Spielplatz Börse
01.03.2020 | Manfred Gburek
Nachdem das Coronavirus die Börsen durchgeschüttelt hat, wird es Zeit für eine Analyse und für den Ausblick in die kommenden Monate. Eines steht bereits jetzt fest: An zwischenzeitlichen Kursverlusten kommt niemand, der Aktien oder Aktienfonds besitzt, vorbei. Diese Aussage lässt sich recht einfach fundamental begründen: Das neue Virus zieht mittelbar weltweit Umsatz- und Gewinneinbrüche nach sich, Ende offen. Wir haben es folglich mit einem qualitativen, einem quantitativen und einem zeitlichen Problem zu tun.
Wie werden sich die maßgebenden Entscheider in Regierungen und Zentralbanken dagegen stemmen? Die Richtung ist vorgegeben: Regierungen werden sich noch höher verschulden als ohnehin schon, Zentralbanken werden ihre Geldpolitik weiter ausdehnen - und damit es bloß nicht zu einem Finanz-GAU kommt, werden beide den Turbo einschalten.
Also alles wie gewohnt? Nein, denn jeder wirtschaftliche und damit auch finanzielle Umbruch hat seine Besonderheiten. Der jetzige unterscheidet sich von den vergangenen zum Beispiel dadurch, dass die EZB während der Amtszeit von Mario Draghi die Zinsen unter Null sinken ließ, sodass Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde mit einem unlösbar scheinenden Problem zu kämpfen hat: Eine nochmalige Zinssenkung zur vermeintlichen Stimulierung der Konjunktur würde kaum noch eine positive Wirkung nach sich ziehen, ja sogar eine negative: Sparer, die ihr Geld etwa auf Konten, in Lebensversicherungen oder Pensionskassen investiert haben, müssten zusätzlich erhebliche Abstriche in Kauf nehmen.
In knapp zwei Wochen, am 12. März, werden wir mehr erfahren. Dann will die EZB ihre Geldpolitik "made by Christine Lagarde" neu ausrichten. Im Gespräch ist unter anderem eine nochmalige Senkung des Einlagenzinses von derzeit minus 0,5 Prozent auf einen niedrigeren Satz - arme Sparer! Nebenbei bemerkt: Auch eine Klimakomponente soll in die Geldpolitik integriert werden. Lassen wir uns überraschen. Bis dahin werden die möglichen Folgen des Coronavirus den Gang der Dinge bestimmen.
Dessen Hartnäckigkeit ergibt sich, ökonomisch gesehen, aus dem Zusammentreffen von vier gravierenden Einflussfaktoren: unterbrochene Lieferketten, die große Bedeutung Chinas für den Export (besonders für den deutschen), Zurückhaltung bei wichtigen Investitionsentscheidungen und ein schwierigeres Umfeld für die Beschaffung von Eigenkapital (bedingt durch den Sturz der Aktienkurse) wie auch von Fremdkapital (wegen der strengeren Maßstäbe bei der Bewertung unternehmerischer Risiken).
Die aktuelle Entwicklung der Aktienkurse zeigt auf den ersten Blick Merkmale, wie wir sie von fast jeder Baisse kennen: Kurseinbruch zur großen Überraschung der Anlegermehrheit, relative Stärke oder Schwäche einzelner Aktiengruppen, verbale Auseinandersetzung zwischen Beschwichtigern und Crashpropheten, danach sogenannte technische Reaktionen nach oben und erste Meinungskäufe.
Doch der zweite Blick offenbart, dass dieses Mal einiges anders ist, und zwar gravierend: Wir haben die längste Hausse aller Zeiten erlebt. Aktien und Anleihen wurden besonders in den vergangenen zwei bis drei Jahren von Banken und Hedgefonds als Spielwiese genutzt. Da kam es nicht mehr auf Renditen an, sondern auf - zum Teil infinitesimal kleine - Kursgewinne. Diese Methode ging konform mit massiven Überbewertungen sowohl der Aktien als auch der Anleihen. Die Besonderheit des jetzigen Kurseinbruchs besteht auch darin, dass er sich konform zum Coronavirus global ausbreitet.
Im Übrigen: Dass eine Zentralbank wie die EZB ihr Pulver schon zu Beginn der Baisse weitgehend verschossen hat, wird mal in die Geschichtsbücher zur Geldpolitik eingehen.
