Sozialismus durch die Hintertür
15.12.2019 | Manfred Gburek
Am vergangenen Donnerstag wurde Geschichte geschrieben: Erst hielt die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine geheimnisvolle Rede, danach - schon zu später Abendstunde - stand fest, dass Boris Johnson die Wahl zum britischen Unterhaus klar gewonnen hatte.
Es gibt zumindest eine vielsagende Verbindungslinie zwischen beiden Ereignissen, und die wird auf Umwegen deutsche Steuerzahler treffen: Johnsons klarer Wahlerfolg bedeutet, dass der Brexit ohne Wenn und Aber durchkommt - und dass Deutschland dadurch in der EU schlagartig an Einfluss verliert. Denn zusammen mit den Briten konnten die Deutschen bislang die Franzosen und deren Mitstreiter unter den EU-Ländern in Schach halten, wenn es um die Ausweitung sozialistischer Umtriebe ging. Damit ist vom kommenden Jahr an Schluss, und die Dominanz der Franzosen wird mittelbar zu höheren Ausgaben im deutschen Staatshaushalt führen.
Dass Lagarde sich mit der EZB an diesem Finanzpoker beteiligen wird, ließ sie in ihrer Rede am vergangenen Donnerstag deutlich anklingen, indem sie neben anderen Zielen auch den Kampf gegen die Armut und den Klimawandel in den Vordergrund rückte. So etwas nennt man: Ausdehnung des geldpolitischen Mandats.
Damit nicht genug, Lagarde hat in der umstrittenen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Mitstreiterin gefunden, die offenbar aller Welt demonstrieren will, was sie drauf hat: Mit einem an die 50 Punkte umfassenden Programm, das konkrete Klimaziele bereits vom nächsten Sommer an festlegen will. Dazu sollen neben entsprechend vielen Gesetzen auch Initiativen und Aktionspläne gehören. Und weil das alles sehr viel Geld kosten würde, müssen neben den üblichen Finanzinstrumenten auch ganz besondere her. Gedacht ist an sogenannte grüne Anleihen.
Die Entscheidung der EZB vom vergangenen Donnerstag, den Leitzins von etwas unter 2 Prozent als Zielgröße zunächst beizubehalten, ist vorerst vertagt. Man kann dazu auch sagen: Beim aktuellen Stand von 1 Prozent in der Eurozone erscheint es überflüssig, dazu auch nur ein Wort zu verschwenden. Oder wie Hans-Werner Sinn, der ehemalige Chef des ifo-Instituts, sich vor Kurzem in einem YouTube-Interview über das Inflationsziel lustig machte: Es sei „irgendwie hirnrissig“. Zumal darüber im Maastricht-Vertrag von 1992 nicht mal ein Wort zu finden war. Es wurde später einfach als Steuerungsgröße hinzugedichtet.
Dennoch will Lagarde sich schon in Kürze des Themas annehmen. Dafür stehen ihr drei Maßnahmen zur Verfügung: ein flexibles Inflationsziel, seine Senkung oder seine Abschaffung. Egal, welche von diesen Maßnahmen zum Zuge kommen dürfte, in allen drei Fällen wird Lagarde viel daran liegen, das Thema möglichst geräuschlos aus der Welt zu schaffen. Denn wie der vergangene Donnerstag gezeigt hat, will sie sich den aus ihrer Sicht wichtigeren Aufgaben widmen: Digitalisierung, Abwehr von Hackerangriffen, Kampf gegen die Geldwäsche, soziale Ungleichheit und Klimawandel einschließlich grüner Anleihen.
Wer nun glaubt, das alles sei viel zu ehrgeizig und an den Haaren herbeigezogen, wird sich wahrscheinlich schon bald eines Besseren belehren lassen müssen, weil dahinter ein klares Ziel steckt: Die Geldpolitik will und soll sich vor allem in den Dienst der Fiskalpolitik stellen. Daraus folgt: Das von Bundesbank-Chef Jens Weidmann immer wieder kritisierte Auseinandergehen von Handeln (Schulden machen) und Haften (dafür die volle Verantwortung übernehmen) wird eher zu- als abnehmen - womit die Ausdehnung des geldpolitischen Mandats der EZB eine nochmals größere Dimension annimmt.
Wie konnte es so weit kommen, dass mittlerweile kein Tag vergeht, ohne dass jemand mit Vorschlägen kommt, die auf dieses Mandat abzielen? Darauf gibt es im Wesentlichen drei Antworten: Weil die traditionelle Geldpolitik an ihre Grenzen gestoßen ist, weil deshalb Alternativen dringend vonnöten sind - und weil Themen wie der Kampf für ein gutes Klima und gegen die böse soziale Ungerechtigkeit oder gegen die nicht minder böse Geldwäsche sich besser verkaufen lassen als die moderne monetäre Theorie oder die Aufgabentrennung von Geld- und Fiskalpolitik.
