Wer spart, ist arm dran
18.08.2019 | Manfred Gburek
In Finanzkreisen macht derzeit ein Begriff die Runde, der schon zu allerlei Fehlinterpretationen geführt hat: inverse Zinsstruktur. Das heißt, die kurz- bis mittelfristigen Zinsen sind höher als die langfristigen. Und weil in den vergangenen Jahrzehnten einer solchen Struktur fast immer der Abschwung der Konjunktur folgte, werde es dieses Mal mit hoher Wahrscheinlichkeit auch so sein, heißt es.
Wirklich? Erhebliche Zweifel sind angebracht. Denn was unser Geld angeht, befinden wir uns in der „neuen Normalität“, und das schon seit Jahren: Statt althergebrachten Auf- und Ab-Zyklen zu folgen, sinken die Zinsen im Trend immer weiter; sie haben sogar die Null unterschritten. Trotzdem greifen Anleger bei Anleihen mit zweifelhafter Minus-“Rendite“ zu, als handle es sich um Schnäppchen.
Vonseiten der EZB schüttet es Geld, ihre amerikanische Verwandte Fed ziert sich zwar noch ein wenig, aber Donald Trump ist dabei, sie in die Knie zu zwingen. Schon fordern Wissenschaftler, wie zuletzt Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft, Milliardenprogramme zur Stimulierung der Konjunktur aufzulegen. Und während Politiker aller Parteien vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg das Blaue vom Himmel versprechen, segelt Klima-Ikone Greta Thunberg mit dem sie begleitendem Mediengetöse über den Atlantik.
Das alles wird von zwei gefährlichen Entwicklungen begleitet, über deren Ausgang man bestenfalls rätseln kann: Trumps Handelskrieg, der zum Währungskrieg auszuarten droht, und der Zugriff Pekings auf Hongkong. Vor so einer Kulisse spielt es keine Rolle, ob die Zinsstruktur invers ist oder in welchem Umfang die Konjunktur stimuliert werden soll. Sogar die „neue Normalität“ rückt in den Hintergrund.
Viele Anleger sagen sich schon: Sollen doch die Zinsen tendieren, wohin sie wollen, Hauptsache, wir kommen glimpflich davon. Doch das ist illusorisch, weil der Zinsverfall - abgesehen von weiteren negativen Effekten - ganze Altersversorgungs-Systeme kaputt macht. Sparer, die zum Beispiel auf Lebensversicherungen oder Pensionsfonds gesetzt haben, sind im wahrsten Sinn des Wortes arm dran.
Das nächste Desaster droht bereits, man sehe sich nur die Kursentwicklung der Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank an: Über die vergangenen zwölf Jahre kam es in beiden Fällen praktisch zum Totalverlust. Ihre Geschäftsmodelle sind veraltet. Das gilt im Übrigen auch für so manche Sparkasse und Genossenschaftsbank. Schlimmer noch: Aus heutiger Sich kann niemand ermessen, wie lange das Kreditgeschäft, die Haupteinnahmequelle der Institute, genügend hohe Erträge abwirft. Das weniger bedeutende Provisionsgeschäft kann das Manko jedenfalls nicht ausgleichen.
Hinzu kommt eine Gefahr, zu der sich Banker nur hinter vorgehaltener Hand äußern: Dass aus notleidenden Krediten schließlich Kreditausfälle werden. Diese Gefahr ist besonders groß, wenn die Konjunktur nach unten kippt. Werden Kredite dann nicht mehr ausreichend gewährt, weichen Unternehmen in Anleihen aus. Das führt immer wieder zu spektakulären Pleiten, sobald die Anleihen nicht mehr mit Zinsen bedient werden können.
Wir sollten uns immer vor Augen führen, dass die Eurozone, ja die ganze EU, ein äußerst brüchiges Konstrukt ist. Das liegt an der Vielfalt der Interessen, die zwar offiziell im Euro gebündelt sind, aber nie und nimmer gleichgeschaltet werden können. Ferner liegt es am Gerangel um die staatliche Souveränität, besonders deutlich zu erkennen am jahrelangen Streit um die Geld- und Fiskalpolitik in der Eurozone zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof.
