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Der programmierte Crash

10.03.2019  |  Manfred Gburek
Seit dem vergangenen Donnerstag, als der EZB-Rat unter der Führung seines Chefs Mario Draghi eine folgenschwere Entscheidung traf, steht endgültig fest: Die EZB ist mit ihrer Zinspolitik dort angelangt, wo sie zu Beginn der Draghi-Ära vor gut siebeneinhalb Jahren begonnen hatte. Das heißt, bei der Subvention der Schuldner und der Bestrafung der Sparer sowie sonstiger Gläubiger.

Am Donnerstag beschloss der EZB-Rat nämlich, mit Rücksicht auf die lahmer gewordene Konjunktur im Euroraum frühestens 2020 über eine Zinserhöhung nachzudenken - Draghi verabschiedet sich vorher, Ende Oktober 2019, von der EZB. Des Weiteren sollen Banken mit langfristigen Krediten durchgepäppelt und hoch verschuldete Euroländer mit Anleihekäufen zu günstigen Bedingungen unterstützt werden.

Folgenschwer ist das, was am Donnerstag beschlossen wurde, mindestens aus den folgenden drei Gründen: Weil es sich um eine Einladung zum noch mehr Schuldenmachen handelt. Weil der EZB-Rat über brisante Themen wie zusätzliche Anleihekäufe oder die nochmalige Senkung des ohnehin schon negativen Einlagenzinses erst gar nicht diskutiert und so mit seinen wahren Absichten hinterm Berg hält. Und weil an der Börse jetzt erst recht darüber diskutiert wird, ob die Fortsetzung der unerwartet lockeren Geldpolitik nicht bereits als ein Ausdruck von Panik interpretiert werden sollte.

Unter Börsianern kursiert das Bonmot, Draghi habe sich bei seinem Amtsantritt vorgenommen, den Leitzins kein einziges Mal zu erhöhen. Und siehe da, das ist ihm gelungen. Die Folgen reichen leider weit über die Enteignung der Sparer hinaus. Denn die Frage, die sich nun stellt, offenbart die ganze Verwirrung um die bisherige - und mindestens bis Ende 2019 anhaltende - Geldpolitik: Welche Alternativen zum kaum mehr möglichen Drehen an der Zinsschraube stehen der EZB überhaupt noch zur Verfügung?

Die EZB könnte die alten Anleihekäufe wieder aufnehmen, statt nur auslaufende Anleihen durch neue zu ersetzen. Sie könnte speziell zu Anleihen minderer Qualität zwecks Stützung schwacher Euroländer umschwenken. Auch das japanische Harakiri, der schier unbegrenzt mögliche Kauf von Anleihen, steht zur Debatte und wird unter Zentralbankern ernsthaft diskutiert. Dazu braucht man sich nur die beiden folgenden Zahlen durch den Kopf gehen zu lassen: Während die EZB erst rund 20 Prozent in Staatsanleihen investiert hat, ist die Bank of Japan schon bei 50 Prozent angelangt. Die japanische Zentralbank hat sich sogar Aktien einverleibt.

Was also spricht dagegen, dass die EZB neben Anleihen zur Rettung schwacher Euroländer auch deren Aktien in ihr Portfolio aufnimmt? Wenn es gilt, eine neue Finanz- und Wirtschaftskrise abzuwenden, dürfte der EZB dazu jedes Mittel recht sein. Draghi hat sich jedenfalls längst in diese Richtung geäußert, indem er wiederholt von vielen Werkzeugen sprach, mit denen er die Konjunktur und die Inflation im Euroraum auf Trab bringen könne. In dieser Hinsicht werde man besonders kreativ sein, verlautet aus EZB-Kreisen – lauter Absichtserklärungen, von denen man durchaus ahnen kann, was wirklich dahintersteckt.

Immerhin ist bekannt, dass Draghi seit längerer Zeit versucht, die Verantwortung für die Konjunktur nach und nach den Regierungen der Euroländer zuzuschieben. Zum Teil ist ihm das bereits gelungen: Er hat sie zu Strukturreformen und Wachstumsimpulsen mittels gezielter Staatsausgaben aufgefordert. Das heißt, vor allem das reiche Deutschland soll zulasten des Staatshaushalts für mehr Investitionen sorgen.

Was steckt dahinter? Die Antwort reicht, man mag es kaum glauben, bis in die 80er Jahre zurück. Damals verschuldete sich der amerikanische Staat während der Präsidentschaft von Ronald Reagan weit über das hinaus, was bis dahin üblich war. Die Anleger quittierten dieses Vorgehen, indem sie zunächst die Aktienkurse hochjubelten. Das ging mit Unterbrechungen so lange gut, bis der Crash vom Oktober 1987 einen Teil der Kursgewinne zunichte machte.

Daraufhin handelte die US-Zentralbank Fed unter ihrem damaligen Chef Alan Greenspan spontan, indem sie den Geldhahn von einem Tag zum nächsten voll aufdrehte. Dieses Ereignis markierte den Beginn einer über Jahrzehnte anhaltenden Geldpolitik in den USA und anderswo, die immer wieder dann eingriff, wenn die Finanzmärkte verrückt spielten, zuletzt 2008.

Doch jetzt stößt diese Geldpolitik an Grenzen. Die Fed hat durch ihre letzten kleinen Zinserhöhungen zwar etwas Spielraum gewonnen, um die amerikanische Konjunktur ein wenig zu beleben, aber die EZB hat diesbezüglich ihr Pulver verschossen, wie die Entscheidung vom vergangenen Donnerstag zeigt.

Was sich nun auf beiden Seiten des Atlantiks anbahnt, sieht folglich gar nicht gut aus: Der begrenzte geldpolitische Spielraum der Fed geht mit einem amerikanischen Staatshaushalt einher, der durch die Steuerreform von Präsident Donald Trump unter massiver Überschuldung leidet. Und die offensichtlich spielraumlose EZB hofft auf Strukturreformen der Euroländer, die von den meisten unter ihnen wegen ihrer Haushaltsprobleme nur bedingt zu realisieren sind.

Kurzum, der Konjunktur diesseits und jenseits des Atlantiks droht Gefahr, wobei Imponderabilien wie der Brexit oder – noch schlimmer – der amerikanisch-chinesische Handelskrieg zusätzlich für Unruhe an den Finanzmärkten sorgen. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn durch diese Gemengelage kein Crash entstünde. Allein dessen Zeitpunkt ist nicht absehbar. Viel spricht dafür, dass er noch in der laufenden Dekade stattfindet.

Wie kann man sich vor ihm schützen? Für Leser dieser Kolumne nicht neu: durch passive Anlagen, also Gold einschließlich etwas Silber und durch einen hohen Anteil an Liquidität, um nach dem Crash besonders günstig bei Aktien zuzugreifen. So ein Vorgehen muss vorbereitet sein.

Das geht am einfachsten, indem man neben gängigen Indizes (zum Beispiel Dax-Familie, S&P, Shanghai A, XAU u.a.) möglichst auch zwei bis drei Dutzend Aktien, verschiedene Währungen und die Preise einschlägiger Rohstoffe wie Öl, Kupfer und Nickel laufend verfolgt. Aus diesem Vorgehen entsteht eine gewisse Sicherheit, wenn es darum geht, später mit dem hoffentlich richtigen Timing vielversprechende Aktien zu kaufen. Alles in allem: Geduld und viel Glück!


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Die trügerische Dividendenrendite


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