Harakiri des Finanzsystems
12.05.2019 | Manfred Gburek
Donald Trump will als US-Präsident wiedergewählt werden. Diesem Ziel ordnet er alles unter - und mischt sich immer mehr in die Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank Fed ein. Mit gravierenden Folgen auch für Europa und damit für Ihr Geld. Denn Trumps Angriffe gelten längst nicht mehr allein den Exporten deutscher Autos und chinesischer Smartphones in die USA, sondern zunehmend dem ganzen Finanzsystem.
Dazu gehört bekanntlich schon seit Monaten Trumps Angriff gegen Fed-Chef Jerome Powell wegen dessen Weigerung, den Leitzins zu senken. Zu seinem Waffenarsenal neu hinzugekommen ist zunächst der auffällige Schmusekurs gegenüber dem populistischen Teil der oppositionellen Demokraten im amerikanischen Kongress. Darüber hinaus bemüht Trump sich um die wissenschaftliche Absicherung seiner schrägen Thesen - und er hat sie in einer neuen ökonomischen Bewegung gefunden, der sogenannten modernen Geldtheorie. Deren Forderung gipfelt darin, die Zentralbanken sollten Staatsdefizite finanzieren.
Aha, jetzt wissen wir endgültig, woher der Wunsch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rührt, die Schulden der Euroländer mögen doch bitteschön vergemeinschaftet werden. Damit ist Macron in der Eurozone nicht allein. Und wie sieht es global aus? Ähnlich. Dazu nur drei Beispiele: Japan ist bereits vor über sechs Jahren mit der Harakiri-Geldpolitik vorgeprescht - eine Blaupause für andere Länder. Indien hat einige Jahre später nachgezogen. Und die türkische Zentralbank frönt der abartigen Idee, mit Zinssenkungen lasse sich die Inflation in die Schranken weisen.
Jetzt rächt sich, dass die führenden Zentralbanken seit ihrer Gründung unterschiedliche Machtstrukturen aufgebaut haben, sodass die einen sich gegen die Forderungen von Politikern wehren können, die anderen dagegen nicht. Das führt ständig zum Streit um Kompetenzen. Und weil die Geldpolitik ein internationales Phänomen ist, wird dieser Streit auf der Weltbühne ausgefochten.
Spannende Frage: Welches Land, welche Region wird die Oberhand gewinnen? Aus einer aktuellen Studie der EZB geht hervor: Donald Trump mag noch so viel mit Handelssanktionen drohen, am Ende würden die USA im Vergleich zur Eurozone und zu China den Kürzeren ziehen. Dagegen ist Trump vom Gegenteil überzeugt. Er stützt sich unter anderem auf Hochrechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Nun wissen wir, dass der IWF von den USA dominiert wird, weil diese darin über eine Sperrminorität verfügen, dank der sie den IWF und letztlich auch die Weltwirtschaft bis zu einem gewissen Grad nach ihren Zielen beeinflussen können.
Der unberechenbare Trump unternimmt alles, was ihm helfen kann, die nächste Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Also poltert er weiter abwechselnd gegen China und die Eurozone, aber auch gegen seine politischen Gegner und gegen Fed-Chef Powell, den er selbst ins Fed-Amt gehoben hat. Dieses Verhalten hat während der jüngsten IWF-Tagung sogar den gegenüber Aussagen zu Politikern sonst eher zurückhaltenden EZB-Chef Mario Draghi bewogen, seine Sorge über die Unabhängigkeit von Zentralbanken zu äußern.
Denn die vermeintliche Unabhängigkeit ist während der vergangenen Jahre immer mehr zur Farce geworden - nicht zuletzt dadurch, dass zunehmend Politiker aus Regierungen in EZB-Gremien gewechselt sind. Auch von daher erklärt sich der Druck, unter dem Fed, EZB & Co. stehen. Nur, wo verläuft die Trennlinie zwischen Politik- und Geld-Amt? Ein naheliegendes Beispiel: Der jetzige Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann war im Bundeskanzleramt, also in der Politik verankert, bevor er zur EZB wechselte. Hier ist er als strenger Geldpolitiker über alle Zweifel erhaben. Das lässt sich nicht von allen Mitgliedern im EZB-Rat behaupten.
Wer die Finanzmedien und darin speziell die Themen zur Geldpolitik verfolgt, kommt zwangsläufig zum Ergebnis: Der Druck auf die Zentralbanken, die Fünf gerade sein zu lassen, wächst mit rasantem Tempo. Von daher erscheinen ja auch die ständigen Attacken von Trump gegen Powell verständlich. Sie werden von anderen Politikern gern zum Anlass genommen, Trump in puncto Aggressivität noch zu übertrumpfen. Das geht besonders der jetzigen italienischen Regierung locker von der Hand. Dafür spricht ihr jüngster Coup, der versuchte Angriff auf die Goldreserven des Landes.
