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Die kurzen Beine der Lügner-Kredite

23.03.2007  |  Claus Vogt
- Seite 2 -
Greenspan war ein begeisterter Verfechter von "Subprime Mortgages"

Der geldpolitisch Hauptverantwortliche für die Immobilienblase und die mit ihr zusammenhängenden Exzesse und Fehlentwicklungen ist der ehemalige US-Notenbankpräsident Alan Greenspan. Seine im April 2005 veröffentlichte Beurteilung der oben beschriebenen Veränderungen der Kreditvergabepraxis ist bezeichnend und reiht sich nahtlos in die beeindruckend lange Liste seiner krassen Fehleinschätzung ein. Lesen Sie selbst:

"Innovation has brought about a multitude of new products, such as sub-prime loans and niche credit programs for immigrants. (…) With these advances in technology, lenders have taken advantage of credit-scoring models and other techniques for efficiently extending credit to a broader spectrum of consumers. (…) Where once more-marginal applicants would simply have been denied credit, lenders are now able to quite efficiently judge the risk posed by individual applicants and to price that risk appropriately. These improvements have led to rapid growth in sub-prime mortgage lending (…) fostering constructive innovation that is both responsive to market demand and beneficial to consumers."

(Innovation hat eine ganze Palette neuer Produkte gebracht wie Kredite an schlechte Schuldner und spezielle Kreditprogramme für Einwanderer. Dank dieser technologischen Fortschritte haben Kreditgeber die Vorteile nutzen können, die Modelle zur einfachen Ermittlung der Kreditfähigkeit ebenso bieten wie andere Techniken zur effizienten Kreditvergabe an ein breiteres Konsumentenspektrum. Während früher finanziell schwächeren Kreditnachfragern der Kredit einfach verweigert wurde, sind die Kreditgeber jetzt in der Lage, ziemlich effizient das Risiko einer individuellen Kreditanfrage zu beurteilen und mit einem angemessen Preis zu versehen. Diese Verbesserungen haben zu rapidem Wachstum im Bereich schlechter Schuldner geführt und konstruktive Innovationen gefördert, die sowohl auf die Marktnachfrage eingehen als auch segensreich für den Konsumenten sind.)

Alan Greenspan, April 8th, 2005



Zauberei am US-Hypothekenmarkt

In der Oktober-Ausgabe der Performance habe ich für Sie unter der Überschrift "Ein paar Fakten zum US-Hypothekenmarkt" die wichtigsten Tatsachen zum US-Hypothekenmarkt näher beleuchtet. Unter der Überschrift "Es grenzt an Zauberei" schilderte ich Ihnen dann den Prozess der Erstellung und Verbriefung von Hypothekenpools, die in den vergangenen Jahren ein geradezu dramatisches Wachstum erlebten.

Wie durch Zauberhand wird aus einer Vielzahl von Krediten mit Ratings von BBB oder BBB- ein Hypothekenpool, der von den Ratingagenturen zu rund 75% mit AAA, zu 12% mit AA, zu 4% mit A, zu 4% mit BBB und zu 5% mit Eigenkapital bewertet wird. Den Stresstest einer Rezession haben diese Konstruktionen bisher nicht erlebt, geschweige denn das Platzen einer Immobilienblase. Es bleibt also überaus spannend, wie es diesen Pools in schwierigen Zeiten ergehen wird. Sie können diesen Artikel sowie alle bisher erschienenen Ausgaben der Performance übrigens in unserem Archiv auf www.effektenbank.de nachlesen.


Die Rolle der Ratingagenturen

Die Ratingagenturen spiel(t)en also eine zentrale Rolle bei der Verwandlung riskanter Einzelkredite in überwiegend als Investmentgrade geratete Hypothekenpools. Die zahlreichen nach demselben Muster wie die Hypothekenpools gestrickten Verbriefungen diverser Kreditportfolios würden ohne die Ratingagenturen nicht existieren - genau so wie die Hypothekenpools selbst.

In der aktuellen Ausgabe von Grant’s Interest Rate Observer weisen die klugen Analysten darauf hin, dass den Ratingagenturen auch bei den bestehenden Pools die zentrale Rolle zukommt. Denn die Agenturen beobachten, analysieren und bewerten die Pools auch während ihrer Laufzeit. Mit der Herabstufung eines Kreditratings gehen sie allerdings sehr vorsichtig um, insbesondere dann, wenn die Pools noch relativ jung sind. Da die riskantesten Hypothekenkredite immer in der Endphase eines Zyklus’ anfallen, führt diese Vorgehensweise zu einem systematischen Aufschub in der Wahrnehmung gestiegener Risiken durch die Agenturen. Und solange die Hypothekenpools nicht mit einem schlechteren Rating versehen werden, stehen sie bei den Investoren mit ihrem vollen, ursprünglichen Wert in den Büchern. Die sich bereits entwickelnde Krise des Sektors "subprime mortgage" wird folglich nicht von einem kontinuierlichen Preisverfall der auf Hypothekenpools basierenden Wertpapiere begleitet. Erst wenn die Ratings zurückgenommen werden, wird es schlagartig zu einer Neubewertung kommen. Grant’s zitiert einen Experten mit der Aussage, er rechne mit Kursabschlägen in der Größenordnung von 50%.


