Blinde Politiker
10.02.2019 | Manfred Gburek
Zurzeit erleben wir in Deutschland politische Debatten, die primär auf die kommenden Landtagswahlen und die Europawahl zugeschnitten sind: Statt Wähler mit Reformen zu gewinnen, die uns zukunftsfest machen würden, herrscht Populismus vor. "Zukunftsblind", so heißt der dazu passende Titel des aktuellen Buchs von Benedikt Herles.
Der Autor begründet seine These gleich mit vier Argumenten: 1. Stimmenfang über opportunistische Parteiprogramme und emotional aufgeheizte Talkshows statt über Debatten im Bundestag, 2. Konzentration auf die althergebrachte Industriegesellschaft mit ihren Heerscharen von Arbeitern und Angestellten statt auf die digitalisierte Welt von heute und morgen, 3. speziell in Deutschland die von Politikern inszenierte Selbsttäuschung mit dem vermeintlichen allgemeinen Wohlstand, 4. die vor allem auf die ältere Bevölkerung, die Mehrheit der Wähler, ausgerichtete Politik.
Ein Gedankensprung: Wenn in diesen Tagen über die möglichen Ursachen sinkender Aktienkurse palavert wird, ist meistens von rückläufigen Wachstumsraten der Wirtschaft, vom Brexit oder von angeblich psychologisch wichtigen Dax-Unterstützungslinien die Rede. Doch das ist viel zu kurz gesprungen. Denn die wahren Ursachen reichen weit darüber hinaus - und sind nicht zuletzt in den vier genannten Punkten zu finden.
Daraus folgt: Deutschland braucht den viel beschworenen Strukturwandel. Den fordern zwar alle Politiker ein; aber wenn es um Wählerstimmen geht, umgarnen sie lieber Rentner und selbst ernannte Umweltschützer statt erfinderische Ingenieure und Startup-Pioniere. Daraus folgt auch: Die deutschen Aktienkurse werden ihren generellen Abwärtstrend - mit den üblichen kurzfristigen Unterbrechungen - so lange fortsetzen, bis der Strukturwandel kommt.
Diese Prognose schließt natürlich ein, dass es Ausnahmen geben wird, also Aktien, die sich dem allgemeinen Abwärtstrend entziehen. Die werden an ihrer relativen Stärke im Vergleich zum jeweiligen Index zu erkennen sein. Das ist zeitaufwendig und erfordert von Anlegern viel Geduld.
Eine aufschlussreiche Beobachtung aus den vergangenen Monaten: Der Bund Future, Terminkontrakt auf zehnjährige Bundesanleihen, steigt seit Anfang Oktober. Damit sinken die Anleiherenditen; das ist mathematisch bedingt zwangsläufig so. Was besonders auffällt: Der Terminkontrakt hat 165 Punkte glatt überwunden und strebt auf das Spitzenniveau von Mitte 2016 zu. Das lag damals etwas unter 170 Punkten. Es handelt sich jetzt zweifellos um einen Vorboten der offenbar immer näher rückenden Rezession. Das ist mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit leicht zu begründen.
Was außerdem auffällt, kann im Hinblick auf die wahrscheinliche Rezession dem folgenden Zitat aus einer aktuellen Studie der Investmentgesellschaft DWS entnommen werden: "Gänzlich sollte man nicht entspannen, wie ein Blick auf die fallenden Renditen der Bundesanleihen zeigt. Pikant daran ist, dass das sowohl für Nominalrenditen von Bundesanleihen gilt wie auch für die Renditen von inflationsindexierten länger laufenden Bundesanleihen."
Wir haben es hier also zum einen mit der Bestätigung des Bund Future-Kurses, zum anderen mit rückläufigen Inflationserwartungen zu tun. Da kann man auf die denkbaren Folgen wahrlich gespannt sein: Muss der Bund sich dann immer höher verschulden? Wie weit wird die EZB die Geldschleusen öffnen? Droht sogar eine Deflation, gleichermaßen das Schreckgespenst von Politikern und Zentralbankern? Es wird noch eine Weile dauern, bis sich die Bundesregierung, der EZB-Rat und weitere Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich umfangreicher als bisher mit solchen Fragen beschäftigen.