Wie ist es zu alldem gekommen? Dazu gibt es zwei Antworten, eine historische und eine sie ergänzende, eng mit der Finanzkrise von 2008/09 verbundene. Die historische geht im Wesentlichen auf die 70er und 80er Jahre zurück, als es den Zentralbanken unter Führung der Fed nach einer längeren Zeit mit hoher Inflation gelang, diese zu bändigen. Die Antwort zur Finanzkrise ist zwangsläufig komplexer, weil diese erst noch bewältigt werden muss.
Bildlich gesprochen, schütteten die Zentralbanken seit 2008 Geld aus Kübeln. Sie hörten damit bis heute nicht so richtig auf, auch wenn zuzugeben ist, dass zumindest die Fed sich zwischenzeitlich viel Mühe gab, die Geldflut mithilfe höherer Zinsen einzudämmen. Im Kontrast dazu wird EZB-Chef Draghi als der Zentralbanker, während dessen Amtszeit es in der Eurozone keine einzige Zinserhöhung gab, in die Geschichte eingehen. Derweil bleibt sein Kaufprogramm für Anleihen aller Art erhalten, nur dass es nicht weiter ausgedehnt wird.
Die Bekämpfung der Finanzkrise hat sehr viel Geld gekostet, Zahlen von mehreren Billionen Dollar schwirren von Börse zu Börse - aber selten an die Öffentlichkeit, weil sie uns allen einen Schrecken einjagen würden. Längst haben findige Hedgefonds-Manager die Zeichen der Zeit erkannt und Finanzwetten abgeschlossen. Ihre Instrumente, überwiegend Derivate, sind Hochgeschwindigkeits-Teufelszeug. Diesen Managern ist offiziell nicht beizukommen, weil sie in Ländern residieren, die sich längst jeglicher Kontrolle entzogen haben. Von daher gesehen ist die nächste Finanzkrise so gut wie programmiert.
Darauf sind die wenigsten Politiker vorbereitet. Sie haben den Zentralbanken in der Finanzkrise vertraut, das ist gerade noch mal gut gegangen. Aber wie lange? Und ist die aktuelle Kritik an Powell, Draghi & Co. nicht ein Indiz dafür, dass Politiker die Schuldigen an der nächsten Krise bereits ausgemacht haben? Diese Krise wird nicht auf die Finanzen beschränkt bleiben, sondern auf die Realwirtschaft übergreifen. Lediglich der Zeitpunkt ihres Eintritts ist ungewiss. Allzu lange wird er nicht mehr auf sich warten lassen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Umweltschutz-Aktien mal ganz anders
Dazu gehört bekanntlich schon seit Monaten Trumps Angriff gegen Fed-Chef Jerome Powell wegen dessen Weigerung, den Leitzins zu senken. Zu seinem Waffenarsenal neu hinzugekommen ist zunächst der auffällige Schmusekurs gegenüber dem populistischen Teil der oppositionellen Demokraten im amerikanischen Kongress. Darüber hinaus bemüht Trump sich um die wissenschaftliche Absicherung seiner schrägen Thesen - und er hat sie in einer neuen ökonomischen Bewegung gefunden, der sogenannten modernen Geldtheorie. Deren Forderung gipfelt darin, die Zentralbanken sollten Staatsdefizite finanzieren.
Aha, jetzt wissen wir endgültig, woher der Wunsch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rührt, die Schulden der Euroländer mögen doch bitteschön vergemeinschaftet werden. Damit ist Macron in der Eurozone nicht allein. Und wie sieht es global aus? Ähnlich. Dazu nur drei Beispiele: Japan ist bereits vor über sechs Jahren mit der Harakiri-Geldpolitik vorgeprescht - eine Blaupause für andere Länder. Indien hat einige Jahre später nachgezogen. Und die türkische Zentralbank frönt der abartigen Idee, mit Zinssenkungen lasse sich die Inflation in die Schranken weisen.
Jetzt rächt sich, dass die führenden Zentralbanken seit ihrer Gründung unterschiedliche Machtstrukturen aufgebaut haben, sodass die einen sich gegen die Forderungen von Politikern wehren können, die anderen dagegen nicht. Das führt ständig zum Streit um Kompetenzen. Und weil die Geldpolitik ein internationales Phänomen ist, wird dieser Streit auf der Weltbühne ausgefochten.
Spannende Frage: Welches Land, welche Region wird die Oberhand gewinnen? Aus einer aktuellen Studie der EZB geht hervor: Donald Trump mag noch so viel mit Handelssanktionen drohen, am Ende würden die USA im Vergleich zur Eurozone und zu China den Kürzeren ziehen. Dagegen ist Trump vom Gegenteil überzeugt. Er stützt sich unter anderem auf Hochrechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Nun wissen wir, dass der IWF von den USA dominiert wird, weil diese darin über eine Sperrminorität verfügen, dank der sie den IWF und letztlich auch die Weltwirtschaft bis zu einem gewissen Grad nach ihren Zielen beeinflussen können.
