Klimaretter wollen an Ihr Geld
30.06.2019 | Manfred Gburek
Durch Deutschland gehen mehrere tiefe Risse. Nur zwei aktuelle Beispiele: Die immer stärker werdende Spaltung zwischen den "Weiter so" - und den Aufbruch-Politikern in der GroKo sowie zuletzt die kontroverse Diskussion über den oder die möglichen Attentäter im Mordfall Walter Lübcke. Und schon bahnen sich von der Öffentlichkeit noch nicht beachtete Risse der ganz besonderen Art an, die auf Umwegen gravierende Folgen für Ihr Geld haben können. Beginnen wir mit zwei scheinbar harmlosen Meldungen. Die Börsen-Zeitung, Kultmedium der Finanzszene, schreibt keck und gar nicht im Sinn der Klimaschützer:
"Der internationale Bilanz-Standardsetzer IASB will sich ungeachtet der Diskussionen über Nachhaltigkeit und Klimaschutz auch künftig auf die reine Finanzberichterstattung konzentrieren. Auch der deutsche Bilanz-Standardisierer, das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC), sieht sich derzeit nicht berufen, den Klimaschutz über eigene Bilanzierungsregeln in die Zahlenwerke zu holen."
Doch die nachhaltig-grünen Einschläge kommen trotzdem immer näher, ihre Initiatoren lassen einfach nicht locker. Es braucht nur ein wenig Phantasie, um sich vorzustellen, was daraus folgen kann: Grüne Klimaschutz-Standards als Kapitallenkungs-Instrumente, zunächst zwar nur über öffentlich kaum beachteten bilanziellen Kleinkram, etwa freiwillige Ökobilanzen, aber schon bald danach staatliche Subventionen für "gute" Aktien, Anleihen, Fonds und sonstige Finanzinstrumente, begleitet von Strafen für Konzerne, die Öl fördern und weiterverarbeiten oder die nach Edelmetallen und Rohstoffen schürfen lassen.
Die Klimaretter werden massiv unterstützt vom Network for Greening the Financial System (NGFS). Dieses Netzwerk vereinigt Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. Es hat 40 Mitglieder aus allen Kontinenten und nennt sich schon "Koalition der Willigen".
Die Bundesbank mischt kräftig mit. Ihre Vorstandsfrau Sabine Mauderer klärt auf: "Als Fiskalagent verwaltet die Bundesbank seit mehr als zehn Jahren für einige Bundesländer sowie für die Bundesregierung eine Reihe großer Pensionsportfolios. Vier der 16 Portfolios entsprechen bereits einem ESG-Ansatz oder sind in grüne Anleihen investiert. Der Gesamtwert dieser Portfolios liegt im hohen einstelligen Milliardenbereich und dürfte sich in nächster Zeit weiter erhöhen." ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung).
Dann wird es skurril: "In Bezug auf ESG-Kriterien gibt es kein Patenrezept. Vielmehr wird jeder Investor für sich selbst eine Reihe von ESG-Kriterien festlegen, die den eigenen Wertvorstellungen entsprechen." Das schreibt der erstaunten Investorenwelt Bundesbankerin Mauderer tatsächlich ins Stammbuch. Also flott mal eben ein paar Kriterien erfunden, ihr Fondsmanager und Family Offices, und schon seid ihr nachhaltig, grün, sozial oder einfach nur gute Menschen, mögen die Ergebnisse eurer Arbeit alles als gut sein.
Mauderer setzt noch einen drauf: "Ausgehend von einer passiven Anlagestrategie kombinieren wir verschiedene Best-in-Class-Ansätze mit zusätzlichen Ausschlusskriterien." Best-in-Class, das klingt zunächst verlockend, ist in Wahrheit jedoch absurd: Man stelle sich nur vor, Daimler oder BMW schneide bei einem Abgastest als Klassenbester ab. Ökologisch gesehen ist ein solches Ergebnis wertlos, denn beide Konzerne produzieren weiter Abgase. Ob es aus ökonomischer Sicht etwas zu bedeuten hat, ist zweifelhaft. Denn mehr oder weniger niedrige Abgaswerte sind nur eines von mehreren Dutzend oder sogar Hunderten von Kriterien, auf die Finanzanalysten und Manager von Aktienfonds ihr Augenmerk richten.
Grüne Anleihen sind ein Spezialfall, dem die Bundesbank viel Aufmerksamkeit widmet. Das ist nur allzu verständlich, wird damit dem Staat doch Tür und Tor für die Finanzierung seiner Ausgaben geöffnet. Es gebe "verschiedene Modelle und unterschiedliche Vorstellungen dazu, wie ein solcher Green Bund aussehen kann", verlautet aus der Bundesbank.
