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Bundesanleihen und Tulpenzwiebeln

04.08.2019  |  Manfred Gburek
US-Präsident Donald Trump holt bekanntlich gern zu Rundumschlägen aus, abwechselnd gegen Mexiko (mit Erfolg), jetzt gegen China (voraussichtlich ohne Erfolg), zwischendurch gegen Jerome Powell, den Chef der amerikanischen Zentralbank Fed, und gegen die EU, speziell Deutschland (Ende offen). Trump handelt stets nach dem von ihm ausgegebenen Motto "America first". Das wird er ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen. Dem hat die in sich zerstrittene EU nichts Adäquates entgegenzusetzen. Und die Folgen? Trump dürfte sich auch in Zukunft gegen Powell durchsetzen. Also werden die amerikanischen Zinsen weiter fallen; die Eurozinsen sind ja bereits den Abgrund hinabgestürzt und im Minus gelandet. In Finanzkreisen bezeichnet man das als „neue Normalität“. Mehr Zynismus geht nicht.

Dass der Goldpreis vom allgegenwärtigen Durcheinander weiter profitieren dürfte, ist absehbar. Und weil Trump alles daransetzen wird, um den Dollar zu schwächen, damit die US-Konjunktur auch beim Export brummt, ist ein Ende des Goldpreisaufschwungs nicht absehbar - ausgehend von der üblichen Regel: schwacher Dollar = starkes Gold. Anleger sollten sich allerdings daran gewöhnen, dass der Preisaufschwung eher unter erheblichen Schwankungen als in gerader Linie stattfinden wird. Also nichts für schwache Nerven.

Dazu noch ein Rat: Lassen Sie sich nicht durch die täglich von mehreren Seiten abgegebenen Preisprognosen irritieren, denn sie beruhen überwiegend auf der Phantasie derjenigen, die sie verbreiten.

Das folgende Zitat aus einem aktuellen Beitrag von Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit auf goldseiten.de kommentiert den Fed-Zinsentscheid mit einem Fazit, das man ohne Übertreibung als sensationell bezeichnen kann: "Die Zinssenkung zielt darauf ab, eine künftig mögliche Konjunkturkrise abzuwehren, bevor sie überhaupt in Erscheinung getreten ist! Der gegenwärtige Aufschwung soll also mit allen Mitteln in Gang gehalten werden; und Zinsentscheidungen werden durch die erwartete Datenlage, nicht durch die tatsächliche Datenlage getrieben!"

Auch so etwas gehört zur "neuen Normalität". Und die Konsequenzen? Kaum auszudenken, aber womöglich bald Realität - schließlich steht ja in 15 Monaten die US-Präsidentschaftswahl an, und die Vorbereitungen laufen bereits jetzt auf vollen Touren. Zum Beispiel könnte Donald Trump über den Kopf von Jerome Powell hinweg die amerikanische Konjunktur für zu schwach erklären und Powell in die Wüste schicken, falls der die Konjunktur für stark hält.

Europa liegt uns näher als Amerika. Konzentrieren wir uns also auf mögliche Auswüchse einer Euroland-Zinspolitik bei "erwarteter Datenlage" (siehe oben). Diese lässt sich bereits mit einer einzigen Zahl umreißen: 20-jährige Bundesanleihen "rentieren" zu minus 0,1 Prozent. Dazu der Kommentar in einer aktuellen Studie der Fondsgesellschaft DWS mit leicht ironischem Unterton: "Demnach bezahlen die Investoren den deutschen Finanzminister effektiv für das Privileg, dem Land zwei Jahrzehnte lang Geld zu leihen und das selbst ohne den Kaufkraftverlust durch Inflation."

Ja wo sind wir denn? Genau dort, wo derzeit die Spekulation so verführerisch blüht wie einst an der Amsterdamer Börse das Spiel mit Tulpenzwiebeln, das in lauter Pleiten mündete. Und warum endet die Spekulation mit Bundesanleihen noch nicht?

Weil mit Anleihen, nicht allein mit denen des Bundes, Geld zu verdienen ist, je länger die Laufzeit, desto mehr, den fallenden Zinsen und demzufolge spiegelbildlich steigenden Anleihenkursen sei Dank. Optisch zwar nur Kleingeld, aber zum Beispiel für Versicherungskonzerne und sonstige Großanleger mit ihren Milliarden ein lohnenswertes Geschäft. So betrug gemäß der zitierten Studie der Jahresgewinn mit 20-jährigen Bundesanleihen zuletzt 0,6 Prozent, mit 30-jährigen sogar 0,8 Prozent.

In einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hält DWS-Chef Asoka Wöhrmann diese Entwicklung für äußerst kritisch: "Wir erleben Dinge, die wir uns vor einigen Jahren niemals hätten vorstellen können: Negativzinsen auf Einlagen, die Finanzinstitute bei der EZB hinterlegen, und negative Rendien der Bundesanleihen. Das ist eine wirklich dramatische Entwicklung. Für einige Zeit können große Volkswirtschaften in ungewöhnlichen Zeiten mit solchen negativen Zinsen zwar umgehen. Aber gefährlich wird es, wenn sie zur Normalität werden. Und in diese Richtung bewegen wir uns."

Es mag auf Anhieb nicht schlüssig erscheinen, wenn ich jetzt noch auf den Klimawandel eingehe. Doch mit ihm und den Anleihen bahnt sich ein neuer Geschäftszweig an: staatlich sanktionierte Klima-Anleihen. Anders als bei den unzähligen halbstaatlichen und privaten Versuchen, das Klima zu retten - man denke nur an die Bewegung „Fridays for Future -, handelt es sich um eine Initiative von höchster Stelle.

Worum es geht, verrät der zuständige EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis in einem aktuellen Beitrag für die Börsen-Zeitung: „In der EU wollen wir Banken, Vermögensverwalter, institutionelle Anleger, Unternehmen und Kapitalmärkte dafür gewinnen, verstärkt auf ein nachhaltiges Finanzwesen zu setzen.“ Die EU-Kommission hofft, schon bis Ende Oktober eine politische Einigung der EU-Mitgliedsländer über eine staatlich gestützte Klassifikation grüner und nachhaltiger Anlagen zu erzielen.

Ob die Hoffnung berechtigt ist, lässt sich zwar nicht vorhersagen, aber formulieren wir es mal so: Bereits seit längerer Zeit liegen allerlei grüne Pläne - nicht nur die der Grünen-Partei - in den Schubladen der EU, der Bundesregierung und der Bundesländer. Die Pläne zeugen von der Bereitschaft, eine Art Marshallplan zur Rettung des Klimas in die Tat umzusetzen - und bei dieser Gelegenheit zielgerichtet die öffentlichen Kassen zu füllen und in Deutschland auch noch die Steuern zu erhöhen. Das alles nach dem Motto: Klimaschutz ist etwas Gutes, aber es gibt ihn nicht umsonst. Die Klima-Lobby arbeitet bereits daran.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

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