Kevin Kühnert, der Lehrling von Karl Marx
05.05.2019 | Manfred Gburek
Meine Achtung gilt dem Juso-Chef Kevin Kühnert - einerseits, denn er hat es durch wenige Aussagen geschafft, was den meisten anderen Politikern nicht gelang: Den von fast allen Parteien bis vor wenigen Tagen schlappen, mit nichtssagenden bis dämlichen Parolen geführten Europa-Wahlkampf kräftig zu beleben. Allerdings gehört Kühnert auch ordentlich kritisiert - andererseits, denn seine Aussagen, zum Beispiel über den Autokonzern BMW und über Vermieter, sind überwiegend dummes Zeug.
Man muss sich ernsthaft fragen, warum die Diskussion über die Thesen des Juso-Chefs so heftig geführt wird, dass sogar die monatelange Charme-Offensive des Grünen-Chefs Robert Habeck auf einmal medial in den Hintergrund gerät. Bei der Suche nach einer plausiblen Antwort kommt kein Geringerer als Karl Marx ins Spiel, brillanter Vordenker (jedoch schlechter Prognostiker) des Sozialismus. Er hat noch nichts von den heutigen überforderten, mit Hungerlöhnen abgespeisten Paketlieferanten gewusst. Aber er hat deren Vorgänger, von ihm einfach nur "Arbeiter" genannt, bereits treffend beschrieben. Deshalb folgt hier ein kurzer Auszug aus seiner Reihe "Ökonomisch-philosophische Manuskripte":
"Aus der Nationalökonomie selbst, mit ihren eigenen Worten, haben wir gezeigt, dass der Arbeiter zur Ware und zur elendsten Ware herabsinkt, dass das Elend des Arbeiters im umgekehrten Verhältnis zur Macht und zur Größe seiner Produktion steht, dass das notwendige Resultat der Konkurrenz die Akkumulation des Kapitals in wenigen Händen, also die fürchterlichere Wiederherstellung des Monopols ist, dass endlich der Unterschied von Kapitalist und Grundrentner wie Ackerbauer und Manufakturarbeiter verschwindet und die ganze Gesellschaft in die beiden Klassen der Eigentümer und der eigentumslosen Arbeiter zerfallen muss."
Hätte die SPD von Karl Marx gelernt, wäre sie bei ihren Wahlkämpfen während der vergangenen Jahre stärker auf die finanziell benachteiligten Bevölkerungsschichten zugegangen, um aus deren Kreisen mehr Wähler zu gewinnen. Stattdessen biederte sie sich der CDU an und stieg in die Große Koalition ein. Das war ihr Fehler. Denn in der Großen Koalition galt das, was die Machtfrau Angela Merkel befahl, von der Aufteilung der Ressorts bis zu Energiewende, den politischen Linksrutsch zugunsten der CDU inbegriffen.
Warum war - und ist weiterhin - die Reaktion auf die Thesen von Kevin Kühnert so heftig? Ganz einfach. Erstens: Weil er es im Gegensatz zum Berliner Parteien-Establishment von Schwarz bis Rot geschafft hat, das komplexe Thema Umverteilung mit wenigen markigen Sprüchen auf den Punkt zu bringen. Dazu nur ein Beispiel: "Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten."
Zweitens: Weil die im Umfragetief steckende SPD dank des Juso-Chefs - Erholung aus dem Tief vorausgesetzt - die Chance hätte, zu punkten und zusammen mit den Grünen und Linken die nächste Bundesregierung zu bilden. Die Umfragewerte zu einer derartigen rot-rot-grünen Koalition bewegen sich aktuell immerhin zwischen 45 und 46 Prozent.
Insofern verspricht die für den 26. Mai anstehende Europawahl mitsamt einigen weiteren Wahlen anders als früher besonders spannend zu werden. Das auch deshalb, weil schon ein einziger Begriff weiter für besonders viel Zündstoff sorgen wird: Enteignung. Er durchzieht unterschwellig den ganzen Wahlkampf. Wer sich als Eigentümer eines größeren Vermögens der Illusion hingibt, von einer möglichen Enteignung verschont zu werden, sollte mal darüber nachdenken, welche Möglichkeiten der Staat hat oder in Zukunft haben wird, seinen Bürgern das Geld legal aus der Tasche zu ziehen. Dazu nur die folgenden Beispiele:
Die derzeit heiß diskutierte Reform der Grundsteuer wird erhebliche Verluste bestimmter Eigentümer von Immobilien nach sich ziehen - welcher Eigentümer, dürfte wegen der komplizierten Materie noch bis zum Jahresende verhandelt werden.