"Die Herausforderung wird darin liegen, ein solches Papier am Markt zu etablieren, ohne die hohe Liquidität konventioneller Bundesanleihen am Sekundärmarkt zu beeinträchtigen." Nach den aktuellen Erfahrungen anderer Emittenten mit hoher Bonität sei allerdings davon auszugehen, „"dass eine grüne Bundesanleihe auf rege Nachfrage stoßen würde".
Nichts gegen ethisch-moralische Grundsätze bei der Kapitalanlage, sofern sie präzise definiert sind. Aber sie müssen klar statt wischiwaschi sein. Daran scheitern bislang die meisten Vorschläge der vermeintlichen Klimaretter. Warum, deutet Felix Hufeld, Präsident der deutschen Finanzaufsicht BaFin, wie folgt:
"Von der Finanzwirtscahft wird zunehmend erwartet, dass sie den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft finanziert. Eine Rolle, die ihr angesichts ihres dienenden Charakters gut zu Gesicht stünde, sagt der Nachhaltigkeitsverfechter in mir. Der Ökonom in mir befürchtet die Fehlallokation von Kapital, der Verbraucherschützer sorgt sich um die Vermengung individueller Investitionsmotive. Der Finanzaufseher in mir warnt: Wer Investitionen oder Kreditvergaben privilegiert, ohne auf die Risiken zu achten, legt den Grundstein für die nächste Krise - und erweist der für uns alle existenziell wichtigen Nachhaltigkeit einen Bärendienst. So viel ist sicher: Der Weg in die nachhaltige Finanzwirtschaft ist lang."
Nach der Europawahl hat der Weg sich allerdings verkürzt. Denn die Zahl der Abgeordneten von Grünen/Europäischer Freier Allianz ist im Vergleich zur vorangegangenen Europawahl schlagartig von 52 auf 75 gesprungen, und das über die EU-Länder breiter verteilt als zuvor. Daraus folgt: Die neue Europäische Kommission kann in nächster Zeit nur unter kräftiger Mithilfe der Grünen gebildet werden.
Die vermeintlichen Klimaretter werden ihre Chance wahrnehmen, um grüne Kapitalanlagen zu puschen, auch wenn diese weder den eingangs genannten bilanziellen Standards noch den Vorstellungen von BaFin-Präsident Hufeld entsprechen. Wenn Ihnen in nächster Zeit von interessierter Seite Anleihen, Fonds, Aktien oder sonstige Kapitalanlagen mit Schlagworten wie nachhaltig, grün oder öko schmackhaft gemacht werden, prüfen Sie sie besonders gründlich, denn hinter ihnen könnten Luftnummern stecken.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Streifzug durch den Fondsdschungel
"Der internationale Bilanz-Standardsetzer IASB will sich ungeachtet der Diskussionen über Nachhaltigkeit und Klimaschutz auch künftig auf die reine Finanzberichterstattung konzentrieren. Auch der deutsche Bilanz-Standardisierer, das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC), sieht sich derzeit nicht berufen, den Klimaschutz über eigene Bilanzierungsregeln in die Zahlenwerke zu holen."
Doch die nachhaltig-grünen Einschläge kommen trotzdem immer näher, ihre Initiatoren lassen einfach nicht locker. Es braucht nur ein wenig Phantasie, um sich vorzustellen, was daraus folgen kann: Grüne Klimaschutz-Standards als Kapitallenkungs-Instrumente, zunächst zwar nur über öffentlich kaum beachteten bilanziellen Kleinkram, etwa freiwillige Ökobilanzen, aber schon bald danach staatliche Subventionen für "gute" Aktien, Anleihen, Fonds und sonstige Finanzinstrumente, begleitet von Strafen für Konzerne, die Öl fördern und weiterverarbeiten oder die nach Edelmetallen und Rohstoffen schürfen lassen.
Die Klimaretter werden massiv unterstützt vom Network for Greening the Financial System (NGFS). Dieses Netzwerk vereinigt Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. Es hat 40 Mitglieder aus allen Kontinenten und nennt sich schon "Koalition der Willigen".
Die Bundesbank mischt kräftig mit. Ihre Vorstandsfrau Sabine Mauderer klärt auf: "Als Fiskalagent verwaltet die Bundesbank seit mehr als zehn Jahren für einige Bundesländer sowie für die Bundesregierung eine Reihe großer Pensionsportfolios. Vier der 16 Portfolios entsprechen bereits einem ESG-Ansatz oder sind in grüne Anleihen investiert. Der Gesamtwert dieser Portfolios liegt im hohen einstelligen Milliardenbereich und dürfte sich in nächster Zeit weiter erhöhen." ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung).
