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Posten auf Kosten der Bürger

27.01.2019  |  Manfred Gburek
Deutschland muss aufpassen. Deutschland ist umringt von falschen Freunden. Deutschland läuft Gefahr, zwischen den europäischen Fronten aufgerieben zu werden. So weit die Kurzfassung der möglichen Folgen eines bedrohlichen Trends, der sich aus den Ereignissen der vergangenen Wochen ergibt. Dabei geht es nicht etwa um Verschwörung, sondern um Fakten.

Am eklatantesten und täglich von den Medien breitgetreten: mal der vorläufig beendete Shutdown in Washington, mal der Brexit, meistens beide zusammen. Der hartnäckige US-Präsident Donald Trump spielt auf Zeit, die gewiefte britische Premierministerin Theresa May ebenfalls. Und siehe da, sie erhält aus Deutschland Kompromissbereitschaft signalisiert, Hauptsache, der Brexit ist Ende März unter Dach und Fach. Vorteil UK. Den wird man uns später vonseiten der Bundesregierung als Win-Win-Ergebnis präsentieren.

Wechseln wir zur Geldpolitik, konkret: Zu den Köpfen, die sie in den kommenden Jahren bestimmen könnten. Zuvorderst steht die Ablösung von EZB-Präsident Mario Draghi an, dessen Amtszeit im Oktober endet. Über seinen möglichen Nachfolger wird bereits jetzt heiß diskutiert. Als Favorit galt lange Jens Weidmann. Doch nachdem sich herumgesprochen hat, dass CSU-Mann Manfred Weber, derzeit Abgeordneter des Europäischen Parlaments, den Job als EU-Kommissionspräsident anstrebt, tendieren Weidmanns Aussichten auf die Draghi-Nachfolge gegen Null.

Warum? Nicht etwa, weil Weidmann sich irgendwas zu Schulde kommen ließ - im Gegenteil, er wäre sogar der ideale Draghi-Nachfolger. Sondern weil die auf Postenschieberei ausgerichtete verquere politische Logik der EU und speziell der EZB verhindern soll, dass gleich zwei Deutsche ein europäisches Spitzenamt besetzen.

Wer hat denn nun besonders gute Aussichten, Draghi zu beerben? Verfolgt man die noch kurze Geschichte der EZB-Präsidentschaft, fällt auf, dass sie von Beginn an nach nationalen Vorgaben und Interessen bestimmt wurde. Der erste Präsident, der Niederländer Wim Duisenberg, war ein Kompromisskandidat, weil Deutschland und Frankreich sich nicht auf einen aus ihren Reihen einigen konnten. Ihm folgte der Franzose Jean-Claude Trichet, diesem der Italiener Mario Draghi. Ein Deutscher wäre jetzt also überreif - doch siehe oben.

Die logische Folge: Nach Duisenberg muss wieder ein Kompromisskandidat her. Wer es sein wird, bleibt zwar bis auf Weiteres offen. Aber bereits beim nächsten Treffen der Finanzminister der Eurozone am 11. Februar und auf dem kommenden EU-Gipfel am 21. und 22. März sind Vorentscheidungen zu erwarten.

Auf den neuen Mann an der Spitze der EZB - eine Frau steht nicht zur Debatte - wird eine besonders delikate Aufgabe zukommen: Klar zu definieren, was zum EZB-Mandat gehört und was nicht. Unter Draghi hat die EZB ja mit dem Kauf von Anleihen nur so geklotzt, das heißt, ihr Mandat ausgedehnt. Man braucht nicht viel Phantasie, um zum Ergebnis zu kommen, dass darin eine ernste Gefahr für das ganze Eurosystem steckt.

Dazu nur das Beispiel Italien, dessen Staatsanleihen sich zu annähernd 400 Milliarden Euro in den Bilanzen italienischer Banken befinden. Würde der neue EZB-Präsident einen harten Gang einschlagen, also im Gegensatz zu Draghi eine restriktive Geldpolitik betreiben, dürften die Kurse dieser Anleihen nur so purzeln - mit verheerenden Folgen für die Banken, die ihre Anleihen dann erheblich abschreiben müssten. Folglich ist allein schon deshalb damit zu rechnen, dass der neue EZB-Präsident alles andere als restriktiv sein wird. Auch von daher gesehen hätte einer wie Jens Weidmann keine Aussicht auf dieses Amt.