Welche Indikatoren sollte man heranziehen, um die zukünftige Börsenentwicklung in den Griff zu bekommen?
Da bietet sich auf Anhieb die VDax-Methode für deutsche und die VIX-Methode für amerikanische Aktien an. V steht jeweils für den Index der Volatilität, also Schwankungsstärke (auf die nicht ganz einfache Berechnung sei hier verzichtet). Schießt der VDax bzw. der VIX nach einer längeren Aufwärts- oder Seitwärtsbewegung in die Höhe, findet dieser Vorgang parallel zum Absturz der Aktienkurse statt. Fallen danach die Indexkurse, ohne ihr Spitzenniveau wieder zu erreichen, ist die Baisse überstanden. Für private Anleger kommt es also darauf an, aus den Indexkursen die richtigen Schlüsse fürs Timing zu ziehen.
Handelt es sich dabei um eine verhältnismäßig leichte Übung - die entsprechenden Daten finden sich ja kostenlos auf den Internetseiten der gängigen Broker -, so erfordert die anschließende Auswahl der Aktien viel Kopfarbeit. Eine probate Hilfsgröße ist dabei die relative Stärke einer Aktie im Vergleich zum passenden Index, sei es der Dax, MDax, S&P 500 und so weiter, sei es ein Branchenindex oder eine sogenannte peer group.
So lassen sich auch Aktien von Gold- und Silberminen einordnen, indem man ihre Kurse mit den Indizes XAU oder HUI vergleicht. Doch hier sei vor zu frühen Schlussfolgerungen gewarnt, denn in diesem Metier sind Kennzahlen zu Kosten, Erlösen, Gewinnen und weiteren fundamentalen Daten von größerer Bedeutung als zum Beispiel die Interpretation erratischer Kursschwankungen der Gold- und Silberaktien, wie wir sie in der vergangenen Woche erlebt haben. Besonders deren Kurseinbruch vom vergangenen Donnerstag und Freitag hinterlässt enttäuschte Anleger. Nun kommt es auf deren Stehvermögen an.
Fazit: Der globale Einbruch der Aktienkurse ist kein Grund dafür, bereits jetzt wieder bei Aktien aus Dax & Co. einzusteigen (anders als bei Gold- und Silberaktien). VDax und VIX weisen stellvertretend den Weg. Dazu die folgende Beobachtung: Beide haben am vergangenen Freitag 40 Punkte erreicht und damit alle Punktzahlen aus den vergangenen Jahren übertroffen - bis auf eine, die vom Herbst 2008 datiert, mit dem Rekordwert von 80 Punkten. Ein Grund mehr, gerade in diesen Tagen VDax und VIX intensiv zu verfolgen. Je länger beide auf dem aktuellen Niveau verharren, ohne weiter in die Höhe zu schießen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass an den Börsen insgesamt das Schlimmste hinter uns liegt.
Wer auch nur die geringsten Zweifel an einer Aktie hegt, sollte ihren Kauf erst gar nicht in Betracht ziehen. Das gilt nicht für Gold- und Silberaktien, die bereits in der vergangenen Woche ihren Tiefpunkt erreicht haben dürften. Die Streuung des Vermögens über mehrere Anlageklassen erscheint wichtiger denn je. Es gilt, Klumpenrisiken zu vermeiden. Bis auf Weiteres ist ein ordentlicher Schuss an Liquidität Trumpf. Anders als Minenaktien bedeutet auch Gold in Form von Münzen und Barren Liquidität.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei gburek.eu: Finanzplanung im Zeichen des Coronavirus
Wie werden sich die maßgebenden Entscheider in Regierungen und Zentralbanken dagegen stemmen? Die Richtung ist vorgegeben: Regierungen werden sich noch höher verschulden als ohnehin schon, Zentralbanken werden ihre Geldpolitik weiter ausdehnen - und damit es bloß nicht zu einem Finanz-GAU kommt, werden beide den Turbo einschalten.
