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Lassen Sie sich nichts weißmachen: Der Zins wird nicht verschwinden

27.04.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Damit lässt sich auch leicht einsehen, was (sehr wahrscheinlich) passiert, wenn die Zentralbank die Marktzinsen nahe an die Nulllinie treibt: Die Preise für Aktien steigen extrem stark an (und natürlich auch die Preise für Häuser und Grundstücke). Mit anderen Worten: Die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken inflationiert die Preise der Vermögensgüter.

Man stelle sich an dieser Stelle einen Extremfall vor: Grundstücke (Land) erbringen in der Regel Erträge für eine (in menschlicher Rechnung) unendliche Laufzeit.

Würde die Zentralbank den Zins auf die Nulllinie senken, so würde der Preis der Grundstücke (theoretisch) ins Unendliche ansteigen, und die Grundstücke wären dann im Prinzip gar nicht mehr handelbar gegen Geld. Ein positiver Zins stellt also sicher, dass der Preis der Grundstücke nicht ins Astronomische steigt.

Stellen wir uns einen weiteren Extremfall vor: Die Zentralbank senkt alle Zinsen (im Kreditmarkt wie im Aktien-, Häuser- und Grundstücksmarkt) in den Negativbereich ab. Der Kreditmarkt würde zusammenbrechen. Niemand (der noch bei Sinnen ist) wäre bereit, 1 Euro für, sagen wir, 1 Jahr zu verleihen, wenn er nach Ablauf der Frist weniger als 1 Euro (sagen wir 0,95 Euro) zurückerhält.

Würden sich alle Zinsen im Negativbereich befinden, würde das (theoretisch) dazu führen, dass die Preise für zum Beispiel Aktien und Immobilien ebenfalls in die Höhe getrieben werden - möglicherweise so stark und so weit, bis die Rendite, die der Investor mit diesen Vermögensgütern erzielen kann, ebenfalls negativ wird (aber noch leicht über den negativen Marktzinsen liegt).

Und nicht nur das: Das kapitalistische Sparen würde aufhören zu funktionieren. Denn es rechnet sich nicht mehr, auf Konsum zu verzichten und zu sparen und zu investieren, wenn der Investor dadurch eine Minderung seines Kapitals erleidet. Die moderne, arbeitsteilige Volkswirtschaft hört dann auf zu existieren; die Menschen fallen in eine primitive Subsistenzwirtschaft zurück.

Um es kurz zu machen: Die Zentralbanken können den Zins zwar in ausgewählten Marktsegmenten (wie vor allem im Kreditmarkt) auf oder sogar unter die Nulllinie drücken. Aber in allen Märkten lässt sich das sehr wahrscheinlich nicht durchführen, beziehungsweise die volkswirtschaftlichen Kosten, die dabei entstehen (in Form von Produktions- und Beschäftigungsverlusten) würden extrem hoch werden, gerade apokalyptische Ausmaße annehmen.


Boom-Bust

Nun kommen wir zu einem aus Anlegersicht zentralen Problemfeld der Niedrigzinspolitik: dem Boom-und-Bust-Zyklus. Denn die Zinspolitik der Zentralbanken - vor allem ihre extreme Niedrigzinspolitik - sorgt unweigerlich für Störungen im Wirtschafts- und Finanzsystem. Der Grund ist: Die Zentralbanken senken den Marktzins unter das Niveau ab, das sich einstellen würde, wenn die Zentralbanken (in enger Zusammenarbeit mit den Geschäftsbanken) nicht das Kreditangebot über die “echten Ersparnisse” hinaus ausweiten würden.

Der künstlich gesenkte Marktzins sorgt für einen Aufschwung (“Boom”): Er veranlasst die Menschen dazu, weniger zu sparen und stattdessen mehr zu konsumieren und zudem noch zusätzliche Investitionen in Gang zu setzen. Doch der Boom - der zustande kommt, weil Konsumenten und Unternehmer über die “wahren Knappheitsverhältnisse” getäuscht und in die Irre geleitet werden - muss früher oder später in einen Abschwung (“Bust”) umschlagen. Anleger und Investoren müssen daher aus mindestens drei Gründen auf der Hut sein:

Erstens stellen sich im Boom Fehlentwicklungen ein. Firmen investieren beispielsweise in Projekte, die sich nicht rechnen und in einem Bust untergehen. Das kann dem Investor mitunter hohe und unwiderrufliche Verluste bescheren.