Ein weiterer Blick zurück: War da nicht noch etwas anderes Mitte 2016? Ja, es war, nämlich das abrupte Ende des vorangegangenen halbjährigen Goldpreisanstiegs und der Kurse von Minenaktien. Dies mag mit der erwähnten Bund Future-Entwicklung wenig zu tun haben, also nur eine Beobachtung sein, ist jedoch zumindest den einen oder anderen weitergehenden Gedanken wert. Zum Beispiel, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sich globale Finanzströme entwickeln, ob es nicht doch eine begründbare Korrelation von Bund Future und Goldpreis gibt oder warum das laufende Beobachten von Trends für Anleger ein wichtiger Anstoß zum erfolgreichen Timing sein kann.
Bleiben wir noch kurz beim Beobachten. Da hat es in der vergangenen Woche doch tatsächlich das von einer schlimmen Wirtschaftskrise geschüttelte Italien geschafft, eine Anleihe im Volumen von 8 Milliarden Euro mit Kupon von 3,85 Prozent und 30 Jahren Laufzeit aufzulegen - und die ging weg wie warme Semmeln: Die Gebote betrugen sage und schreibe 41 Milliarden Euro. Damit wäre zu hinterfragen, wie lange sich Großanleger, etwa Lebensversicherer oder Pensionsfonds, noch in der nominalen Scheinsicherheit wiegen, bis die italienische Schuldenblase platzt und die Kunden der Großanleger hohe reale Verluste erleiden.
Das abschließende Fazit sollte nicht ohne den einen oder anderen Blick in die Zukunft gezogen werden. Wir müssen uns zum Beispiel klarmachen, dass die immer mehr an Fahrt gewinnende Digitalisierung in allen Lebensbereichen nicht mehr aufzuhalten ist. Das bedeutet: Arbeitsplätze fallen überall dort weg, wo Roboter zum Einsatz kommen. Die Folge: Arbeitnehmer müssen sich entweder einen neuen Job suchen, oder sie werden arbeitslos. Bund, Länder und Kommunen dürften erst mit Verspätung dagegen angehen, sich dann umso mehr verschulden und über kurz oder lang die Steuern erhöhen. Alles zusammen nehmen die deutschen Aktienkurse zurzeit schon vorweg, indem sie einknicken.
Das ist nur allzu logisch. Denn Rezessionen gehen mit sinkenden Umsätzen und Gewinnen der Unternehmen einher. Deren Manager stehen dann vor der Wahl: Rationalisieren, investieren und Arbeitnehmer entlassen oder in die Pleite hineinschlittern. Sie werden sich natürlich für die erste Alternative entscheiden. Die Arbeitslosigkeit dürfte so wie so rasant zunehmen, und der Staat - dann hoffentlich unter einer besseren Regierung als der jetzigen - wird sich immer höher verschulden müssen, weil Steuereinnehmen im Zuge einer Rezession sinken.
Das alles gilt weltweit; das untrügliche Indiz dafür sind die einbrechenden Aktienkurse nicht nur in Deutschland, sondern auch in Amerika und China.
Was geschieht dann mit den vielen Arbeitslosen? Götz Werner, Chef der Drogeriekette dm, hat dafür bereits vor einiger Zeit das bedingungslose Grundeinkommen vorgeschlagen. Dagegen spricht sich der eingangs zitierte Buchautor Benedikt Herles für ein bedingtes Grundeinkommen aus. Doch solche Ideen wurden vom Gesetzgeber in der Vergangenheit erfahrungsgemäß so lange kaputtdiskutiert, bis die Lobby der Finanzkonzerne sich mit ihren Interessen durchgesetzt hat.
