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Zinsmanipulation als Massenvernichtungswaffe

02.11.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Politik des Null- und Minuszinses ist kein Kavaliersdelikt. Es ist im Grunde ein Frontalangriff auf die freie Marktwirtschaft (beziehungsweise das, was davon noch übrig ist).

Es gibt wohl kaum ein wirtschaftlich-gesellschaftliches Phänomen, das so missverstanden ist wie der Zins. Für viele Menschen ist der Zins etwas Anrüchiges. Nach dem Motto: Zins bedeutet, dass jemand auf Kosten anderer lebt. Im Neuen Testament wurde noch ein Zinsverbot ausgesprochen. Doch längst ist es aufgehoben. Im islamischen Recht (Scharia) ist der Zins nach wie vor untersagt - weil Reiche durch den Zins noch reicher und Arme noch ärmer werden. Auch die Nationalsozialisten im Hitler-Deutschland der 1930er Jahre gingen ungestüm gegen den Zins vor. Ihr Slogan hieß: "Brechung der Zinsknechtschaft".

Die Zinsfrage ist aktueller denn je: Die Europäische Zentralbank (EZB) will die Zinsen noch weiter unter die Nulllinie befördern - obwohl der Euro-Leitzins null Prozent und der Einlagenzins der Banken minus 0,4 Prozent betragen; und schon jetzt sind alle Rendite für deutsche Staatsschuldpapiere - mit einer Laufzeit von drei Monaten bis zu 30 Jahren - negativ. Mit noch tieferen Zinsen meint man, die "zu geringe Inflation" erhöhen sowie auch das Wirtschaftswachstum im Euroraum beleben zu können. Oder steckt vielleicht etwas ganz anderes dahinter?

Die Beantwortung dieser Frage erfordert zunächst eine Antwort auf die Frage: Was ist der Zins eigentlich? Kurzgesagt ist der Zins - besser: der Urzins - die Manifestation der Zeitpräferenz: Eine frühere Erfüllung der Bedürfnisse wird einer späteren vorgezogen. Der Urzins ist der Wertabschlag, den zukünftige Güter relativ zu gegenwärtigen Güter erleiden. Der Volksmund sagt dazu: Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Der Urzins ist nicht vom Himmel gefallen, er wurde auch nicht von unheimlichen Mächten in dunklen Hinterzimmern ausgeheckt. Er ist vielmehr untrennbar verbunden mit dem menschlichen Handeln.

So sehr wir uns auch anstrengen mögen, den Urzins aus der Welt zu schaffen: Wir werden ihn nicht los. Er steckt gewissermaßen in jedem von uns, er lässt sich aus unserem Handeln nicht verbannen, nicht verneinen. Weil unsere Welt so ist, wie sie ist, kommen wir Menschen nicht umhin, für unser Heute und Morgen vorzusorgen. Und indem wir unsere Einkommen verwenden, um sie zu konsumieren und zu sparen, tritt der Urzins ganz zwangsläufig in Erscheinung: Er gibt die Rangfolge an, die die Handelnden gegenwärtigen zu künftigen Bedürfnissen zuerkennen.

Wäre der Urzins null, so hieße das, dass man zwei Äpfel in zehn Jahren einem Apfel heute vorzieht. Das klingt nicht nur absurd, das ist es auch: Ein Urzins von null impliziert, dass der Handelnde nicht mehr konsumiert, nicht heute, nicht morgen, nicht in einem Monat, nicht in einem Jahr. Die Preise von Grundstücken würden ins Unermessliche steigen, wenn der Urzins null wäre. Ein negativer Urzins ist für den menschlichen Verstand völlig unverständlich: Er läuft auf die Negation einer logischen Wahrheit hinaus. Das alles erschließt sich handlungslogisch: aus der nicht widerlegbaren Aussage, dass der Mensch handelt.

Siehe hierzu auch: Wie Negativzinsen unsere Wirtschaft zerstören - eine Erklärung des Zinsphänomens, Ludwig von Mises Institut Deutschland, 6. September 2019. Den Aufsatz finden Sie hier.

Doch akademische Hexenmeister behaupten seit einiger Zeit, der Urzins könne negativ werden - und er es auch schon geworden. Den Zentralbanken empfehlen sie daher, die Marktzinsen unter die Nulllinie zu drücken, denn nur so könnten die Volkswirtschaften wachsen und gedeihen. Diese "falsche Negativzinstheorie" wird im Euroraum in die Tat umgesetzt - und es wird gruselig, wenn man sie konsequent zu Ende denkt: Ohne einen positiven Marktzins, ohne eine positive Rendite in Aussicht zu haben, hört das Sparen und Investieren auf - weil jeder Konsument, jeder Unternehmer einen positiven Urzins hat und für den Verzicht auf Gegenwartskonsum einen positiven Ausgleich verlangt.

Sind erst einmal alle Marktzinsen null oder gar negativ, bleiben Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen aus. Maschinen, Werkshallen, Häuser - alles verrottet. Kapitalaufzehrung setzt ein. Die arbeitsteilige Volkswirtschaft kommt zum Erliegen, fällt zurück in eine primitive Subsistenzwirtschaft. Die Folgen wären verheerend: Die Auflösung des arbeitsteiligen Wirtschaftens würde Not und Elend, den Hungertod von hunderten von Millionen Menschen nach sich ziehen.

Die Politik des herbeigezwungenen Null- und Negativzinses entpuppt sich als ein Kampf gegen das, was von der freien Marktwirtschaft noch übrig ist, als ein radikales Antikapitalismus-Programm.

Mit ihr lässt sich - begünstigt durch die bei vielen Menschen tief verwurzelte Zinsfeindschaft - ohne großen öffentlichen Widerstand, nach und nach eine revolutionäre Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft, eine Zerschlagung der bestehenden Verhältnisse herbeiführen; denn Demonstrationen, Menschenketten und Mahnwachen zur Rettung eines positiven Marktzinses werden sehr wahrscheinlich ausbleiben.

Nicht aber die Folgen der Null- und Negativzinsen: Immer mehr Menschen wird es wirtschaftlich immer schlechter gehen, auch das Zusammenleben der Menschen in der Gemeinschaft wird zusehends konfliktbeladener, die Verteilungskämpfe spitzen sich zu.

Das Monopol der Zentralbanken über Geld und Zins entpuppt sich als Massenvernichtungswaffe, der Wohlstand und Kultur zum Opfer fallen. Die EZB setzt sie unbeirrt ein. Zu hoffen, dass die EZB-Räte den Auslöser nicht wieder und wieder drücken werden, ist wohl vergebens. Der einzige Hoffnungsschimmer besteht darin, dass das Machmonopol der Zentralbanken vielleicht doch noch irgendwie gebrochen wird. Wenn die Volkswirtschaften das Zentralbankmonopol nicht bald abschütteln, es nicht durch bessere Einsicht und moralische Stärke aufzubrechen vermögen, wird es düster - vor allem in den Volkswirtschaften, die am Euro hängen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form in eigentümlich frei, August 2019, erschienen.


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