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"Rezo", Grata & Co. sind nicht mehr aufzuhalten

26.05.2019  |  Manfred Gburek
Erst Greta Thunberg auf allen Kanälen, dann Kevin Kühnert in der Wochenzeitung "Die Zeit" einschließlich Medienecho wie Donnerhall, jetzt "Rezo" in einem Video auf YouTube mit millionenfachen Klicks und ein weiteres Video - der Aufstand der Jugend gegen das politische und ökonomische Establishment zeigt Wirkung. Allerdings mehr in den Medien als bei den Betroffenen, die noch gar nicht richtig erkannt haben, dass sie mit so etwas wie einer friedlichen Revolution konfrontiert werden, einem Umbruch, gegen den sich 68er-Bewegung im Nachhinein wie ein Kindergeburtstag ausnimmt.

Am vergangenen Freitag erreichte die "Fridays For Future"-Bewegung ihren vorläufigen Höhepunkt, denn sie fand global statt. Damit ich besser verstehen konnte, was da abläuft, habe ich mich in Frankfurt unter die protestierenden Akteure gemischt und mit ihnen diskutiert - oder treffender formuliert: Mir angehört, dass Kohle schlecht und Ökostrom gut ist, basta, ohne Wenn und Aber.

Mein wiederholter Eindruck: Es handelt sich um eine nicht mehr aufzuhaltende Massenbewegung, unter anderem "Direkt finanziert aus Anlageverkäufen der EU-Investitionsbank, ohne neue Steuern oder Steuererhöhungen für Bürger*innen!" So stand es auf einem der vielen Handzettel, garniert mit dem Porträt des früheren griechischen Kurzzeit-Finanzministers Yanis Varoufakis, der dem damaligen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble einst während der Griechenland-Krise massenhaft Geld aus der Tasche gezogen hatte.

Bleiben wir noch kurz beim 26-jährigen "Rezo". Seine 55-minütige Video-Wutrede vom 18. Mai war immerhin auch der Tagesschau einen Beitrag wert - mit merklicher Verzögerung erst am 23. Mai. Die Reaktionszeit der Betroffenen, in erster Linie die der CDU, ließ ähnlich lange auf sich warten. Sie war amateur- bis stümperhaft. Keine Frage, "Rezo" traf den Nerv der Zeit mit seinem temperamentvollen Plädoyer für mehr Bildung und Umweltschutz, gegen die Schere zwischen Arm und Reich, gegen die Verlogenheit vieler Politiker und gegen die amerikanische Raketenabschussbasis in Ramstein.

Keine Frage, das Establishment dürfte auf Greta, Kevin, "Rezo" und all die anderen Aktivisten, die sich demnächst immer mehr in den Vordergrund drängen werden, so reagieren wie immer, wenn es einem Angriff ausgesetzt war: Es wird sich aufgrund der Erfahrungen in den vergangenen Jahrzehnten mehrheitlich darauf verlassen, dass aus protestierenden Jugendlichen in der Regel über kurz oder lang Opportunisten verwandeln. Die Bewegung der sogenannten 68er hat das besonders deutlich gemacht. Viele von ihnen haben beachtliche Karrieren gemacht, noch mehr sind allerdings zu Spießern geworden.

Bleibt am Ende also doch alles beim Alten? Da sind erhebliche Zweifel angebracht. Zitieren wir zwei mit politischen Themen vertraute Zeitzeugen. Zunächst Roland Tichy in der aktuellen Ausgabe von "Tichys Einblick": "Die "Europawahl" ist eine Hochstapelei. Die letztlichen Entscheidungen werden vom Europäischen Rat getroffen, der Runde der Regierungschefs der (noch) 28 Mitgliedsländer. Deswegen beunruhigen die Wahlen die Parteien auch nicht sonderlich: Die SPD entsorgt damit die überforderte Justizministerin Katarina Barley nach Brüssel, die Union stellt Manfred Weber auf, der sich bleibende politische Verdienste als Bezirksvorsitzender der CSU in Niederbayern erworben hat und als netter Kerl gilt."

