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Sparer finanzieren Zombies

22.09.2019  |  Manfred Gburek
Am 5. Oktober jährt sich wieder mal die mutige Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück zur millionenfachen Rettung der Ersparnisse deutscher Bürger aus dem Jahr 2008. Damals trat das ungleiche Duo - sie CDU, er SPD - mit diesen beiden Behauptungen fernsehgerecht an die Öffentlichkeit: "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind." Und: Sparer bräuchten nicht zu befürchten, auch nur „einen Euro ihrer Einlagen zu verlieren“.

Warum sind diese Behauptungen als mutig einzustufen? Weil sie die für alle finanziellen Angelegenheiten wichtige Psychologie vorübergehend über das geltende Recht stellen. Der Masse der Sparer dürfte damals ja kaum bewusst gewesen sein, dass ihre Einlagen, rechtlich gesehen, nicht sicher waren. Dieses Nichtwissen nutzte die Bundeskanzlerin aus, und die Anwesenheit des Finanzministers neben ihr sorgte dafür, dass die meisten Sparer von der vermeintlichen Sicherheit ihrer Einlagen überzeugt werden konnten.

Wiederholt sich der Vorfall von damals demnächst auf ähnliche Weise? Das ist unwahrscheinlich, weil die Ausgangslage jetzt eines ganz andere ist als im Jahr 2008: Geld in Hülle und Fülle statt berüchtigter Liquiditätsengpässe, Spekulation in vollem Gang statt "Welt am Abgrund" (Steinbrück), eine Unmenge an neuen Gesetzen und Regularien statt unregulierter Finanzmärkte, noch stabile Realwirtschaft statt Konjunktureinbruch u.a.

Aber haben die Entscheidungsträger aus der Krise von damals gelernt? Nein, haben sie nicht. Bester Beweis: der reichlich mit Krediten aufgepumpte Aktien- und Immobilienboom, die negativen Zinsen, der Zusammenbruch von Geschäftsmodellen traditioneller Banken, deren Kurse - bei Börsennotierung - tief im Keller, die gefährliche Finanzierung sogenannter Zombies - das sind nicht überlebensfähige Unternehmen - ohne absehbares Ende, das starke Aufkommen von Ramschanleihen und die wegen jahrelanger Niedrig- bis Negativzinsen tickende Zeitbombe im Finanzsystem der deutschen Altersvorsorge.

Wie sicher sind da noch die Einlagen der Sparer? Eine differenzierte Betrachtung tut not, denn erst dann erschließt sich die ganze Wahrheit. Bekanntlich sind Einlagen bis 100.000 Euro pro Privatperson und Bank (oder Sparkasse) gesetzlich geschützt, sodass Sparer - etwa bei einer Bankpleite - kein Geld verlieren. Unternehmen sind überwiegend vom Schutz ausgenommen. Weitere wichtige Einschränkungen: Der Schutz gilt nur für Einlagen in der eigenen Währung. Und Staaten, die den Einlagenschutz gewährleisten, müssen über das Rating einer allseits anerkannten Agentur von mindestens A+ bzw. A1 verfügen.

Sparer, die ein Bankkonto unterhalten, sind Gläubiger von Instituten, die üblicherweise mit extrem viel Fremdkapital arbeiten (bis zu über 90 Prozent). Die Einlagen der Sparer machen ein Vielfaches dessen aus. Deren Gläubigerstatus wird umso gefährlicher, je mehr unbesicherte Kredite eine Bank vergibt. Daraus erwächst aktuell die Gefahr, dass solche Kredite zombiefiziert werden, der Abschreibung anheim fallen und am Ende womöglich in eine allgemeine Bankenkrise ausarten.

Für Sparer gilt es, auf so eine Entwicklung vorbereitet zu sein, und sei es mit Bargeld unter der sprichwörtlichen Matratze. Denn falls es zu einer Bankpleite oder sogar zu einem allgemeinen Run auf Banken kommt, ist Liquidität Trumpf - man erinnere sich nur an die Verhältnisse in Griechenland seit 2010. Trumpf auch deshalb, weil die Abwicklung einer Pleitebank viel Zeit kostet, sodass Sparer warten müssen, bis sie wieder an ihr Geld kommen.

Nun ließe sich einwenden, dass es ja noch die freiwillige Einlagensicherung gibt: jeweils voneinander getrennt die der privaten Banken, der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken. Doch was halten sie aus? Schaffen sie mehr als von Fall zu Fall die Rettung einzelner Institute? Unwahrscheinlich. Denn sobald ein Finanz-Tsunami aufzieht, dürften sie keine Chance haben, das Geld der Sparer zu retten.

Da fragt man sich, warum deutsche Sparer ihr Vermögen, abgesehen von Immobilien, immer noch überwiegend - schätzungsweise zu 40 Prozent - minimal oder gar nicht verzinst in Einlagen bei Banken und Sparkassen liegen lassen. Die Antwort hat wieder mal mit Psychologie zu tun: Weil sie ihr Geld bei diesen Instituten in Sicherheit wähnen, weil sie die Mechanismen des Spargeschäfts nicht verstehen, weil ihnen keine Alternativen einfallen, weil der nominelle Wert von Einlagen nicht schwankt und weil die private Finanzplanung unter den meisten deutschen Sparern so gut wie gar nicht stattfindet.

Wohin das alles führt, lässt sich mit dem folgenden Zitat aus dem Buch "Die neue Ordnung des Geldes" von Thomas Mayer verdeutlichen: "Wer bei der Währungsreform, 1948 sein Kopfgeld von 10 Mark aufbewahrt hat, hatte bei der Umstellung der D-Mark auf dien Euro noch Geld mit einer Kaufkraft von 2,60 Mark in der Hand. Wer dann die für die 2,60 Mark eingetauschten 1,30 Euro in den Schrank gelegt hat, kann sich im Jahr 2014 damit nur noch Waren im ursprünglichen Wert von rund 1,00 Euro kaufen."

Daraus folgt, dass Geld auf dem Konto nicht als Daueranlage taugt. Eine Binsenweisheit - und dennoch richten sich die meisten Sparer nicht nach ihr, auch solche, die mehr als 100.000 Euro bei einer Bank oder Sparkasse horten. Ihr Vertrauen in das deutsche Bankensystem ist trotz schwelender Bankenkrise offenbar immer noch vorhanden.

Sparer sollten sich über ihre gefährliche Gläubigerfunktion gegenüber Banken und Sparkassen im Klaren sein. Dies auch noch aus dem folgenden Grund: In Deutschland gibt es trotz einer sinkenden Anzahl von Instituten immer noch fast so viele wie in Großbritannien, Frankreich und Italien zusammen. Allein schon die zu erwartenden Pleiten kreditfinanzierter Zombies bergen die Gefahr in sich, dass es in absehbarer Zeit zu einer allgemeinen Bankenkrise kommen wird. Den Rest dürften die wie Pilze aus dem Boden schießenden Fintechs erledigen, die den etablierten Instituten Marktanteile wegnehmen.

Aus alldem folgt, dass Einlagen über 100.000 Euro pro Kunde und Institut tabu sein sollten, dass Geld auf Konten nur als zwischenzeitliche Liquiditätsreserve sinnvoll ist, dass man nicht zuletzt wegen des Zombie-Problems täglich mit dem Ausbruch einer Bankenkrise rechnen muss und dass die private Finanzplanung als Schutzmaßnahme unabdingbar erscheint.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Einfallschneise für Manipulatoren


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