Nach außen tritt die EU-Kommission gern so in Erscheinung, als sei sie vom europäischen Volk gewählt worden. Indes spricht schon die Tatsache dagegen, dass Ursula von der Leyen ihr Amt als Kommissions-Chefin absolut undemokratisch zugeteilt bekam.
Doch Schwamm drüber, wie geht es weiter? Auf jeden Fall mit der nächsten Personalie zu einer EU-Spitzenposition, denn per 1. November wird Christine Lagarde Präsidentin der EZB. Was ist von ihr zu erwarten, nachdem der noch amtierende Vorgänger Mario Draghi sein Geldpulver mit dem schier endlosen Kauf von Anleihen verschossen zu haben scheint?
Der Schein trügt, denn Lagarde wird erst mal so weiter machen wie Draghi, also dafür sorgen, dass genug Geld in Umlauf kommt. Das ist zu erwarten, weil sie als Noch-Chefin des Internationalen Währungsfonds bewiesen hat, wes Geistes Kind sie ist: Immer auf die Verteilung von Geldgeschenken aus, immer mit dem erhobenen Zeigefinger drohend, sobald jemand aus dem EZB-Rat oder aus der Bundesregierung es wagte, der Geldverschwendung Einhalt zu gebieten.
Als Französin steht Lagarde dem französischen Savoir Vivre näher als der deutschen Spar-Tugend einschließlich schwarzer Null. In Frankfurt laufen zurzeit jedenfalls schon Wetten, ob die designierte EZB-Chefin ihren Vorgänger in Sachen Geldausgaben sogar übertrumpft. Dazu braucht man ja nur die Statuten ein wenig umzudefinieren oder auszudehnen, sei es im Hinblick auf die Höhe der Anleihenkäufe, sei es beim Inflationsziel, das mit "unter, aber nahe 2 Prozent" ohnehin jeglicher Logik entbehrt.
Es sieht ganz danach aus, als würde sich an dem hier beschriebenen Szenario nicht so schnell etwas ändern. Folglich gilt das bis auf Weiteres auch für die verschiedenen Anlageklassen. Unter denen stechen seit Jahresanfang Gold und Silber positiv hervor. Das erscheint schlüssig, weil negative Zinsen - besonders die realen, also nach Berücksichtigung der Inflationsrate - die Preise beider Edelmetalle begünstigen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Italienische Verhältnisse
Wirklich? Erhebliche Zweifel sind angebracht. Denn was unser Geld angeht, befinden wir uns in der „neuen Normalität“, und das schon seit Jahren: Statt althergebrachten Auf- und Ab-Zyklen zu folgen, sinken die Zinsen im Trend immer weiter; sie haben sogar die Null unterschritten. Trotzdem greifen Anleger bei Anleihen mit zweifelhafter Minus-“Rendite“ zu, als handle es sich um Schnäppchen.
Vonseiten der EZB schüttet es Geld, ihre amerikanische Verwandte Fed ziert sich zwar noch ein wenig, aber Donald Trump ist dabei, sie in die Knie zu zwingen. Schon fordern Wissenschaftler, wie zuletzt Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft, Milliardenprogramme zur Stimulierung der Konjunktur aufzulegen. Und während Politiker aller Parteien vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg das Blaue vom Himmel versprechen, segelt Klima-Ikone Greta Thunberg mit dem sie begleitendem Mediengetöse über den Atlantik.
Das alles wird von zwei gefährlichen Entwicklungen begleitet, über deren Ausgang man bestenfalls rätseln kann: Trumps Handelskrieg, der zum Währungskrieg auszuarten droht, und der Zugriff Pekings auf Hongkong. Vor so einer Kulisse spielt es keine Rolle, ob die Zinsstruktur invers ist oder in welchem Umfang die Konjunktur stimuliert werden soll. Sogar die „neue Normalität“ rückt in den Hintergrund.
Viele Anleger sagen sich schon: Sollen doch die Zinsen tendieren, wohin sie wollen, Hauptsache, wir kommen glimpflich davon. Doch das ist illusorisch, weil der Zinsverfall - abgesehen von weiteren negativen Effekten - ganze Altersversorgungs-Systeme kaputt macht. Sparer, die zum Beispiel auf Lebensversicherungen oder Pensionsfonds gesetzt haben, sind im wahrsten Sinn des Wortes arm dran.