Nun zu Jan Fleischhauer mit einem Auszug aus seinem aktuellen Kommentar in "Spiegel Online": "Wer bei einer europäischen Institution beschäftigt ist, der ist von der nationalen Steuerpflicht befreit. Überall gilt der Steuerflüchtling als übler Gesell, dem man das Handwerk legen sollte. Nur in der EU-Bürokratie beherrscht man das Kunststück, von einer Steuertreue zu leben, die man selbst missachtet. Mit Jean-Claude Juncker steht schließlich ein Mann an der Spitze, der in seiner Zeit als Regierungschef dafür gesorgt hat, dass sein Land die Cayman-Islands von Europa wurde. Wer sein Geld vor dem Finanzamt in Sicherheit bringen will, ist in Luxemburg an der richtigen Adresse."

Allein das ist schon so aufregend, dass es nicht oft genug von den Medien aufs Korn genommen werden kann. Doch alle Kritik scheint an der von den 68ern stark geprägten EU-Bürokratie abzuprallen. Warum? Weil man sich offenbar daran gewöhnt hat, dass es in Brüssel nicht mit rechten Dingen zugeht. So etwas stumpft sogar die schärfsten Kritiker ab. Von daher gesehen müsste eine neue Initiative her, mit einem großen Überraschungspotenzial vergleichbar dem des Aktivisten-Trios "Rezo"/Greta/Kühnert und mithilfe relevanter Medien, seien es Zeitungen und Zeitschriften mit hoher Auflage, sei es das Fernsehen, sei es das Internet mit YouTube und weiteren Kanälen.

Eine solche Initiative gibt es bereits, und zwar in Frankreich: die Gelbwesten. Präsident Emmanuel Macron hatte Reformen angekündigt, die vielen Franzosen nicht passten, weil sie zu finanziellen Opfern gezwungen werden sollten. Also protestierten sie knallgelb. Das wirkte, und Macron nahm einen Teil seiner Reformen zurück. Der Knackpunkt: Den Franzosen ging es weniger ums Klima (wie Greta) oder um den Kampf gegen unsaubere politische Machenschaften (wie "Rezo"), als um ihren Geldbeutel.

Die Deutschen werden in absehbarer Zeit nachziehen. Protestgruppen tüfteln hierzulande gerade daran herum, mit welchen wirkungsvollen Methoden man Themen wie Umverteilung (von Kühnert propagiert) oder Umweltschutz (von Greta inszeniert) finanziell in Szene setzen könnte. Hier ist nicht der Platz, um die dazu schon bestehenden unzähligen Schubladenpläne auf ihren finanziellen Gehalt hin zu überprüfen.

Nur so viel: Verfolgen Sie die Medien besonders dann ganz genau, wenn sie über brisante Themen berichten, die sich hinter scheinbar technokratischen, in Wahrheit aber brisanten politischen und verwirrenden finanziellen Begriffen verbergen. Eine Auswahl: EU-Haushalt, Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM), Haftungsunion, Abwicklungsfonds, Bankenaufsicht, Strukturreformen, Finanzrahmen, europäische Einlagensicherung.

Das soll fürs Erste reichen. Eines steht jedenfalls fest: In absehbarer Zukunft wird der Bogen von den Finanzen zum Umweltschutz geschlagen, und der kostet sehr viel Geld, auch deutsches Steuergeld.

P.S. In der ersten Ausgabe der vorwöchigen Kolumne ist mir zum Thema Hackerangriffe bedauerlicherweise ein Fehler unterlaufen, den ich hiermit korrigiere. Richtig musste es heißen: "Im selben Acatis-Seminar spendete David Elze von der Firma Code White wenigsten in enem wichtigen Punkt Trost: Nachdem die durchschnittliche Zahl der Tage, bis ein erfolgreicher Hackerangriff entdeckt wird, noch bis 2017 gestiegen war, nahm sie 2018 merklich ab." In der entscheidenden zweiten Ausgabe ist der Text richtig wiedergegeben.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

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