Das Märchen vom grünen Geld
29.09.2019 | Manfred Gburek
Am vergangenen Freitag war es wieder mal soweit: Die Klimaaktivistin Greta Thunberg, nun mit dem Alternativen Nobelpreis in der Tasche, rief zum internationalen Klimagipfel auf. Und um der Protestaktion den nötigen Nachdruck zu verleihen, rechnete sie schon im Vorfeld per Twitter mit ihren Kritikern ab. Klar, wer sich so öffentlichkeitswirksam präsentiert wie sie, muss über kurz oder lang mit Gegenbewegungen rechnen - und die sind mehr als berechtigt.
Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel aus der Welt der Finanzen. Bundesbank-Vorstandsdame Sabine Mauderer spricht von drei Herausforderungen bei der Umsetzung von mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor: "Wir brauchen eine allgemein akzeptierte Definition. Aktuell ist die Nachfrage nach grünen Anleihen deutlich höher als das Angebot. Auch bei grünen Assets müssen Risiko und Rendite transparent sein."
Hier fällt zweierlei auf: Solange es keine klare Definition gibt, kann man das Thema vergessen. Und wenn Begriffe wie Nachhaltigkeit und grüne Geldanlagen in einem Atemzug genannt werden, spricht dies dafür, dass in puncto Definition noch einiges geklärt werden muss. Aber wie es so häufig im Leben vorkommt: Stößt der Verstand an seine Grenzen, kommen Emotionen zum Zug - womit wir wieder bei Greta und ihren emotional aufgeladenen Freitagskindern sind.
Worum geht es wirklich? Die Geschichte mit der Nachhaltigkeit und dem grünen Geld begann so richtig vor 18 Jahren. Damals machte sich eine internationale Organisation namens Carbon Disclosure Project in London daran, Licht ins Dunkel der Nachhaltigkeit zu bringen. Heraus kam zum Beispiel eine riesige Datenbank mit allerlei Kriterien, an denen bis heute die Manager großer und kleiner Vermögen herumdoktern. Eigentlich handelte es sich um eine lobenswerte Aktion - doch leider haben die Londoner Projektmacher noch keine allseits anerkannte Methode gefunden, wie man das Ganze auf internationaler Ebene in die Praxis umsetzen könnte.
Immerhin gibt es bereits sogenannte Best-in-Class-Regeln. Sie laufen im Kern darauf hinaus, dass Vermögensverwalter zum Beispiel Aktien von Energieversorgern als grün einstufen können, wenn sie von Konzern A stammen, der weniger Dreck in die Luft bläst als sein Konkurrent B. In anderen Branchen sieht es ähnlich aus. So kann man sich fragen, ob Aktien von Coca-Cola oder McDonald's den Best-in-Class-Regeln schon deshalb genügen, weil diese Konzerne möglicherweise weniger Zucker oder Fleisch einsetzen als ihre Konkurrenten.
Sabine Mauderer bringt das Thema so auf den Punkt: "Eine einheitliche, allgemein anerkannte Definition gibt es noch nicht. Entweder ist eine Aktivität grün oder nicht grün. Aber es gibt keine Skala, die stärker differenziert." Das gilt im Prinzip auch für die in letzter Zeit propagierten ESG-Kriterien: E steht für Environmental (Umwelt), S für Social, G für Governance (Unternehmensführung). Und weil das alles offenbar immer noch nicht zielführend ist, haben 42 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden das Nework for Greening the Financial System (NGFS) aus der Taufe gehoben. Es soll in eine Klassifizierung nachhaltiger Anlagen münden und wird unter der Leitung von Sabine Mauderer im Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt.
Man könnte meinen, allein schon aufgrund der hier vorgestellten Diskussionsvorlagen und Pläne müsste es dem Klima bald gut gehen. Doch die Realität sieht anders aus, wie das folgende Beispiel aus Deutschland zeigt, angelehnt an die Beschlüsse des Berliner Klimakabinetts: Die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Bahnfahrten und der weitere Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gehen in Ordnung. Aber schon bei der Abwrackprämie für alte Ölheizungen scheiden sich die Geister: Ein Anreiz zu Mitnahmeeffekten, monieren Kritiker.
Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, stört sich besonders an einem Punkt: "Problematisch am Klimapaket ist, dass viele ergänzende Maßnahmen getroffen wurden, die teuer sind und die Effizienzwirkungen des CO2-Zertifikatehandels beeinträchtigen können. So ist die Kombination aus Ölheizungen und einem Zertifikatehandel für den Gebäudesektor inkonsistent." Da die CO2-Menge nicht beschränkt werde, gehe der Vorteil des Emissionshandels verloren. Was sind das nur für Klimakabinett-Politiker, die so einen Unsinn verzapfen? Sie haben bei ihren Entscheidungen offensichtlich mehr an die nächste Wahl als an das Wohl ihrer Bürger gedacht.
