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Kampf gegen das Bargeld: Die Hintergründe

28.04.2019  |  Manfred Gburek
Am vergangenen Freitag gab die Deutsche Bundesbank zum letzten Mal einen 500 Euro-Schein aus. Das bedeutet aber längst noch nicht, dass dieses wertvolle Stück aus Baumwolle, oft irrtümlich als Papiergeld bezeichnet, bereits sein Leben aushaucht. Denn 500-Euro-Scheine, von denen 70 Prozent durch die Bundesbanker ausgegeben wurden, behalten bis auf Weiteres ihre Gültigkeit. Damit dienen sie den drei klassischen Funktionen des Geldes: Recheneinheit, Zahlungsmittel und Wertaufbewahrungsmittel.

Über den ersten Punkt gibt es nichts zu diskutieren, der Euro als Recheneinheit ist wie andere große Währungen in Zeiten mit geringer Inflation unabdingbar.

Zum zweiten Punkt fällt mir eine wenige Jahre zurückliegende Szene aus einem nicht mehr taufrischen Penny-Markt im Frankfurter Ostend ein, nur ein paar Steinwürfe von der EZB entfernt: Chinesische Touristen wollten die Rechnung für ihren üppigen Großeinkauf mit einem 500er bezahlen. Die Kassiererin lehnte das ab, die Chinesen mussten zum Plastikgeld greifen. Offenbar war die Kassiererin den damals wie heute gängigen, von interessierter Seite aufgeblasenen Schauermärchen zur Steuerhinterziehung, Schattenwirtschaft und Terrorfinanzierung mittels Bargeld aufgesessen.

Über den dritten Punkt, 500er zur Wertaufbewahrung, kann man sich zwar prinzipiell streiten, aber aktuell und pragmatisch gesehen ist ein solcher Streit überflüssig. Denn eine nur moderate Inflation vorausgesetzt, ist die Wertaufbewahrungsfunktion im Zuge von Null- bis Negativzinsen gewährleistet. Dessen sind sich neben Europäern und Amerikanern vor allem reiche Chinesen und Araber bewusst.

Zu dieser Erkenntnis passt auch, dass zwei Drittel aller Euro-Scheine irgendwo im Ausland sind - was nebenbei als Zeichen dafür gelten kann, dass man dem Euro international ein gewisses, wenngleich nicht unbedingtes Vertrauen entgegenbringt. Über die Berechtigung dieses Vertrauens dürfte bald wieder mehr gestritten werden, weil der Euro im Vergleich zum Dollar seit geraumer Zeit schwächelt.

Jedes Mal, wenn das Thema Bargeld, wie jetzt aus Anlass des 500-Euro-Scheins, von den Medien aufgegriffen wird, entbrennt ein - auch emotional geführter - Streit um Pro und Kontra. Dann geraten Fakten oft in den Hintergrund. Schuld daran ist unter anderem Kenneth Rogoff, einst Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) und zuletzt vor allem als Weltreisender in Sachen Bargeldabschaffung unterwegs.

Rogoffs Nachfolger im IWF haben ihn mit zum Teil skurrilen Ideen längst überholt, wie zuletzt mit dem Vorschlag, auf Bargeld einen Negativzins zu erheben. Das soll so vonstatten gehen: Der Negativzins wertet Bargeld ab, sodass elektronisches Geld mehr wert sein soll als bares. Dadurch würde der Einkauf mittels Bargeld verteuert.

Dann könnten sich traditionelle Finanzkonzerne mit dem Schwerpunkt Zahlungsverkehr, wie Visa oder Mastercard, über noch höhere Umsätze freuen. Doch ob daraus etwas wird, ist mittlerweile zu bezweifeln. Denn die Konkurrenz ist gewaltig. Google Pay, Apple Pay und Amazon Pay, die reich an Daten aus ihrem jeweiligen Stammgeschäft sind, machen den etablierten Zahlungsabwicklern zunehmend Konkurrenz. Derweil sind in China WeChat Pay (Teil des Tencent-Konzerns) und Alipay (Teil des Alibaba-Konzerns) nicht mehr einzuholen.

