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Neue Währung, Inflation, Diktatur, Krieg

16.02.2020  |  Manfred Gburek
Täglich neue Hiobsbotschaften zu den negativen wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus, und die Börsianer treiben die Aktienkurse einfach weiter in die Höhe - wie reimt sich das? Nach den bisherigen Erfahrungen mit Börsenreaktionen auf negative Nachrichten zunächst mal so: Börsianer nehmen mit steigenden Aktienkursen vorweg, dass die Zentralbanken zur Abwendung einer globalen Wirtschaftskrise Geld in die Märkte pumpen werden, das sich kursstimulierend auszuwirken verspricht.

Aber geht diese Rechnung auch jetzt auf, ähnlich wie nach Überwindung der Finanzkrise vor gut zehn Jahren oder nach dem legendären Spruch "whatever it takes" von Ex-EZB-Chef Mario Draghi im Sommer 2012? Dazu in aller Kürze die Fakten: Die Wirkungsdauer von Corona ist nicht abzuschätzen. Der Vergleich mit der SARS-Epidemie aus dem Jahr 2003 hinkt allein schon deshalb, weil Chinas Anteil an der Weltwirtschaft seinerzeit nur 4 Prozent betrug, während er zuletzt 16 Prozent ausgemacht hat. Das chinesische Wirtschaftswachstum - und allein schon wegen der globalen, jetzt unterbrochenen Lieferketten auch das in anderen Ländern - wird 2020 geringer ausfallen als während der vergangenen Jahre.

Die internationalen Großanleger dürften von nun an im Rhythmus der Nachrichten aus China Tag für Tag abwägen, ob sie den Aktienanteil in ihren Portfolios erhöhen sollen, weil die Zentralbanken viel Geld pumpen, oder ob sie ihn lieber senken, weil das geringer werdende chinesische Wirtschaftswachstum die Korrektur der Bewertungskennzahlen für Aktien erforderlich macht. Aus einer aktuellen Studie der Fondsgesellschaft DWS geht hervor, „dass im Aktiensegment der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinnen grundsätzlich stark ist“. Börsianer sind also gut beraten, auch diesen Aspekt zu berücksichtigen.

Aus alldem lässt sich schließen, dass die Stimmung unter den Großanlegern, wie schon jetzt an den Börsen zu beobachten ist, in diesem Jahr hin und her schwanken wird: Setzen sich die eher fundamental ausgerichteten Profis durch, fallen die Aktienkurse, kommen die Monetaristen zum Zug, steigen sie wieder. Wobei Letztere noch ein Argument für sich haben: Der seit Monaten beschworene „green deal“ (frei interpretiert und auf den Punkt gebracht: zusätzliches Geld für den Umweltschutz) wird sich positiv auf Anleihen und nebenbei auch auf Aktien auswirken. Wie lange noch, steht allerdings in den Sternen.

Der Finanzjournalist Ernst Wolff, Autor des 2017 erschienen Buchs „Finanz-Tsunami“, hat sich intensiv mit den möglichen Folgen der Geldschwemme beschäftigt. Er kommt zu folgendem Ergebnis: "Wir sind in eine historische Phase eingetreten, in der es nur noch bergauf gehen darf, weil jede stärkere Abwärtsbewegung das gesamte System zum Einsturz bringen könnte. Gleichzeitig aber haben die globalen Schulden den Punkt der Rückzahlbarkeit längst überschritten, und die beiden Mittel der Geldschöpfung und des Senkens der Zinsen sind inzwischen weitgehend ausgereizt."

Nanu, das Buch ist vor drei Jahren erschienen, aber ausgereizt scheinen die beiden genannten Methoden der Geldpolitik immer noch nicht zu sein - hat Wolff sich da etwa geirrt? Nein, hat er nicht; denn an seiner Aussage als solcher ist kaum zu rütteln, nur das Timing hat nicht ganz gestimmt. Also noch weitere Geldschöpfungs-Runden? Denkbar, doch keineswegs nachhaltig.

Als wenn es dazu noch einer weiteren kompetenten Stimme bedurft hätte: Otmar Issing, ehemals Chefvolkswirt der EZB, vertritt in einem aktuellen Interview auf YouTube die Ansicht, dass es der EZB sehr schwer fallen wird, sich aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik herauszuwinden. Nebenbei bemerkt: Die MMT (Moderne Monetäre Theorie), von ihren Anhängern offenbar als ultimative Rettung vor einem Geld-Kollps angesehen, ist nach Issings Meinung „gefährlicher Unsinn“.

Zur kommenden Tsunami-Entwicklung zählt Wolff vier Optionen auf: 1. Der Internationale Währungsfonds greift mit einer eigenen Währung ein; es handelt sich um die bereits in früheren Zeiten heiß diskutierten Sonderziehungsrechte. 2. Konsumenten erhalten finanzielle Geschenke in Form von sogenanntem Helikoptergeld - mit der Folge, dass es zu einer ausartenden Inflation kommt. 3. Immer mehr Diktaturen machen sich breit; einige Regierungen steuern schon jetzt dahin. 4. Im Gefolge der zahlreichen Stellvertreterkriege bricht ein flächendeckender Krieg aus, zum Beispiel um Öl oder - viel schlimmer - weil die USA das wirtschaftliche und vor allem das militärische Vordringen von China nicht weiter tolerieren.

Eintrittswahrscheinlichkeiten für die vier Optionen zu nennen, ist nicht möglich, weil zwischen ihnen viele Interdependenzen bestehen, die sich im Zeitablauf ständig ändern. Konzentrieren wir uns nur auf eine: Helikoptergeld und damit Inflation, ein vor allem in Deutschland immer wieder mal heiß diskutiertes Thema - wie jetzt, und zwar aus gegebenem Anlass: Philip Lane, der aktuelle Chefvolkswirt der EZB, hat laut darüber nachgedacht, Ausgaben fürs Wohnen, auf die in Deutschland etwa ein Drittel des verfügbaren Einkommens entfällt, stärker in die Berechnung der Inflation einzubeziehen.

Von manchen Medien vorzeitig als Gag abgetan, ist doch etwas dran. Denn wie Issing im erwähnten Interview anmerkt, wurde die Reform der mittlerweile wenig aussagefähigen Inflationsrate in der Eurozone jahrelang hinausgezögert, sodass wir es immer wieder mit Fehlinterpretationen zu tun bekommen. Nahe bei, aber unter 2 Prozent, dieses Inflationsziel taugt für die EZB wahrlich nicht mehr als Steuerungsgröße. Issing hält deshalb eine möglichst baldige Reform für nötig.

Mein heutiger Beitrag enthält - vom Coronavirus über Tsunami-Optionen bis zur Inflation - eine ganze Reihe von Themen, die scheinbar nur wenig miteinander zu tun haben. Dennoch ist ihnen eines gemeinsam: Will man nicht zur Unzeit böse überrascht werden, empfiehlt es sich, sie laufend zu verfolgen. Dazu gehört übrigens auch die Beschäftigung mit der aktuellen Politik und ihren Folgen. Aber dieses Thema hebe ich mir für später auf.

Das laufende Verfolgen schließt übrigens ein, dass man zumindest auch die Aktienkurse und den Goldpreis sowohl als Seismografen der Geldpolitik wie auch als Vorläufer der Konjunktur interpretieren sollte. Entsprechendes gilt für die Anlagestrategie, zu der sich in diesen turbulenten Zeiten vor allem Gold als Basisinvestment anbietet.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei gburek.eu: Trügerische Kurven


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