Martin Moryson, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft DWS, sieht schon die Folgen aufziehen: "Die Aufnahme klimapolitischer Ziele dürfte gerade in Deutschland trotz der großen Beliebtheit des Themas für einigen Sprengstoff sorgen." Diese Aussage ist nicht allein wegen des Sprengstoffs interessant, sondern auch wegen der vermeintlichen Beliebtheit. Da fragt man sich unwillkürlich, ob wir schon in einer grünen Republik leben - oder ob wir auf das Thema einfach nur so intensiv gestoßen werden, dass es uns ständig zu verfolgen scheint.
Zweifellos besteht eine wichtige Aufgabe darin, den kommenden Generationen eine saubere Umwelt zu hinterlassen. Über die Maßnahmen zum Umweltschutz kann man zwar streiten, aber die Aufgabe als solche ist nicht zu bezweifeln. Indes, längst haben sich die Sozialisten des Themas angenommen. Wie raffiniert sie vorgehen, beschreibt Thorsten Polleit vom Degussa Goldhandel so:
„Nicht durch den freien Markt, durch marktbasierte Arbeitsteilung und Freihandel soll gesteuert werden, was, wann und wo produziert und konsumiert wird, sondern diese Entscheidungen sollen das Ergebnis eines politischen Gestaltungswillens sein. Und dafür sei es vor allem erforderlich, so die Befürworter der politischen Globalisierung, dass die Nationalstaaten ihre Souveränität an supranationale Instanzen abtreten.“
Zu solchen Instanzen gehört die EZB, unter Christine Lagarde noch mehr als unter ihrem Vorgänger Mario Draghi. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben wird darin bestehen, den Sozialismus durch die Hintertür einzuführen: mithilfe der Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik, üblicherweise als "Vergemeinschaftung" bezeichnet. Dafür eignet sich das Klima-Thema besonders gut, weil niemand etwas gegen den Umweltschutz haben kann.
Fazit: Verfolgen Sie in nächster Zeit am besten alles, was von der EZB und speziell von ihrer Chefin Lagarde veröffentlicht wird. Denn es dürfte Hinweise darauf enthalten, wie im Endeffekt deutsche Steuerzahler auf dem Umweg über die Vergemeinschaftung von Schulden zur Kasse gebeten werden sollen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Die große Illusion der Sparer
Es gibt zumindest eine vielsagende Verbindungslinie zwischen beiden Ereignissen, und die wird auf Umwegen deutsche Steuerzahler treffen: Johnsons klarer Wahlerfolg bedeutet, dass der Brexit ohne Wenn und Aber durchkommt - und dass Deutschland dadurch in der EU schlagartig an Einfluss verliert. Denn zusammen mit den Briten konnten die Deutschen bislang die Franzosen und deren Mitstreiter unter den EU-Ländern in Schach halten, wenn es um die Ausweitung sozialistischer Umtriebe ging. Damit ist vom kommenden Jahr an Schluss, und die Dominanz der Franzosen wird mittelbar zu höheren Ausgaben im deutschen Staatshaushalt führen.
Dass Lagarde sich mit der EZB an diesem Finanzpoker beteiligen wird, ließ sie in ihrer Rede am vergangenen Donnerstag deutlich anklingen, indem sie neben anderen Zielen auch den Kampf gegen die Armut und den Klimawandel in den Vordergrund rückte. So etwas nennt man: Ausdehnung des geldpolitischen Mandats.
Damit nicht genug, Lagarde hat in der umstrittenen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Mitstreiterin gefunden, die offenbar aller Welt demonstrieren will, was sie drauf hat: Mit einem an die 50 Punkte umfassenden Programm, das konkrete Klimaziele bereits vom nächsten Sommer an festlegen will. Dazu sollen neben entsprechend vielen Gesetzen auch Initiativen und Aktionspläne gehören. Und weil das alles sehr viel Geld kosten würde, müssen neben den üblichen Finanzinstrumenten auch ganz besondere her. Gedacht ist an sogenannte grüne Anleihen.
Die Entscheidung der EZB vom vergangenen Donnerstag, den Leitzins von etwas unter 2 Prozent als Zielgröße zunächst beizubehalten, ist vorerst vertagt. Man kann dazu auch sagen: Beim aktuellen Stand von 1 Prozent in der Eurozone erscheint es überflüssig, dazu auch nur ein Wort zu verschwenden. Oder wie Hans-Werner Sinn, der ehemalige Chef des ifo-Instituts, sich vor Kurzem in einem YouTube-Interview über das Inflationsziel lustig machte: Es sei „irgendwie hirnrissig“. Zumal darüber im Maastricht-Vertrag von 1992 nicht mal ein Wort zu finden war. Es wurde später einfach als Steuerungsgröße hinzugedichtet.
