehr als nur eine Überlegung wert. Zwar stören seine derzeit üblichen Nullzinsen, aber es bewahrt Anleger vor Kursverlusten. Als Alternative bzw. zusätzliche Absicherung gegen Börsenturbulenzen bietet sich Gold an, wenn nicht in Form von Barren und Anlagemünzen, dann zum Beispiel als Xetra-Gold-Anleihe. In allen drei Fällen winkt noch ein Steuergeschenk, denn nach einem Jahr Haltefrist ist eine mögliche Wertsteigerung steuerfrei.
Damit sind wir auf Umwegen wieder bei der Politik und speziell bei der Merkel-Regierung angelangt. Solange sie nicht durch Neuwahlen abgelöst wird, sind von ihr keine nennenswerten Impulse zu erwarten, erst recht keine Initialzündung, um die kippende Konjunktur durch in die Zukunft gerichtete Investitionen zu beleben. Die Bundeskanzlerin ist nachweislich eine Politikerin, die am liebsten nichts mit der Wirtschaft zu tun haben will. Und ihr getreuer Diener, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, hat derzeit Schwierigkeiten, sich gegen Finanzminister Olaf Scholz durchzusetzen, der auf seine zerrüttete SPD Rücksicht nehmen muss.
Welche Rolle Friedrich Merz in seiner neuen Funktion als Berater für AKK spielen soll, bleibt zunächst ein Rätsel. Als Bindeglied im Rahmen der Atlantik-Brücke? Vielleicht. Als Speerspitze zur Durchsetzung der Altersvorsorge mit Aktien? Möglich, aber nicht realisierbar, solange die SPD als Mitregiererin aus ideologischen Gründen dagegen ist. Die verworrene Berliner Gemengelage tut ein Übriges dazu. Alles in allem spricht viel für Neuwahlen. Aber wohl erst, wenn die kommenden Wahlen (Bundesländer und Europa) entsprechende Signale aussenden. Bis dahin müssen nicht zuletzt auch Aktionäre mit der dazu gehörenden Unsicherheit rechnen.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.