Abschreckende Beispiele wie die Riester-Rente waren und sind sind dann die Folge. In Kenntnis dessen bleibt allen vorausdenkenden Deutschen nur eine Wahl, um sich finanziell zukunftsfest aufzustellen: Individuell vorsorgen. Dass dabei auch Gold eine wichtige Rolle spielen sollte, versteht sich nach den aktuellen Beobachtungen der Finanzmärkte von selbst.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Heiße Spekulation mit Immobilien
Der Autor begründet seine These gleich mit vier Argumenten: 1. Stimmenfang über opportunistische Parteiprogramme und emotional aufgeheizte Talkshows statt über Debatten im Bundestag, 2. Konzentration auf die althergebrachte Industriegesellschaft mit ihren Heerscharen von Arbeitern und Angestellten statt auf die digitalisierte Welt von heute und morgen, 3. speziell in Deutschland die von Politikern inszenierte Selbsttäuschung mit dem vermeintlichen allgemeinen Wohlstand, 4. die vor allem auf die ältere Bevölkerung, die Mehrheit der Wähler, ausgerichtete Politik.
Ein Gedankensprung: Wenn in diesen Tagen über die möglichen Ursachen sinkender Aktienkurse palavert wird, ist meistens von rückläufigen Wachstumsraten der Wirtschaft, vom Brexit oder von angeblich psychologisch wichtigen Dax-Unterstützungslinien die Rede. Doch das ist viel zu kurz gesprungen. Denn die wahren Ursachen reichen weit darüber hinaus - und sind nicht zuletzt in den vier genannten Punkten zu finden.
Daraus folgt: Deutschland braucht den viel beschworenen Strukturwandel. Den fordern zwar alle Politiker ein; aber wenn es um Wählerstimmen geht, umgarnen sie lieber Rentner und selbst ernannte Umweltschützer statt erfinderische Ingenieure und Startup-Pioniere. Daraus folgt auch: Die deutschen Aktienkurse werden ihren generellen Abwärtstrend - mit den üblichen kurzfristigen Unterbrechungen - so lange fortsetzen, bis der Strukturwandel kommt.
Diese Prognose schließt natürlich ein, dass es Ausnahmen geben wird, also Aktien, die sich dem allgemeinen Abwärtstrend entziehen. Die werden an ihrer relativen Stärke im Vergleich zum jeweiligen Index zu erkennen sein. Das ist zeitaufwendig und erfordert von Anlegern viel Geduld.
Eine aufschlussreiche Beobachtung aus den vergangenen Monaten: Der Bund Future, Terminkontrakt auf zehnjährige Bundesanleihen, steigt seit Anfang Oktober. Damit sinken die Anleiherenditen; das ist mathematisch bedingt zwangsläufig so. Was besonders auffällt: Der Terminkontrakt hat 165 Punkte glatt überwunden und strebt auf das Spitzenniveau von Mitte 2016 zu. Das lag damals etwas unter 170 Punkten. Es handelt sich jetzt zweifellos um einen Vorboten der offenbar immer näher rückenden Rezession. Das ist mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit leicht zu begründen.
Was außerdem auffällt, kann im Hinblick auf die wahrscheinliche Rezession dem folgenden Zitat aus einer aktuellen Studie der Investmentgesellschaft DWS entnommen werden: "Gänzlich sollte man nicht entspannen, wie ein Blick auf die fallenden Renditen der Bundesanleihen zeigt. Pikant daran ist, dass das sowohl für Nominalrenditen von Bundesanleihen gilt wie auch für die Renditen von inflationsindexierten länger laufenden Bundesanleihen."
Wir haben es hier also zum einen mit der Bestätigung des Bund Future-Kurses, zum anderen mit rückläufigen Inflationserwartungen zu tun. Da kann man auf die denkbaren Folgen wahrlich gespannt sein: Muss der Bund sich dann immer höher verschulden? Wie weit wird die EZB die Geldschleusen öffnen? Droht sogar eine Deflation, gleichermaßen das Schreckgespenst von Politikern und Zentralbankern? Es wird noch eine Weile dauern, bis sich die Bundesregierung, der EZB-Rat und weitere Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich umfangreicher als bisher mit solchen Fragen beschäftigen.