Dann wird es skurril: "In Bezug auf ESG-Kriterien gibt es kein Patenrezept. Vielmehr wird jeder Investor für sich selbst eine Reihe von ESG-Kriterien festlegen, die den eigenen Wertvorstellungen entsprechen." Das schreibt der erstaunten Investorenwelt Bundesbankerin Mauderer tatsächlich ins Stammbuch. Also flott mal eben ein paar Kriterien erfunden, ihr Fondsmanager und Family Offices, und schon seid ihr nachhaltig, grün, sozial oder einfach nur gute Menschen, mögen die Ergebnisse eurer Arbeit alles als gut sein.
Mauderer setzt noch einen drauf: "Ausgehend von einer passiven Anlagestrategie kombinieren wir verschiedene Best-in-Class-Ansätze mit zusätzlichen Ausschlusskriterien." Best-in-Class, das klingt zunächst verlockend, ist in Wahrheit jedoch absurd: Man stelle sich nur vor, Daimler oder BMW schneide bei einem Abgastest als Klassenbester ab. Ökologisch gesehen ist ein solches Ergebnis wertlos, denn beide Konzerne produzieren weiter Abgase. Ob es aus ökonomischer Sicht etwas zu bedeuten hat, ist zweifelhaft. Denn mehr oder weniger niedrige Abgaswerte sind nur eines von mehreren Dutzend oder sogar Hunderten von Kriterien, auf die Finanzanalysten und Manager von Aktienfonds ihr Augenmerk richten.
Grüne Anleihen sind ein Spezialfall, dem die Bundesbank viel Aufmerksamkeit widmet. Das ist nur allzu verständlich, wird damit dem Staat doch Tür und Tor für die Finanzierung seiner Ausgaben geöffnet. Es gebe "verschiedene Modelle und unterschiedliche Vorstellungen dazu, wie ein solcher Green Bund aussehen kann", verlautet aus der Bundesbank.
"Die Herausforderung wird darin liegen, ein solches Papier am Markt zu etablieren, ohne die hohe Liquidität konventioneller Bundesanleihen am Sekundärmarkt zu beeinträchtigen." Nach den aktuellen Erfahrungen anderer Emittenten mit hoher Bonität sei allerdings davon auszugehen, „"dass eine grüne Bundesanleihe auf rege Nachfrage stoßen würde".
Nichts gegen ethisch-moralische Grundsätze bei der Kapitalanlage, sofern sie präzise definiert sind. Aber sie müssen klar statt wischiwaschi sein. Daran scheitern bislang die meisten Vorschläge der vermeintlichen Klimaretter. Warum, deutet Felix Hufeld, Präsident der deutschen Finanzaufsicht BaFin, wie folgt:
"Von der Finanzwirtscahft wird zunehmend erwartet, dass sie den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft finanziert. Eine Rolle, die ihr angesichts ihres dienenden Charakters gut zu Gesicht stünde, sagt der Nachhaltigkeitsverfechter in mir. Der Ökonom in mir befürchtet die Fehlallokation von Kapital, der Verbraucherschützer sorgt sich um die Vermengung individueller Investitionsmotive. Der Finanzaufseher in mir warnt: Wer Investitionen oder Kreditvergaben privilegiert, ohne auf die Risiken zu achten, legt den Grundstein für die nächste Krise - und erweist der für uns alle existenziell wichtigen Nachhaltigkeit einen Bärendienst. So viel ist sicher: Der Weg in die nachhaltige Finanzwirtschaft ist lang."
Nach der Europawahl hat der Weg sich allerdings verkürzt. Denn die Zahl der Abgeordneten von Grünen/Europäischer Freier Allianz ist im Vergleich zur vorangegangenen Europawahl schlagartig von 52 auf 75 gesprungen, und das über die EU-Länder breiter verteilt als zuvor. Daraus folgt: Die neue Europäische Kommission kann in nächster Zeit nur unter kräftiger Mithilfe der Grünen gebildet werden.
Die vermeintlichen Klimaretter werden ihre Chance wahrnehmen, um grüne Kapitalanlagen zu puschen, auch wenn diese weder den eingangs genannten bilanziellen Standards noch den Vorstellungen von BaFin-Präsident Hufeld entsprechen. Wenn Ihnen in nächster Zeit von interessierter Seite Anleihen, Fonds, Aktien oder sonstige Kapitalanlagen mit Schlagworten wie nachhaltig, grün oder öko schmackhaft gemacht werden, prüfen Sie sie besonders gründlich, denn hinter ihnen könnten Luftnummern stecken.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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