Zweitens: Die künstlich gedrückten Zinsen blähen (wie vorangehend verdeutlicht) die Marktpreise von Unternehmen, Häusern und Grundstücken auf. Investoren, die zu steigenden Preisen kaufen, laufen ein erhöhtes Risiko - das dann schlagend wird, wenn die “Preisblase” platzt und der Investor Kapitalverluste erleidet.

Drittens: Mittlerweile setzen die Zentralbanken alles daran, den Boom in Gang zu halten. Dazu greifen sie - für viele Anleger nicht immer eindeutig erkennbar - tiefgreifend in das Marktgeschehen ein. Sie haben den Finanzmarktakteuren signalisiert, dass sie eine erneute Konjunkturabkühlung oder einen Preisrückschlag auf den Vermögensmärkten quasi mit allen Mitteln (also durch Zinsabsenkungen und Kredit- und Geldmengenausweitung) “bekämpfen” werden.

Sie spannen de facto ein “Sicherheitsnetz” unter die Märkte und verlängern dadurch den Boom. Das kann den Investor auf dem falschen Fuß treffen: Er mag zwar richtigerweise erkannt haben, dass ein Boom im Gange ist, der nicht ewig andauern kann. Aber wenn der Investor sich zu früh aus dem Aktienmarkt verabschiedet, weil er nicht mit den Eingriffen der Zentralbanken rechnet, können ihm mitunter erhebliche Erträge (Kursgewinne und Dividenden) entgehen und auch das sind natürlich Kosten (man spricht auch von “Opportunitätskosten”).


Was zu lernen ist

Mit den “klassischen”, den “sicheren” Zinsanlagen wie Termin- und Spareinlagen sowie kurz- und langlaufenden Staatsanleihen bester Kreditqualität lassen sich auf absehbare Zeit keine Ersparnisse durch "Kaufen und Liegenlassen" mehr aufbauen. Zinsanleger, die eine nach Abzug der Inflation positive Rendite suchen, müssen schon auf Kreditinstrumente ausweichen, die eine (deutlich) schlechtere Kreditqualität haben (und erhöhte Ausfallsrisiken eingehen).

Das Investieren in Immobilien und Aktien bietet eine Möglichkeit, eine positive reale Rendite zu erzielen. Es erfordert aber ein umsichtiges Vorgehen. Die aktuell künstlich abgesenkten Zinsen haben die Marktpreise für Aktien, Häuser und Grundstücke aufgebläht. Und das hat die künftigen Renditeaussichten verringert. Künftige Preisrückschläge können daher dem Investor nur allzu leicht Verluste bescheren. Der Investor ist daher gut beraten, zum Beispiel Aktien nur dann zu kaufen, wenn sie nicht zu hoch bewertet sind.

Für Anleger aus dem Euroraum gilt zudem: Vermeiden Sie ein “Euro-Klumpenrisiko”. Der Euro ist und bleibt verwundbar: Er ist eine ungedeckte Papierwährung, deren Überleben davon abhängt, dass die EZB mit ihrer Politik eine weitreichende Zwangsumverteilung von Einkommen und Vermögen zwischen den Nationen im Euroraum vornimmt. Ob das jedoch dauerhaft so wie bisher weitergehen kann und wird, ist fraglich.

Zahlungsausfälle von Schuldpapieren, vor allem aber die Entwertung der Euro-Kaufkraft nach innen wie nach außen sind reale Risiken, denen der Euro-Anleger ausgesetzt ist. Eine Möglichkeit für den Euro-Anleger besteht darin, zumindest einen Teil der liquiden Mittel in anderen Währungen - wie zum Beispiel US-Dollar, Schweizer Franken und die “Währung Gold” - zu halten.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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