Jahr der Ratte
02.02.2020 | Manfred Gburek
Zurzeit fragen sich viele Anleger, welchen Einfluss das um sich greifende Coronavirus auf Aktien, Anleihen, Gold, Silber, Rohstoffe, Immobilien und sonstige Anlageklassen haben kann. Dazu grassieren plausible wie auch abartige Überlegungen. Bleiben wir lieber bei den Fakten, wie sie sich gerade präsentieren:
Tausende infizierte Personen, davon fast alle in China, Hunderte von Todesfällen überwiegend ebenfalls in China, der erste festgestellte Infektionsfall erst am 17. Januar weltweit bekannt geworden. Das Virus hat sich rasend schnell ausgebreitet. Bedenkt man, dass der erste Todesfall bereits am 12. Dezember registriert worden war, ist davon auszugehen, dass die Verbreitung auch in den nächsten Tagen mit hoher Geschwindigkeit fortschreiten wird.
"Zunächst ist die Datenlage zum Coronavirus noch nicht aussagekräftig genug", schreibt die DWS, Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, in einer aktuellen Analyse und prognostiziert: "So dürfte einerseits allein die Aufmerksamkeit, die das Virus nun bekommt, dazu führen, dass mehr Fälle bekannt und registriert werden." Das bedeutet für Anleger zunächst grundsätzlich, dass sie sich in den kommenden Monaten auf erhebliche Schwankungen an den Kapitalmärkten einstellen müssen.
Die Ausbreitung des Coronavirus weckt Erinnerungen an die SARS-Epidemie 2002/03. Damals kam es zu einem kräftigen Rückgang des Wirtschaftswachstums und der Aktienkurse. Beide Indikatoren erholten sich dann jedoch wieder recht flott. Ihre Entwicklung wurde durch den Einfluss aus der Politik überlagert: Davon bleibt haften, dass die Aktienkurse vom Frühjahr 2003 an zu steigen begannen und erst 2008 im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise zurückfielen, das allerdings besonders heftig.
Zugegeben, historische Vergleiche hinken immer irgendwie. Doch man sollte sie trotzdem heranziehen und um weitere Indikatoren ergänzen. Bedenken wir: Während 2003 die Aktienkurse am Boden lagen, befinden sie sich heute in luftiger Höhe. Die Preise von Gold und Silber, die im Frühjahr 2001 einen zehnjährigen Aufwärtstrend eingeleitet hatten, setzten ihren Anstieg erst in den beiden vergangenen Jahren mit Unterbrechungen fort. Und jetzt? Zweifellos werden die Preise beider Edelmetalle noch so lange Potenzial nach oben haben, wie die realen Renditen (Nominalzinsen abzüglich Inflationsrate), vor allem auch die der amerikanischen Staatsanleihen, negativ sind.
Bei dieser Gelegenheit sei vor unbedachten Floskeln vieler Börsenkommentatoren gewarnt, die etwa wie folgt daherkommen: Der Dax (wahlweise der Dow Jones) ist um so und so viele Punkte gestiegen (oder gefallen), weil das Coronavirus sich weniger stark (oder stärker) als erwartet ausbreitet. Dazu gibt es oft noch einen Nachschlag dieser Art: Der Goldpreis ist gestiegen (gefallen), weil - und so weiter. Das alles ist zwar barer Unsinn, aber nicht mehr aus den Köpfen entsprechender Kommentatoren heraus zu bekommen.
Zweifellos wird das Coronavirus das Wachstum der Weltwirtschaft und damit auch die Aktienkurse negativ beeinflussen. Man denke etwa an die internationalen Lieferketten und an den Tourismus. Die DWS wagt zur weiteren Entwicklung in China, dem entscheidenden Land, die folgende Analyse und Prognose:
"Die unserer Meinung nach am stärksten betroffenen Sektoren sind: Transport (trug 2018 noch 4,5 Prozent zum BIP (Wirtschaftsleistung) bei und könnte das BIP-Wachstum unserer Einschätzung nach 2020 um 0,25 Prozentpunkte verlangsamen), Gastgewerbe (1,2 Prozent und 0,1 Prozentpunkte respektive weniger) sowie der Groß- und Einzelhandel (9,3 Prozent und 0,25 Prozentpunkte respektive weniger). Dazu kommt der gesamtwirtschaftliche Einfluss durch die zwei zusätzlichen Feiertage, die das BIP wiederum um 0,55 Prozentpunkte beeinträchtigen könnten, was in Summe einem BIP-Einfluss von - 1,15 Prozent entspricht."
Solche oder ähnliche Fakten und Prognosen wirken sich eher über kurz als über lang auf alle Anlageklassen aus. Dabei fungieren die Aktienkurse als besonders zuverlässige Seismographen bzw. Stimmungsindikatoren. Auf sie zu achten, wird in nächster Zeit extrem wichtig sein. Warum, ergibt sich aus den Meldungen, die täglich von Unternehmen auf uns niederprasseln. Hier sind ein paar Beispiele: Flüge von und nach China werden rigoros gestrichen, VW lässt die Arbeit in Peking vorübergehend ruhen, Konkurrent Toyota legt in China ganze Fertigungsstraßen still, Apple muss auf in China produzierte Bauteile warten, und Einzelhändler wie Ikea oder H&M machen einfach Läden dicht.