Wie es um die Fakten stehen kann, hat DWS-Chefvolkswirt Martin Moryson vor der Sitzung des Klimakabinetts an einem Beispiel durchgerechnet, das im Nachhinein Bände spricht: "Rund 40 Milliarden Euro stehen im Raum. Das klingt zunächst nach viel, aber verteilt auf die Jahre bis 2023 sind das lediglich 10 Milliarden pro Jahr: rund 0,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Unterstellt man einen Staatsausgabenmultiplikator von 0,3, dann beträgt der fiskalische Impuls nicht einmal 0,1 Prozent. Daraus entsteht keine Aufbruchstimmung."
Diese ist auch bis auf Weiteres nicht zu erwarten. Warum? Weil die EU-Bürokratie zugeschlagen und am 18. Juni dieses Jahres einen Taxonomiebericht im Umfang von 414 Seiten vorgelegt hat. Was ist denn das schon wieder? Ein Klassifikationssystem für nachhaltige Tätigkeiten. Wird man schlau daraus? Nein. Warum nicht? Darauf gibt es verschiedene Antworten. Konzentrieren wir uns auf eine vonseiten der Analystenvereinigung DVFA, die Geldanlageprofis nach den Hindernissen auf dem Weg zur nachhaltigen Ausrichtung der Finanzbranche befragt und in der vergangenen Woche die folgenden Antworten veröffentlicht hat:
„Mangel an einheitlichen Standards und Definitionen, fehlende Integration in herkömmlichen Analyse- und Bewertungsmodellen, Wissens- und Erfahrungsdefizit vieler Akteure in der Finanzindustrie, übermäßig viele Initiativen und Clubs, die zu Verwirrung führen, ungenügende Unternehmensberichterstattung zu Nachhaltigkeitskriterien, die Auswirkung auf Geschäftsmodelle/Finanzkennzahlen haben, mangelnde Vertrautheit vieler Vorstände und Aufsichtsräte mit Nachhaltigkeitsanforderungen.“
Also ein Horrorszenario, und das allein in einer einzigen Branche. Es verdeutlicht, dass Nachhaltigkeit, grünes Geld und das ganze Drumherum bis auf Weiteres ins Reich der Fabeln gehören.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Segen und Fluch der Fintechs
Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel aus der Welt der Finanzen. Bundesbank-Vorstandsdame Sabine Mauderer spricht von drei Herausforderungen bei der Umsetzung von mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor: "Wir brauchen eine allgemein akzeptierte Definition. Aktuell ist die Nachfrage nach grünen Anleihen deutlich höher als das Angebot. Auch bei grünen Assets müssen Risiko und Rendite transparent sein."
Hier fällt zweierlei auf: Solange es keine klare Definition gibt, kann man das Thema vergessen. Und wenn Begriffe wie Nachhaltigkeit und grüne Geldanlagen in einem Atemzug genannt werden, spricht dies dafür, dass in puncto Definition noch einiges geklärt werden muss. Aber wie es so häufig im Leben vorkommt: Stößt der Verstand an seine Grenzen, kommen Emotionen zum Zug - womit wir wieder bei Greta und ihren emotional aufgeladenen Freitagskindern sind.
Worum geht es wirklich? Die Geschichte mit der Nachhaltigkeit und dem grünen Geld begann so richtig vor 18 Jahren. Damals machte sich eine internationale Organisation namens Carbon Disclosure Project in London daran, Licht ins Dunkel der Nachhaltigkeit zu bringen. Heraus kam zum Beispiel eine riesige Datenbank mit allerlei Kriterien, an denen bis heute die Manager großer und kleiner Vermögen herumdoktern. Eigentlich handelte es sich um eine lobenswerte Aktion - doch leider haben die Londoner Projektmacher noch keine allseits anerkannte Methode gefunden, wie man das Ganze auf internationaler Ebene in die Praxis umsetzen könnte.