Danach sind die Reform der Erbschaftsteuer und die Pläne zur Einführung einer Vermögensteuer an der Reihe.
Wie das Beispiel Tübingen mit dem grünen Oberbürgermeister Boris Palmer zeigt, ist ein Bauzwang denkbar, auch wenn er in Anbetracht der aktuellen Immobilienblase keinen Sinn ergibt.
Die Reform der Mietpreisbremse geht zulasten der Vermieter.
Kommunen führen zunehmend die Zweitwohnungssteuer ein, seit Jahresbeginn zum Beispiel Frankfurt am Main.
Null- und Negativzinsen werden auch in Zukunft am Geldvermögen der Bundesbürger nagen - wegen der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die dazu führt, dass der Staat sich zinslos verschulden kann.
Die Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Wertpapiererträge und ihr Ersatz durch die für viele Anleger ungünstigere Besteuerung nach dem persönlichen Einkommensteuertarif ist ein beliebtes Thema unter Politikern der links orientierten Parteien.
Obwohl Aktien wegen ihrer Doppelbesteuerung diskriminiert werden, wollen der deutsche Finanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire eine neue Aktiensteuer einführen.
Der Soli bleibt trotz gegenteiliger Beteuerungen des einen oder anderen Politikers erhalten.
Zu guter Letzt: Geht es um die Durchsetzung ihrer Interessen, dient manchen linken Politikern sogar Artikel 14 Grundgesetz als Vorwand, um reiche Bundesbürger zu enteignen. Heißt es doch in Absatz 2 dieses Artikels: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
Alles halb so schlimm, denken die Optimisten, die Wogen werden sich schon wieder glätten. Das sehe ich anders. Nehmen wir dazu nur die folgenden Aussagen von Kühnert: "Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar. Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt."
Seine Kritiker - auch in der SPD - haben den Juso-Chef viel zu voreilig als linken Spinner abgetan. Auch das sehe ich anders. Denn er hat aus dem Stand ein ganz neues Klima erzeugt, für das ein Wort steht: Umverteilung. Die aufgeregte und vor allem umfangreiche Diskussion seiner Thesen belegt doch deutlich, dass sich große Teile der deutschen Bevölkerung angesprochen fühlen, egal, ob sie Kühnerts Thesen folgen oder nicht. Um es historisch zu umschreiben: Der Juso-Chef will das Werk von Karl Marx vollenden.
Aus alldem ist dieses Fazit zu ziehen: Nehmen Sie Kühnerts Aussagen ernst und ordnen Sie Ihre Finanzen rechtzeitig so, dass seine Sympathisanten Ihnen möglichst wenig von Ihren Ersparnissen wegnehmen können.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Die Schwachstellen der deutschen Autoindustrie und ihre Folgen
Man muss sich ernsthaft fragen, warum die Diskussion über die Thesen des Juso-Chefs so heftig geführt wird, dass sogar die monatelange Charme-Offensive des Grünen-Chefs Robert Habeck auf einmal medial in den Hintergrund gerät. Bei der Suche nach einer plausiblen Antwort kommt kein Geringerer als Karl Marx ins Spiel, brillanter Vordenker (jedoch schlechter Prognostiker) des Sozialismus. Er hat noch nichts von den heutigen überforderten, mit Hungerlöhnen abgespeisten Paketlieferanten gewusst. Aber er hat deren Vorgänger, von ihm einfach nur "Arbeiter" genannt, bereits treffend beschrieben. Deshalb folgt hier ein kurzer Auszug aus seiner Reihe "Ökonomisch-philosophische Manuskripte":
"Aus der Nationalökonomie selbst, mit ihren eigenen Worten, haben wir gezeigt, dass der Arbeiter zur Ware und zur elendsten Ware herabsinkt, dass das Elend des Arbeiters im umgekehrten Verhältnis zur Macht und zur Größe seiner Produktion steht, dass das notwendige Resultat der Konkurrenz die Akkumulation des Kapitals in wenigen Händen, also die fürchterlichere Wiederherstellung des Monopols ist, dass endlich der Unterschied von Kapitalist und Grundrentner wie Ackerbauer und Manufakturarbeiter verschwindet und die ganze Gesellschaft in die beiden Klassen der Eigentümer und der eigentumslosen Arbeiter zerfallen muss."
Hätte die SPD von Karl Marx gelernt, wäre sie bei ihren Wahlkämpfen während der vergangenen Jahre stärker auf die finanziell benachteiligten Bevölkerungsschichten zugegangen, um aus deren Kreisen mehr Wähler zu gewinnen. Stattdessen biederte sie sich der CDU an und stieg in die Große Koalition ein. Das war ihr Fehler. Denn in der Großen Koalition galt das, was die Machtfrau Angela Merkel befahl, von der Aufteilung der Ressorts bis zu Energiewende, den politischen Linksrutsch zugunsten der CDU inbegriffen.