Man braucht kein Prophet zu sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass sich all das negativ auf die Aktienkurse auswirken wird, und zwar weltweit. Dagegen argumentieren Optimisten wie folgt: Schwächt sich das Wirtschaftswachstum ab, halten die Zentralbanken mit Geldspritzen und die Regierungen mit Ausgabenprogrammen dagegen. Doch diese Aussage enthält gleich zwei Denkfehler: Erstens hängt der Erfolg der Geldspritzen davon ab, wie viel Potenzial in ihnen steckt; die EZB hat in der Draghi-Ära das meiste davon ja längst verbraucht. Und zweitens sind Ausgabenprogramme keine Selbstläufer. Oder wie es symbolisch so treffend heißt: Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen, aber saufen müssen sie selbst.
Bleiben wir noch ein wenig im Tierreich. Am 25. Januar begann in China das Jahr der Ratte. Wer in diesem Zeichen geboren ist, gilt als klug, einfallsreich, kreativ und hat ein Faible für gute Geschäfte. Das vorangegangene Jahr der Ratte war 2008 - ein Schrecken für Daueraktionäre, aber äußerst lukrativ für alle Anleger, die Aktien zu Tiefstkursen ergattern konnten und dafür auch noch vom Staat belohnt wurden: durch die bis Ende 2008 bestehende Möglichkeit, Aktien zu kaufen, ohne ab 2009 Abgeltungsteuer zahlen zu müssen.
Die Preise von Gold und Silber fielen 2008 zwar ebenfalls, aber nicht so stark wie die Aktienkurse. Danach erholten sie sich wieder und erreichten 2011 ihr vorläufiges Hoch. Doch im Gegensatz zu den Aktienkursen setzten sie ihren Höhenflug zunächst nicht mehr fort. Das dürfte sich 2020 ändern, und zwar, sobald Anleger im Jahr der Ratte ihr Faible für gute Geschäfte klug, einfallsreich und kreativ in die Tat umsetzen. Konkret: Erst Gold und Silber einschließlich Minenaktien intensiv verfolgen und bei zwischenzeitlichen Preisrückgängen (zu)kaufen, im Lauf des Jahres nach einem massiven Rücksetzer der Aktien aus Dax, MDax, Dow Jones & Co. auch dort selektiv einsteigen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Inside Deutsche Bank
Tausende infizierte Personen, davon fast alle in China, Hunderte von Todesfällen überwiegend ebenfalls in China, der erste festgestellte Infektionsfall erst am 17. Januar weltweit bekannt geworden. Das Virus hat sich rasend schnell ausgebreitet. Bedenkt man, dass der erste Todesfall bereits am 12. Dezember registriert worden war, ist davon auszugehen, dass die Verbreitung auch in den nächsten Tagen mit hoher Geschwindigkeit fortschreiten wird.
"Zunächst ist die Datenlage zum Coronavirus noch nicht aussagekräftig genug", schreibt die DWS, Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, in einer aktuellen Analyse und prognostiziert: "So dürfte einerseits allein die Aufmerksamkeit, die das Virus nun bekommt, dazu führen, dass mehr Fälle bekannt und registriert werden." Das bedeutet für Anleger zunächst grundsätzlich, dass sie sich in den kommenden Monaten auf erhebliche Schwankungen an den Kapitalmärkten einstellen müssen.
Die Ausbreitung des Coronavirus weckt Erinnerungen an die SARS-Epidemie 2002/03. Damals kam es zu einem kräftigen Rückgang des Wirtschaftswachstums und der Aktienkurse. Beide Indikatoren erholten sich dann jedoch wieder recht flott. Ihre Entwicklung wurde durch den Einfluss aus der Politik überlagert: Davon bleibt haften, dass die Aktienkurse vom Frühjahr 2003 an zu steigen begannen und erst 2008 im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise zurückfielen, das allerdings besonders heftig.
Zugegeben, historische Vergleiche hinken immer irgendwie. Doch man sollte sie trotzdem heranziehen und um weitere Indikatoren ergänzen. Bedenken wir: Während 2003 die Aktienkurse am Boden lagen, befinden sie sich heute in luftiger Höhe. Die Preise von Gold und Silber, die im Frühjahr 2001 einen zehnjährigen Aufwärtstrend eingeleitet hatten, setzten ihren Anstieg erst in den beiden vergangenen Jahren mit Unterbrechungen fort. Und jetzt? Zweifellos werden die Preise beider Edelmetalle noch so lange Potenzial nach oben haben, wie die realen Renditen (Nominalzinsen abzüglich Inflationsrate), vor allem auch die der amerikanischen Staatsanleihen, negativ sind.