Immerhin gibt es bereits sogenannte Best-in-Class-Regeln. Sie laufen im Kern darauf hinaus, dass Vermögensverwalter zum Beispiel Aktien von Energieversorgern als grün einstufen können, wenn sie von Konzern A stammen, der weniger Dreck in die Luft bläst als sein Konkurrent B. In anderen Branchen sieht es ähnlich aus. So kann man sich fragen, ob Aktien von Coca-Cola oder McDonald's den Best-in-Class-Regeln schon deshalb genügen, weil diese Konzerne möglicherweise weniger Zucker oder Fleisch einsetzen als ihre Konkurrenten.
Sabine Mauderer bringt das Thema so auf den Punkt: "Eine einheitliche, allgemein anerkannte Definition gibt es noch nicht. Entweder ist eine Aktivität grün oder nicht grün. Aber es gibt keine Skala, die stärker differenziert." Das gilt im Prinzip auch für die in letzter Zeit propagierten ESG-Kriterien: E steht für Environmental (Umwelt), S für Social, G für Governance (Unternehmensführung). Und weil das alles offenbar immer noch nicht zielführend ist, haben 42 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden das Nework for Greening the Financial System (NGFS) aus der Taufe gehoben. Es soll in eine Klassifizierung nachhaltiger Anlagen münden und wird unter der Leitung von Sabine Mauderer im Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt.
Man könnte meinen, allein schon aufgrund der hier vorgestellten Diskussionsvorlagen und Pläne müsste es dem Klima bald gut gehen. Doch die Realität sieht anders aus, wie das folgende Beispiel aus Deutschland zeigt, angelehnt an die Beschlüsse des Berliner Klimakabinetts: Die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Bahnfahrten und der weitere Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gehen in Ordnung. Aber schon bei der Abwrackprämie für alte Ölheizungen scheiden sich die Geister: Ein Anreiz zu Mitnahmeeffekten, monieren Kritiker.
Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, stört sich besonders an einem Punkt: "Problematisch am Klimapaket ist, dass viele ergänzende Maßnahmen getroffen wurden, die teuer sind und die Effizienzwirkungen des CO2-Zertifikatehandels beeinträchtigen können. So ist die Kombination aus Ölheizungen und einem Zertifikatehandel für den Gebäudesektor inkonsistent." Da die CO2-Menge nicht beschränkt werde, gehe der Vorteil des Emissionshandels verloren. Was sind das nur für Klimakabinett-Politiker, die so einen Unsinn verzapfen? Sie haben bei ihren Entscheidungen offensichtlich mehr an die nächste Wahl als an das Wohl ihrer Bürger gedacht.
Wie es um die Fakten stehen kann, hat DWS-Chefvolkswirt Martin Moryson vor der Sitzung des Klimakabinetts an einem Beispiel durchgerechnet, das im Nachhinein Bände spricht: "Rund 40 Milliarden Euro stehen im Raum. Das klingt zunächst nach viel, aber verteilt auf die Jahre bis 2023 sind das lediglich 10 Milliarden pro Jahr: rund 0,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Unterstellt man einen Staatsausgabenmultiplikator von 0,3, dann beträgt der fiskalische Impuls nicht einmal 0,1 Prozent. Daraus entsteht keine Aufbruchstimmung."
Diese ist auch bis auf Weiteres nicht zu erwarten. Warum? Weil die EU-Bürokratie zugeschlagen und am 18. Juni dieses Jahres einen Taxonomiebericht im Umfang von 414 Seiten vorgelegt hat. Was ist denn das schon wieder? Ein Klassifikationssystem für nachhaltige Tätigkeiten. Wird man schlau daraus? Nein. Warum nicht? Darauf gibt es verschiedene Antworten. Konzentrieren wir uns auf eine vonseiten der Analystenvereinigung DVFA, die Geldanlageprofis nach den Hindernissen auf dem Weg zur nachhaltigen Ausrichtung der Finanzbranche befragt und in der vergangenen Woche die folgenden Antworten veröffentlicht hat:
„Mangel an einheitlichen Standards und Definitionen, fehlende Integration in herkömmlichen Analyse- und Bewertungsmodellen, Wissens- und Erfahrungsdefizit vieler Akteure in der Finanzindustrie, übermäßig viele Initiativen und Clubs, die zu Verwirrung führen, ungenügende Unternehmensberichterstattung zu Nachhaltigkeitskriterien, die Auswirkung auf Geschäftsmodelle/Finanzkennzahlen haben, mangelnde Vertrautheit vieler Vorstände und Aufsichtsräte mit Nachhaltigkeitsanforderungen.“
Also ein Horrorszenario, und das allein in einer einzigen Branche. Es verdeutlicht, dass Nachhaltigkeit, grünes Geld und das ganze Drumherum bis auf Weiteres ins Reich der Fabeln gehören.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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