Wen werden die Verluste treffen?

Bekannt ist, dass die Wertpapiere, die aus den hier beschriebenen Kreditpools kreiert wurden, ausschließlich von institutionellen Anlegern gekauft werden. Nicht bekannt ist, wer genau welche Risiken in diesem Bereich auf den Büchern hat. Sind es die Hedgefonds? Pensionskassen? Versicherungen? Banken? Wir werden die Antwort auf diese spannende Frage erst dann erfahren, wenn es zu spät ist und die Verluste eingetreten sind.

Vorsichtige Anleger werden vor diesem Hintergrund vermutlich den gesamten Finanzsektor misstrauisch beäugen. Dies gilt umso mehr, da dieser Sektor dank dem exponentiell gewachsenen Einsatz von Derivaten noch viel unübersichtlicher, um nicht zu sagen unanalysierbar geworden ist als er aufgrund großzügiger Bilanzierungsvorschriften ohnehin schon immer war. Wir leben in wahrhaft spannenden Zeiten.


Nachdem das Kind im Brunnen liegt wird reagiert

Freddie Mac, ein Riese unter den US-Hypothekenbanken, hat am 27. Februar dieses Jahres eine bedeutende Änderung der Geschäftspraxis bekannt gegeben. Die Bankmanager haben beschlossen, ab September 2007 sehr viel restriktiver im "subprime mortgage"-Bereich zu agieren. Etwa die Hälfte der aktuell von Freddie Mac gehaltenen Hypothekenkredite aus dem "subprime"-Bereich würden diese neuen Richtlinien nicht erfüllen.

Mit diesem Richtungswechsel bei der Kreditfähigkeitsprüfung stehen die Manager von Freddie Mac allerdings nicht alleine da, sondern sie sind lediglich ein prominenter Teil eines Sinneswandels, der alle Lemminge, nein, ich meine natürlich die gesamte Branche gleichzeitig ergriffen hat. Statt durch vorausschauendes Agieren wird das Geschäft offensichtlich mit Hilfe des Rückspiegels gesteuert. Da kann man nur hoffen, dass keine Kurve kommt.

Diese Veränderungen, die lediglich eine Rückkehr zu eigentlich ganz normalen Kreditvergabestandards sind, hätten natürlich bereits vor Jahren beschlossen werden müssen, um die offensichtlichen Exzesse am Hypothekenmarkt und die von ihnen ausgehenden Risiken frühzeitig zu unterbinden. Jetzt kommt diese Rückkehr der Vernunft viel zu spät, denn das Kind ist längst in den Brunnen gefallen.


Ein typischer Kreditzyklus

Sie sehen hier übrigens lediglich ein typisches Beispiel für die Zyklik des Kreditgeschäfts. Während der Boomphase scheint die Gier den Verstand dermaßen zu vernebeln, dass auf Risiken kaum noch Rücksicht genommen wird. Großzügige Kreditvergabe selbst an hochriskante Schuldner ist an der Tagesordnung. Erst wenn der Zyklus dreht, kommt es zu einer Rückbesinnung auf bewährte Praktiken. Und später, wenn es die wohlverdienten Verluste hagelt, folgt der Hilferuf an die Zentralbank, die mit frisch kreiertem Geld die Fehler der Bankmanager zudecken soll - moral hazard. Seien Sie versichert, dass dieses in den vergangenen 25 Jahren normal gewordene Muster sich auch in diesem Zyklus wiederholen wird. Und vergessen Sie nicht, dass die Hauptverantwortlichen dieser Missstände die Notenbanker sind.

Diesen traurigen Zyklus konnten Sie letztmals während des Technologie- und Telekommunikationsbooms um die Jahrtausendwende beobachten. Damals wurden selbst an Unternehmen mit offensichtlich absurden Geschäftsmodellen großzügige Kredite vergeben. Die Folgen dieses Booms sind Ihnen sicherlich noch in bester Erinnerung.

Ein weiteres Beispiel ist der erste große Junkbondboom Ende der 80er Jahre. Damals tauschten zahlreiche Manager des amerikanischen Sparkassensektors zunächst ihren Verstand gegen Gier ein, bevor sie ihren Vorstandsposten an einen Konkursverwalter verloren. Und Ende der 70er Jahre waren es Großkredite an Entwicklungsländer, die den Bankmanagern zunächst den Verstand und später den Schlaf raubten.

Dieses stets wiederkehrende, zyklische Spektakel wird sicherlich auch in Zukunft stattfinden und zu unserer Erheiterung beitragen. Schade nur, dass die Notenbanken regelmäßig dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für ihre Fehler nicht bezahlen müssen, sondern die Rechnung mit Hilfe der Gelddruckmaschine auf die vollkommen unbeteiligte Allgemeinheit abgewälzt wird.




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