Der unberechenbare Trump unternimmt alles, was ihm helfen kann, die nächste Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Also poltert er weiter abwechselnd gegen China und die Eurozone, aber auch gegen seine politischen Gegner und gegen Fed-Chef Powell, den er selbst ins Fed-Amt gehoben hat. Dieses Verhalten hat während der jüngsten IWF-Tagung sogar den gegenüber Aussagen zu Politikern sonst eher zurückhaltenden EZB-Chef Mario Draghi bewogen, seine Sorge über die Unabhängigkeit von Zentralbanken zu äußern.
Denn die vermeintliche Unabhängigkeit ist während der vergangenen Jahre immer mehr zur Farce geworden - nicht zuletzt dadurch, dass zunehmend Politiker aus Regierungen in EZB-Gremien gewechselt sind. Auch von daher erklärt sich der Druck, unter dem Fed, EZB & Co. stehen. Nur, wo verläuft die Trennlinie zwischen Politik- und Geld-Amt? Ein naheliegendes Beispiel: Der jetzige Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann war im Bundeskanzleramt, also in der Politik verankert, bevor er zur EZB wechselte. Hier ist er als strenger Geldpolitiker über alle Zweifel erhaben. Das lässt sich nicht von allen Mitgliedern im EZB-Rat behaupten.
Wer die Finanzmedien und darin speziell die Themen zur Geldpolitik verfolgt, kommt zwangsläufig zum Ergebnis: Der Druck auf die Zentralbanken, die Fünf gerade sein zu lassen, wächst mit rasantem Tempo. Von daher erscheinen ja auch die ständigen Attacken von Trump gegen Powell verständlich. Sie werden von anderen Politikern gern zum Anlass genommen, Trump in puncto Aggressivität noch zu übertrumpfen. Das geht besonders der jetzigen italienischen Regierung locker von der Hand. Dafür spricht ihr jüngster Coup, der versuchte Angriff auf die Goldreserven des Landes.
Wie ist es zu alldem gekommen? Dazu gibt es zwei Antworten, eine historische und eine sie ergänzende, eng mit der Finanzkrise von 2008/09 verbundene. Die historische geht im Wesentlichen auf die 70er und 80er Jahre zurück, als es den Zentralbanken unter Führung der Fed nach einer längeren Zeit mit hoher Inflation gelang, diese zu bändigen. Die Antwort zur Finanzkrise ist zwangsläufig komplexer, weil diese erst noch bewältigt werden muss.
Bildlich gesprochen, schütteten die Zentralbanken seit 2008 Geld aus Kübeln. Sie hörten damit bis heute nicht so richtig auf, auch wenn zuzugeben ist, dass zumindest die Fed sich zwischenzeitlich viel Mühe gab, die Geldflut mithilfe höherer Zinsen einzudämmen. Im Kontrast dazu wird EZB-Chef Draghi als der Zentralbanker, während dessen Amtszeit es in der Eurozone keine einzige Zinserhöhung gab, in die Geschichte eingehen. Derweil bleibt sein Kaufprogramm für Anleihen aller Art erhalten, nur dass es nicht weiter ausgedehnt wird.
Die Bekämpfung der Finanzkrise hat sehr viel Geld gekostet, Zahlen von mehreren Billionen Dollar schwirren von Börse zu Börse - aber selten an die Öffentlichkeit, weil sie uns allen einen Schrecken einjagen würden. Längst haben findige Hedgefonds-Manager die Zeichen der Zeit erkannt und Finanzwetten abgeschlossen. Ihre Instrumente, überwiegend Derivate, sind Hochgeschwindigkeits-Teufelszeug. Diesen Managern ist offiziell nicht beizukommen, weil sie in Ländern residieren, die sich längst jeglicher Kontrolle entzogen haben. Von daher gesehen ist die nächste Finanzkrise so gut wie programmiert.
Darauf sind die wenigsten Politiker vorbereitet. Sie haben den Zentralbanken in der Finanzkrise vertraut, das ist gerade noch mal gut gegangen. Aber wie lange? Und ist die aktuelle Kritik an Powell, Draghi & Co. nicht ein Indiz dafür, dass Politiker die Schuldigen an der nächsten Krise bereits ausgemacht haben? Diese Krise wird nicht auf die Finanzen beschränkt bleiben, sondern auf die Realwirtschaft übergreifen. Lediglich der Zeitpunkt ihres Eintritts ist ungewiss. Allzu lange wird er nicht mehr auf sich warten lassen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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