Ein weiterer Blick zurück: War da nicht noch etwas anderes Mitte 2016? Ja, es war, nämlich das abrupte Ende des vorangegangenen halbjährigen Goldpreisanstiegs und der Kurse von Minenaktien. Dies mag mit der erwähnten Bund Future-Entwicklung wenig zu tun haben, also nur eine Beobachtung sein, ist jedoch zumindest den einen oder anderen weitergehenden Gedanken wert. Zum Beispiel, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sich globale Finanzströme entwickeln, ob es nicht doch eine begründbare Korrelation von Bund Future und Goldpreis gibt oder warum das laufende Beobachten von Trends für Anleger ein wichtiger Anstoß zum erfolgreichen Timing sein kann.
Bleiben wir noch kurz beim Beobachten. Da hat es in der vergangenen Woche doch tatsächlich das von einer schlimmen Wirtschaftskrise geschüttelte Italien geschafft, eine Anleihe im Volumen von 8 Milliarden Euro mit Kupon von 3,85 Prozent und 30 Jahren Laufzeit aufzulegen - und die ging weg wie warme Semmeln: Die Gebote betrugen sage und schreibe 41 Milliarden Euro. Damit wäre zu hinterfragen, wie lange sich Großanleger, etwa Lebensversicherer oder Pensionsfonds, noch in der nominalen Scheinsicherheit wiegen, bis die italienische Schuldenblase platzt und die Kunden der Großanleger hohe reale Verluste erleiden.
Das abschließende Fazit sollte nicht ohne den einen oder anderen Blick in die Zukunft gezogen werden. Wir müssen uns zum Beispiel klarmachen, dass die immer mehr an Fahrt gewinnende Digitalisierung in allen Lebensbereichen nicht mehr aufzuhalten ist. Das bedeutet: Arbeitsplätze fallen überall dort weg, wo Roboter zum Einsatz kommen. Die Folge: Arbeitnehmer müssen sich entweder einen neuen Job suchen, oder sie werden arbeitslos. Bund, Länder und Kommunen dürften erst mit Verspätung dagegen angehen, sich dann umso mehr verschulden und über kurz oder lang die Steuern erhöhen. Alles zusammen nehmen die deutschen Aktienkurse zurzeit schon vorweg, indem sie einknicken.
Das ist nur allzu logisch. Denn Rezessionen gehen mit sinkenden Umsätzen und Gewinnen der Unternehmen einher. Deren Manager stehen dann vor der Wahl: Rationalisieren, investieren und Arbeitnehmer entlassen oder in die Pleite hineinschlittern. Sie werden sich natürlich für die erste Alternative entscheiden. Die Arbeitslosigkeit dürfte so wie so rasant zunehmen, und der Staat - dann hoffentlich unter einer besseren Regierung als der jetzigen - wird sich immer höher verschulden müssen, weil Steuereinnehmen im Zuge einer Rezession sinken.
Das alles gilt weltweit; das untrügliche Indiz dafür sind die einbrechenden Aktienkurse nicht nur in Deutschland, sondern auch in Amerika und China.
Was geschieht dann mit den vielen Arbeitslosen? Götz Werner, Chef der Drogeriekette dm, hat dafür bereits vor einiger Zeit das bedingungslose Grundeinkommen vorgeschlagen. Dagegen spricht sich der eingangs zitierte Buchautor Benedikt Herles für ein bedingtes Grundeinkommen aus. Doch solche Ideen wurden vom Gesetzgeber in der Vergangenheit erfahrungsgemäß so lange kaputtdiskutiert, bis die Lobby der Finanzkonzerne sich mit ihren Interessen durchgesetzt hat.
Abschreckende Beispiele wie die Riester-Rente waren und sind sind dann die Folge. In Kenntnis dessen bleibt allen vorausdenkenden Deutschen nur eine Wahl, um sich finanziell zukunftsfest aufzustellen: Individuell vorsorgen. Dass dabei auch Gold eine wichtige Rolle spielen sollte, versteht sich nach den aktuellen Beobachtungen der Finanzmärkte von selbst.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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