Warum war - und ist weiterhin - die Reaktion auf die Thesen von Kevin Kühnert so heftig? Ganz einfach. Erstens: Weil er es im Gegensatz zum Berliner Parteien-Establishment von Schwarz bis Rot geschafft hat, das komplexe Thema Umverteilung mit wenigen markigen Sprüchen auf den Punkt zu bringen. Dazu nur ein Beispiel: "Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten."
Zweitens: Weil die im Umfragetief steckende SPD dank des Juso-Chefs - Erholung aus dem Tief vorausgesetzt - die Chance hätte, zu punkten und zusammen mit den Grünen und Linken die nächste Bundesregierung zu bilden. Die Umfragewerte zu einer derartigen rot-rot-grünen Koalition bewegen sich aktuell immerhin zwischen 45 und 46 Prozent.
Insofern verspricht die für den 26. Mai anstehende Europawahl mitsamt einigen weiteren Wahlen anders als früher besonders spannend zu werden. Das auch deshalb, weil schon ein einziger Begriff weiter für besonders viel Zündstoff sorgen wird: Enteignung. Er durchzieht unterschwellig den ganzen Wahlkampf. Wer sich als Eigentümer eines größeren Vermögens der Illusion hingibt, von einer möglichen Enteignung verschont zu werden, sollte mal darüber nachdenken, welche Möglichkeiten der Staat hat oder in Zukunft haben wird, seinen Bürgern das Geld legal aus der Tasche zu ziehen. Dazu nur die folgenden Beispiele:
Die derzeit heiß diskutierte Reform der Grundsteuer wird erhebliche Verluste bestimmter Eigentümer von Immobilien nach sich ziehen - welcher Eigentümer, dürfte wegen der komplizierten Materie noch bis zum Jahresende verhandelt werden.
Danach sind die Reform der Erbschaftsteuer und die Pläne zur Einführung einer Vermögensteuer an der Reihe.
Wie das Beispiel Tübingen mit dem grünen Oberbürgermeister Boris Palmer zeigt, ist ein Bauzwang denkbar, auch wenn er in Anbetracht der aktuellen Immobilienblase keinen Sinn ergibt.
Die Reform der Mietpreisbremse geht zulasten der Vermieter.
Kommunen führen zunehmend die Zweitwohnungssteuer ein, seit Jahresbeginn zum Beispiel Frankfurt am Main.
Null- und Negativzinsen werden auch in Zukunft am Geldvermögen der Bundesbürger nagen - wegen der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die dazu führt, dass der Staat sich zinslos verschulden kann.
Die Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Wertpapiererträge und ihr Ersatz durch die für viele Anleger ungünstigere Besteuerung nach dem persönlichen Einkommensteuertarif ist ein beliebtes Thema unter Politikern der links orientierten Parteien.
Obwohl Aktien wegen ihrer Doppelbesteuerung diskriminiert werden, wollen der deutsche Finanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire eine neue Aktiensteuer einführen.
Der Soli bleibt trotz gegenteiliger Beteuerungen des einen oder anderen Politikers erhalten.
Zu guter Letzt: Geht es um die Durchsetzung ihrer Interessen, dient manchen linken Politikern sogar Artikel 14 Grundgesetz als Vorwand, um reiche Bundesbürger zu enteignen. Heißt es doch in Absatz 2 dieses Artikels: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
Alles halb so schlimm, denken die Optimisten, die Wogen werden sich schon wieder glätten. Das sehe ich anders. Nehmen wir dazu nur die folgenden Aussagen von Kühnert: "Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar. Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt."
Seine Kritiker - auch in der SPD - haben den Juso-Chef viel zu voreilig als linken Spinner abgetan. Auch das sehe ich anders. Denn er hat aus dem Stand ein ganz neues Klima erzeugt, für das ein Wort steht: Umverteilung. Die aufgeregte und vor allem umfangreiche Diskussion seiner Thesen belegt doch deutlich, dass sich große Teile der deutschen Bevölkerung angesprochen fühlen, egal, ob sie Kühnerts Thesen folgen oder nicht. Um es historisch zu umschreiben: Der Juso-Chef will das Werk von Karl Marx vollenden.
Aus alldem ist dieses Fazit zu ziehen: Nehmen Sie Kühnerts Aussagen ernst und ordnen Sie Ihre Finanzen rechtzeitig so, dass seine Sympathisanten Ihnen möglichst wenig von Ihren Ersparnissen wegnehmen können.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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