Dennoch will Lagarde sich schon in Kürze des Themas annehmen. Dafür stehen ihr drei Maßnahmen zur Verfügung: ein flexibles Inflationsziel, seine Senkung oder seine Abschaffung. Egal, welche von diesen Maßnahmen zum Zuge kommen dürfte, in allen drei Fällen wird Lagarde viel daran liegen, das Thema möglichst geräuschlos aus der Welt zu schaffen. Denn wie der vergangene Donnerstag gezeigt hat, will sie sich den aus ihrer Sicht wichtigeren Aufgaben widmen: Digitalisierung, Abwehr von Hackerangriffen, Kampf gegen die Geldwäsche, soziale Ungleichheit und Klimawandel einschließlich grüner Anleihen.
Wer nun glaubt, das alles sei viel zu ehrgeizig und an den Haaren herbeigezogen, wird sich wahrscheinlich schon bald eines Besseren belehren lassen müssen, weil dahinter ein klares Ziel steckt: Die Geldpolitik will und soll sich vor allem in den Dienst der Fiskalpolitik stellen. Daraus folgt: Das von Bundesbank-Chef Jens Weidmann immer wieder kritisierte Auseinandergehen von Handeln (Schulden machen) und Haften (dafür die volle Verantwortung übernehmen) wird eher zu- als abnehmen - womit die Ausdehnung des geldpolitischen Mandats der EZB eine nochmals größere Dimension annimmt.
Wie konnte es so weit kommen, dass mittlerweile kein Tag vergeht, ohne dass jemand mit Vorschlägen kommt, die auf dieses Mandat abzielen? Darauf gibt es im Wesentlichen drei Antworten: Weil die traditionelle Geldpolitik an ihre Grenzen gestoßen ist, weil deshalb Alternativen dringend vonnöten sind - und weil Themen wie der Kampf für ein gutes Klima und gegen die böse soziale Ungerechtigkeit oder gegen die nicht minder böse Geldwäsche sich besser verkaufen lassen als die moderne monetäre Theorie oder die Aufgabentrennung von Geld- und Fiskalpolitik.
Martin Moryson, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft DWS, sieht schon die Folgen aufziehen: "Die Aufnahme klimapolitischer Ziele dürfte gerade in Deutschland trotz der großen Beliebtheit des Themas für einigen Sprengstoff sorgen." Diese Aussage ist nicht allein wegen des Sprengstoffs interessant, sondern auch wegen der vermeintlichen Beliebtheit. Da fragt man sich unwillkürlich, ob wir schon in einer grünen Republik leben - oder ob wir auf das Thema einfach nur so intensiv gestoßen werden, dass es uns ständig zu verfolgen scheint.
Zweifellos besteht eine wichtige Aufgabe darin, den kommenden Generationen eine saubere Umwelt zu hinterlassen. Über die Maßnahmen zum Umweltschutz kann man zwar streiten, aber die Aufgabe als solche ist nicht zu bezweifeln. Indes, längst haben sich die Sozialisten des Themas angenommen. Wie raffiniert sie vorgehen, beschreibt Thorsten Polleit vom Degussa Goldhandel so:
„Nicht durch den freien Markt, durch marktbasierte Arbeitsteilung und Freihandel soll gesteuert werden, was, wann und wo produziert und konsumiert wird, sondern diese Entscheidungen sollen das Ergebnis eines politischen Gestaltungswillens sein. Und dafür sei es vor allem erforderlich, so die Befürworter der politischen Globalisierung, dass die Nationalstaaten ihre Souveränität an supranationale Instanzen abtreten.“
Zu solchen Instanzen gehört die EZB, unter Christine Lagarde noch mehr als unter ihrem Vorgänger Mario Draghi. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben wird darin bestehen, den Sozialismus durch die Hintertür einzuführen: mithilfe der Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik, üblicherweise als "Vergemeinschaftung" bezeichnet. Dafür eignet sich das Klima-Thema besonders gut, weil niemand etwas gegen den Umweltschutz haben kann.
Fazit: Verfolgen Sie in nächster Zeit am besten alles, was von der EZB und speziell von ihrer Chefin Lagarde veröffentlicht wird. Denn es dürfte Hinweise darauf enthalten, wie im Endeffekt deutsche Steuerzahler auf dem Umweg über die Vergemeinschaftung von Schulden zur Kasse gebeten werden sollen.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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