Das Geschäft verlagert sich immer mehr zum kontaktlosen Zahlen mittels Smartphone. Angesichts von über fünf Milliarden Menschen weltweit, die bereits heute ein solches Gerät besitzen, ergibt sich daraus ein enormes Wachstumspotenzial für die genannten Bezahldienste. Die Zukunft verheißt: Plastikkarte und PIN ade. Stattdessen: Zahlen auf Knopfdruck im Vorbeigehen. Der umtriebige Jeff Bezos, Chef von Amazon, dem größten Händler der Welt, hat diesem Geschäft vor Kurzem sogar seine Ehe geopfert.

Als Vorbild wird uns vonseiten der Zahlungsabwickler und ihrer Einflüstgerer immer wieder Schweden serviert. Klar, wenn ein Protagonist der immer noch populären Gesangsgruppe Abba die Trommel für das bargeldlose Zahlen rührt, kommt das als Botschaft besonders positiv an.

Doch dahinter steckt eine große Versuchung, die den Finanzkonzernen im wahrsten Sinn des Wortes in die Karten spielt: Bargeldzahler gehen mit ihrem Geld in der Brieftasche oder im Portmonee erfahrungsgemäß diszipliniert um, weil sie es nur begrenzt bei sich führen. Dagegen lassen sich Karten- und Knopfdruckzahler zu größeren Einkäufen verführen, weil sie mit ihrem Plastikgeld oder Smartphone größere Einkäufe stemmen können, im Zweifel sogar auf Kredit - die Targobank lässt grüßen.

Bei aller Liebe zum Bargeld: Die Deutschen nehmen das Zahlen mit dem Smartphone immer mehr an. Waren es vor drei Jahren erst etwa 300.000 Zahlungen, so gehen die Schätzungen für das laufende Jahr schon von 3,5 Millionen aus. Es sind vor allem junge Leute, die diesen Weg nutzen. Sie sind mit dem Smartphone groß geworden und nehmen jetzt die nächste Bastion in Angriff: die App. Einer der Vorreiter ist hier Amazon Go. Das Ganze geht so vonstatten: Die Identifikation per App findet am Eingang eines Geschäfts statt. Dann sorgen Sensoren dafür, dass Kunden den richtigen Betrag für den Einkauf zahlen, fertig.

Da fragt man sich, warum deutsche Banken und Sparkassen nicht längst darauf gekommen sind, adäquat zu verfahren, indem sie ihre Kunden zum Beispiel häufiger zu einem Gespräch einladen. Schließlich verfügen sie ja über jede Menge an Daten ihrer Kunden: Sie kennen deren Vermögen, laufende Einnahmen und Ausgaben, Zahlungsgewohnheiten, Kreditwünsche und Vieles mehr.

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Statt sich strategisch neu auszurichten, sind die deutschen Institute überwiegend damit beschäftigt, ihre Altlasten beiseite zu räumen. Das symbolische Ergebnis offenbart sich im peinlichen, zum Glück gescheiterten Versuch, aus Deutscher Bank und Commerzbank einen globalen Champion zu machen.

Für die großen amerikanischen Internet- und Plastikgeldkonzerne bedeuten Daten ganz einfach Geld. Daraus folgt, dass sie unter anderem auch alles versuchen, um die Vorliebe der Deutschen fürs Bargeld lächerlich erscheinen zu lassen. Dabei kommen ihnen nicht nur die IWF-Volkswirte mit ihren Anti-Bargeld-Kampagnen entgegen, sondern - wenngleich ungewollt - auch die schlafmützigen deutschen Bank- und Sparkassenchefs. Ich betone ausdrücklich, dass diese Aussage sich bar jeder Verschwörungsthese aus dem reinen Sachverhalt ergibt.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Macht Geld glücklich?


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