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Bargeld unter Beschuss

09.02.2020  |  Manfred Gburek
Die Methoden zur sukzessiven Bargeldabschaffung treiben mittlerweile seltsame Blüten. Da erdreistet sich die EU-Kommission zum Beispiel, gemeinsame Rundungsregeln im Zahlungsverkehr mit Münzen vorzuschlagen. Dahinter steckt der Plan,1- und 2-Cent-Münzen aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei geht es vordergründig darum, die Kosten für deren Prägung, Zählung und Transport einzusparen - als hätte man vor der Einführung der Minimünzen nichts von solchen Kosten gewusst.

In Wahrheit startet die EU-Kommission einen Versuchsballon dieser Art: Wird ohnehin schon über die Abschaffung des Bargelds - wenngleich in diesem Fall nur 1- und 2-Cent-Münzen betreffend - diskutiert, dann soll doch bitteschön auch gleich die generelle Abschaffung auf die Agenda kommen, argumentieren die Bargeldgegner.

So gesehen trifft es sich aus Sicht der EU-Kommission gut, dass die Bundesregierung, neben der Deutschen Bundesbank eine Bargeld-Verteidigerin, derzeit wegen der Thüringen-Affäre und ihrer Folgen überwiegend mit sich selbst beschäftigt ist. Folglich wird es ihr bis auf Weiteres kaum möglich sein, über ihren Wissensstand in dieser Angelegenheit aus dem Jahr 2018 hinaus zu gelangen. Damals hinterließ das Bundesfinanzministerium einen ziemlich schwachen Eindruck, wie die folgenden Teile aus seiner Antwort auf die Fragen eines Abgeordneten belegen:

"Die Bundesregierung verfügt über keine Informationen, wie hoch die zu erwartenden zusätzlichen Bankgebühren im Falle der Abschaffung von Bargeld pro Jahr wären. Wenn es zu einer umfassenden Auswertung von bargeldlosen Zahlungsvorgängen käme, könnte das Risiken für die Freiheitsrechte (insbesondere die Handlungsfreiheit und den Daten- und Privatsphärenschutz) der Bürgergerinnen und Bürger mit sich bringen.

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es im Rahmen der geltenden Bestimmungen grundsätzlich den jeweiligen im Wettbewerb stehenden Instituten überlassen bleiben sollte, welche Dienstleistungen sie in welcher Weise bepreisen." Und so weiter - eines von mehreren Ablenkungsmanövern.

Derweil wurde woanders Geschichte geschrieben: in Indien. Dort verkündete der Regierungschef aus gegebenem Anlass „völlig überraschend, dass mit sofortiger Wirkung die beiden größten Geldscheine und damit über 80 Prozent des umlaufenden Bargelds ungültig wurden und binnen kurzer Zeit gegen Bankguthaben eingetauscht werden mussten. Das verursachte riesiges Chaos und monatelange extreme Bargeldknappheit, die es den extrem vielen in der Schattenwirtschaft ihr Dasein fristenden Indern sehr schwer machte, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“ Dieser Textauszug stammt aus einem Beitrag des auf das Bargeldthema spezialisierten Journalisten Norbert Häring.

Cent-Münzen auf dem Prüfstand, die unwissende Bundesregierung, das indische Experiment - ist das alles nur Zufall? Kaum zu glauben. Es bedarf nur eines entscheidenden Anstoßes, und schon werden aus vorhandenen Plänen Tatsachen. Der Anstoß muss nicht gleich von einem Crash kommen, die Finanzbranche gibt ja auch anderweitig genug Anlass zu Marktkorrekturen. Ein typisches aktuelles Beispiel: Die Hälfte der europäischen Staatsanleihen hat negative Renditen. Da brennt bereits die Lunte.

Der Brexit scheint aus den Schlagzeilen verschwunden zu sein. Wer nun jedoch glaubt, sich darüber freuen zu können, die Briten endlich losgeworden zu sein, wird noch ein blaues Wunder erleben. Denn Premier Boris Johnson hat mehr als ein Mal verkündet, dass er auf die EU-Regularien pfeift. Das betrifft an vorderster Stelle den Finanzsektor und erinnert fatal an den Big Bang (sinngemäß: großer Knall, Herausforderung) aus dem Jahr 1986, Startschuss für gewaltige Spekulationen, die später mehrfach böse endeten. Damals hielt die britische Börsenaufsicht einfach still, sodass es im Börsenhandel immer wieder zu Exzessen kam.

Und nun? Die Londoner Investmentbanker können sich darauf verlassen, dass Mark Carney, Chef der Bank of England, in Zusammenarbeit mit Boris Johnson so schnell wie möglich für die Abschaffung der bisherigen strengen Vorgaben aus der EU sorgen wird. Bevor auch in London die Lunte brennt, mögen zwar noch einige Monate vergehen. Aber schon jetzt planen die dortigen Investmentbanker den Angriff auf andere Börsenplätze, weniger auf Frankfurt oder Paris, wo es nach ihrem Empfinden zu gemütlich zugeht, mehr auf New York - womit die Spekulation neue Dimensionen erreichen dürfte.

Das alles hat zwar keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Thema Bargeld, wohl dagegen einen mittelbaren. Dazu braucht man sich nur nachträglich vor Augen zu führen, wie es im Krisenjahr 2008 zuging: Schlangen vor Geldautomaten und verzweifelte Anleger, die mit Derivaten ihr Vermögen verloren. Da konnte man von Glück reden, dass die Kanzlerin und ihr Finanzminister es schafften, mittels Fernsehauftritt die Bundesbürger zumindest so weit zu beruhigen, dass aus alldem kein Bankrun erwuchs wie zuvor in Großbritannien.

Ein zweites Mal dürfte so etwas nicht gelingen, weil Bankautomaten dieses Mal schon bei ersten Anzeichen einer sich anbahnenden Finanzkrise recht schnell leer sein dürften und weil die spekulativ aufgeblasenen Börsen in New York und jetzt auch in London nichts Gutes verheißen.

Bargeld zu null Prozent Zinsen, Geld bei der Bank, Sparkasse oder in Anleihen zu negativen Zinsen - da fällt die Wahl nicht schwer, auch wenn die neue 2000-Euro-Barriere die Anlage etwas umständlich macht. Das ist zwar nicht von Dauer, aber temporär und eine Alternative zu den jetzt viel propagierten Fonds, speziell ETFs, zu Zertifikaten, Aktienanleihen und sonstigen Erfindungen der Finanzwirtschaft.

Darüber hinaus sollten Anleger bedenken, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der von amerikanischen Interessen gesteuerte Internationale Währungsfonds den nächsten Schuss aufs Bargeld abfeuern wird. Zuletzt hat er für ein weltweites Echo gesorgt, als er die Trennung von elektronischem Geld einerseits und Bargeld andererseits vorschlug, wobei Bargeld eine Art Strafzins aufgebrummt bekommen sollte. Da bleibt Anlegern zunächst nichts anderes übrig, als ihr Bares an sicherer Stelle aufzubewahren und so lange zu hüten, bis sich die potenziellen Bargeld-Abschaffer neue Zwangsmaßnahmen ausdenken.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

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