Das Beispiel Italien ist leider zukunftsweisend für einen Großteil des Eurosystems. Dazu nur dies: Die angeschlagene Bank Monte die Paschi di Siena war 2017 mal wieder finanziell stark angeschlagen. Also sprang der Staat ein, der dadurch jetzt zu gut zwei Dritteln an der Bank beteiligt ist.

Diese Art und Weise, Wunden zuzukleistern, statt sie zu heilen, wirft die Frage auf, warum so etwas mit offensichtlicher Duldung seitens der EZB, speziell der Bankenaufsicht, der EU-Bürokraten und der Politiker der Eurozone geschehen kann, ohne dass disziplinarische Maßnahmen über den üblichen Kleinklein hinaus stattfinden. Die Antwort ist verblüffend einfach: Weil staatliche Eingriffe allseits nicht mehr zur Ausnahme, sondern zur Regel werden. Der deutsche Fall Nord/LB ist dazu ein weiterer Beleg.

Nun könnte man meinen, Italien sei ein Sonderfall und das Land habe sich bislang nach jeder Krise wieder berappelt. Doch ganz so einfach ist es dieses Mal nicht, allein schon deshalb, weil vom 23. bis 26. Mai die Europa-Wahl ansteht und der Wahlkampf bereits jetzt mit harten Bandagen stattfindet.

Bezeichnendes Beispiel: Italiens Vizepremier Matteo Salvini greift den zuletzt durch die Gelbwesten-Proteste angeschlagenen französischen Präsidenten Emmanuel Macron in aller Öffentlichkeit an. Dabei geht es ihm nur vordergründig darum, Frankreich wegen der an der Südgrenze zu Italien immer wieder auftretenden Konflikte durch Grenzsperren zu kritisieren. In Wahrheit strebt Salvini – neben der Demonstration der Stärke - die Ablenkung von eigenen Problemen und darüber hinaus massive Finanzspritzen von der EU an.

Ob es um solche Spritzen auch in einem tolldreisten Fall geht, den EU-Bürokraten zu verantworten haben, wird sich erst in Zukunft oder vielleicht gar nicht entscheiden. Dennoch erscheint es schon jetzt opportun, sich mit ihm zu beschäftigen - wehret den Anfängen! Der Fall: Die EU-Kommission schlägt vor, dass die Souveränität der EU-Länder in Sachen Steuern abgeschafft werden soll.

Also sozusagen die Abkehr von der europäischen Integration mit der Folge, dass zum Beispiel eine aus Italien, Spanien, Griechenland, Zypern, Malta und weiteren EU-Ländern zusammengesetzte Mehrheit darüber entscheiden könnte, ob Steueroasen wie Luxemburg oder Irland ausgetrocknet werden - was im Sinn der sogenannten Steuergerechtigkeit ja durchaus diskussionswürdig wäre. Doch was, wenn Italien, Spanien und so weiter auf einmal Einblick in die Einkommensteuer-Bescheide deutscher Bürger erhielten? Dann dürfte eine transeuropäische Neiddiskussion vom Zaun brechen.

Mag es sich hier um einen Extremfall handeln, der möglicherweise wieder in der Versenkung verschwinden wird, so ist der bürokratische Geist, der dahinter steckt, doch ernst zu nehmen. Denn es geht längst nicht mehr um Albernheiten wie die Rundung von Äpfeln oder die Krümmung von Gurken, sondern um Eingriffe in die Privatsphäre und darum, die Bürger der EU auf dem Umweg über die Brüsseler Bürokratie abzukassieren. Deshalb wird es sich besonders im Vorfeld der Europa-Wahl lohnen, die Argumente der Wahlkämpfer besonders gründlich zu zerpflücken.

Bleibt zum Schluss noch eine grundsätzliche Frage zu klären: Haben die hier anhand weniger Beispiele aufgezeigten Ungereimtheiten, Manipulationen und letzten Endes auch das vorläufige Einknicken des US-Präsidenten in Sachen Shutdown viele Anleger wachgerüttelt und so zum Hochtreiben des Goldpreises am vergangenen Freitag über 1300 Dollar je Feinunze veranlasst? Die neue Woche wird es uns zeigen - eine Woche voller Spannung, die sich über Jahre aufgestaut hat.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Der fatale Trend zu steigenden Schulden


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