Das nächste Desaster droht bereits, man sehe sich nur die Kursentwicklung der Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank an: Über die vergangenen zwölf Jahre kam es in beiden Fällen praktisch zum Totalverlust. Ihre Geschäftsmodelle sind veraltet. Das gilt im Übrigen auch für so manche Sparkasse und Genossenschaftsbank. Schlimmer noch: Aus heutiger Sich kann niemand ermessen, wie lange das Kreditgeschäft, die Haupteinnahmequelle der Institute, genügend hohe Erträge abwirft. Das weniger bedeutende Provisionsgeschäft kann das Manko jedenfalls nicht ausgleichen.
Hinzu kommt eine Gefahr, zu der sich Banker nur hinter vorgehaltener Hand äußern: Dass aus notleidenden Krediten schließlich Kreditausfälle werden. Diese Gefahr ist besonders groß, wenn die Konjunktur nach unten kippt. Werden Kredite dann nicht mehr ausreichend gewährt, weichen Unternehmen in Anleihen aus. Das führt immer wieder zu spektakulären Pleiten, sobald die Anleihen nicht mehr mit Zinsen bedient werden können.
Wir sollten uns immer vor Augen führen, dass die Eurozone, ja die ganze EU, ein äußerst brüchiges Konstrukt ist. Das liegt an der Vielfalt der Interessen, die zwar offiziell im Euro gebündelt sind, aber nie und nimmer gleichgeschaltet werden können. Ferner liegt es am Gerangel um die staatliche Souveränität, besonders deutlich zu erkennen am jahrelangen Streit um die Geld- und Fiskalpolitik in der Eurozone zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof.
Nach außen tritt die EU-Kommission gern so in Erscheinung, als sei sie vom europäischen Volk gewählt worden. Indes spricht schon die Tatsache dagegen, dass Ursula von der Leyen ihr Amt als Kommissions-Chefin absolut undemokratisch zugeteilt bekam.
Doch Schwamm drüber, wie geht es weiter? Auf jeden Fall mit der nächsten Personalie zu einer EU-Spitzenposition, denn per 1. November wird Christine Lagarde Präsidentin der EZB. Was ist von ihr zu erwarten, nachdem der noch amtierende Vorgänger Mario Draghi sein Geldpulver mit dem schier endlosen Kauf von Anleihen verschossen zu haben scheint?
Der Schein trügt, denn Lagarde wird erst mal so weiter machen wie Draghi, also dafür sorgen, dass genug Geld in Umlauf kommt. Das ist zu erwarten, weil sie als Noch-Chefin des Internationalen Währungsfonds bewiesen hat, wes Geistes Kind sie ist: Immer auf die Verteilung von Geldgeschenken aus, immer mit dem erhobenen Zeigefinger drohend, sobald jemand aus dem EZB-Rat oder aus der Bundesregierung es wagte, der Geldverschwendung Einhalt zu gebieten.
Als Französin steht Lagarde dem französischen Savoir Vivre näher als der deutschen Spar-Tugend einschließlich schwarzer Null. In Frankfurt laufen zurzeit jedenfalls schon Wetten, ob die designierte EZB-Chefin ihren Vorgänger in Sachen Geldausgaben sogar übertrumpft. Dazu braucht man ja nur die Statuten ein wenig umzudefinieren oder auszudehnen, sei es im Hinblick auf die Höhe der Anleihenkäufe, sei es beim Inflationsziel, das mit "unter, aber nahe 2 Prozent" ohnehin jeglicher Logik entbehrt.
Es sieht ganz danach aus, als würde sich an dem hier beschriebenen Szenario nicht so schnell etwas ändern. Folglich gilt das bis auf Weiteres auch für die verschiedenen Anlageklassen. Unter denen stechen seit Jahresanfang Gold und Silber positiv hervor. Das erscheint schlüssig, weil negative Zinsen - besonders die realen, also nach Berücksichtigung der Inflationsrate - die Preise beider Edelmetalle begünstigen.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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