Bei dieser Gelegenheit sei vor unbedachten Floskeln vieler Börsenkommentatoren gewarnt, die etwa wie folgt daherkommen: Der Dax (wahlweise der Dow Jones) ist um so und so viele Punkte gestiegen (oder gefallen), weil das Coronavirus sich weniger stark (oder stärker) als erwartet ausbreitet. Dazu gibt es oft noch einen Nachschlag dieser Art: Der Goldpreis ist gestiegen (gefallen), weil - und so weiter. Das alles ist zwar barer Unsinn, aber nicht mehr aus den Köpfen entsprechender Kommentatoren heraus zu bekommen.
Zweifellos wird das Coronavirus das Wachstum der Weltwirtschaft und damit auch die Aktienkurse negativ beeinflussen. Man denke etwa an die internationalen Lieferketten und an den Tourismus. Die DWS wagt zur weiteren Entwicklung in China, dem entscheidenden Land, die folgende Analyse und Prognose:
"Die unserer Meinung nach am stärksten betroffenen Sektoren sind: Transport (trug 2018 noch 4,5 Prozent zum BIP (Wirtschaftsleistung) bei und könnte das BIP-Wachstum unserer Einschätzung nach 2020 um 0,25 Prozentpunkte verlangsamen), Gastgewerbe (1,2 Prozent und 0,1 Prozentpunkte respektive weniger) sowie der Groß- und Einzelhandel (9,3 Prozent und 0,25 Prozentpunkte respektive weniger). Dazu kommt der gesamtwirtschaftliche Einfluss durch die zwei zusätzlichen Feiertage, die das BIP wiederum um 0,55 Prozentpunkte beeinträchtigen könnten, was in Summe einem BIP-Einfluss von - 1,15 Prozent entspricht."
Solche oder ähnliche Fakten und Prognosen wirken sich eher über kurz als über lang auf alle Anlageklassen aus. Dabei fungieren die Aktienkurse als besonders zuverlässige Seismographen bzw. Stimmungsindikatoren. Auf sie zu achten, wird in nächster Zeit extrem wichtig sein. Warum, ergibt sich aus den Meldungen, die täglich von Unternehmen auf uns niederprasseln. Hier sind ein paar Beispiele: Flüge von und nach China werden rigoros gestrichen, VW lässt die Arbeit in Peking vorübergehend ruhen, Konkurrent Toyota legt in China ganze Fertigungsstraßen still, Apple muss auf in China produzierte Bauteile warten, und Einzelhändler wie Ikea oder H&M machen einfach Läden dicht.
Man braucht kein Prophet zu sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass sich all das negativ auf die Aktienkurse auswirken wird, und zwar weltweit. Dagegen argumentieren Optimisten wie folgt: Schwächt sich das Wirtschaftswachstum ab, halten die Zentralbanken mit Geldspritzen und die Regierungen mit Ausgabenprogrammen dagegen. Doch diese Aussage enthält gleich zwei Denkfehler: Erstens hängt der Erfolg der Geldspritzen davon ab, wie viel Potenzial in ihnen steckt; die EZB hat in der Draghi-Ära das meiste davon ja längst verbraucht. Und zweitens sind Ausgabenprogramme keine Selbstläufer. Oder wie es symbolisch so treffend heißt: Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen, aber saufen müssen sie selbst.
Bleiben wir noch ein wenig im Tierreich. Am 25. Januar begann in China das Jahr der Ratte. Wer in diesem Zeichen geboren ist, gilt als klug, einfallsreich, kreativ und hat ein Faible für gute Geschäfte. Das vorangegangene Jahr der Ratte war 2008 - ein Schrecken für Daueraktionäre, aber äußerst lukrativ für alle Anleger, die Aktien zu Tiefstkursen ergattern konnten und dafür auch noch vom Staat belohnt wurden: durch die bis Ende 2008 bestehende Möglichkeit, Aktien zu kaufen, ohne ab 2009 Abgeltungsteuer zahlen zu müssen.
Die Preise von Gold und Silber fielen 2008 zwar ebenfalls, aber nicht so stark wie die Aktienkurse. Danach erholten sie sich wieder und erreichten 2011 ihr vorläufiges Hoch. Doch im Gegensatz zu den Aktienkursen setzten sie ihren Höhenflug zunächst nicht mehr fort. Das dürfte sich 2020 ändern, und zwar, sobald Anleger im Jahr der Ratte ihr Faible für gute Geschäfte klug, einfallsreich und kreativ in die Tat umsetzen. Konkret: Erst Gold und Silber einschließlich Minenaktien intensiv verfolgen und bei zwischenzeitlichen Preisrückgängen (zu)kaufen, im Lauf des Jahres nach einem massiven Rücksetzer der Aktien aus Dax, MDax, Dow Jones & Co. auch dort selektiv einsteigen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Inside Deutsche Bank