Also alles wie gewohnt? Nein, denn jeder wirtschaftliche und damit auch finanzielle Umbruch hat seine Besonderheiten. Der jetzige unterscheidet sich von den vergangenen zum Beispiel dadurch, dass die EZB während der Amtszeit von Mario Draghi die Zinsen unter Null sinken ließ, sodass Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde mit einem unlösbar scheinenden Problem zu kämpfen hat: Eine nochmalige Zinssenkung zur vermeintlichen Stimulierung der Konjunktur würde kaum noch eine positive Wirkung nach sich ziehen, ja sogar eine negative: Sparer, die ihr Geld etwa auf Konten, in Lebensversicherungen oder Pensionskassen investiert haben, müssten zusätzlich erhebliche Abstriche in Kauf nehmen.
In knapp zwei Wochen, am 12. März, werden wir mehr erfahren. Dann will die EZB ihre Geldpolitik "made by Christine Lagarde" neu ausrichten. Im Gespräch ist unter anderem eine nochmalige Senkung des Einlagenzinses von derzeit minus 0,5 Prozent auf einen niedrigeren Satz - arme Sparer! Nebenbei bemerkt: Auch eine Klimakomponente soll in die Geldpolitik integriert werden. Lassen wir uns überraschen. Bis dahin werden die möglichen Folgen des Coronavirus den Gang der Dinge bestimmen.
Dessen Hartnäckigkeit ergibt sich, ökonomisch gesehen, aus dem Zusammentreffen von vier gravierenden Einflussfaktoren: unterbrochene Lieferketten, die große Bedeutung Chinas für den Export (besonders für den deutschen), Zurückhaltung bei wichtigen Investitionsentscheidungen und ein schwierigeres Umfeld für die Beschaffung von Eigenkapital (bedingt durch den Sturz der Aktienkurse) wie auch von Fremdkapital (wegen der strengeren Maßstäbe bei der Bewertung unternehmerischer Risiken).
Die aktuelle Entwicklung der Aktienkurse zeigt auf den ersten Blick Merkmale, wie wir sie von fast jeder Baisse kennen: Kurseinbruch zur großen Überraschung der Anlegermehrheit, relative Stärke oder Schwäche einzelner Aktiengruppen, verbale Auseinandersetzung zwischen Beschwichtigern und Crashpropheten, danach sogenannte technische Reaktionen nach oben und erste Meinungskäufe.
Doch der zweite Blick offenbart, dass dieses Mal einiges anders ist, und zwar gravierend: Wir haben die längste Hausse aller Zeiten erlebt. Aktien und Anleihen wurden besonders in den vergangenen zwei bis drei Jahren von Banken und Hedgefonds als Spielwiese genutzt. Da kam es nicht mehr auf Renditen an, sondern auf - zum Teil infinitesimal kleine - Kursgewinne. Diese Methode ging konform mit massiven Überbewertungen sowohl der Aktien als auch der Anleihen. Die Besonderheit des jetzigen Kurseinbruchs besteht auch darin, dass er sich konform zum Coronavirus global ausbreitet.
Im Übrigen: Dass eine Zentralbank wie die EZB ihr Pulver schon zu Beginn der Baisse weitgehend verschossen hat, wird mal in die Geschichtsbücher zur Geldpolitik eingehen.
Welche Indikatoren sollte man heranziehen, um die zukünftige Börsenentwicklung in den Griff zu bekommen?
Da bietet sich auf Anhieb die VDax-Methode für deutsche und die VIX-Methode für amerikanische Aktien an. V steht jeweils für den Index der Volatilität, also Schwankungsstärke (auf die nicht ganz einfache Berechnung sei hier verzichtet). Schießt der VDax bzw. der VIX nach einer längeren Aufwärts- oder Seitwärtsbewegung in die Höhe, findet dieser Vorgang parallel zum Absturz der Aktienkurse statt. Fallen danach die Indexkurse, ohne ihr Spitzenniveau wieder zu erreichen, ist die Baisse überstanden. Für private Anleger kommt es also darauf an, aus den Indexkursen die richtigen Schlüsse fürs Timing zu ziehen.
Handelt es sich dabei um eine verhältnismäßig leichte Übung - die entsprechenden Daten finden sich ja kostenlos auf den Internetseiten der gängigen Broker -, so erfordert die anschließende Auswahl der Aktien viel Kopfarbeit. Eine probate Hilfsgröße ist dabei die relative Stärke einer Aktie im Vergleich zum passenden Index, sei es der Dax, MDax, S&P 500 und so weiter, sei es ein Branchenindex oder eine sogenannte peer group.
So lassen sich auch Aktien von Gold- und Silberminen einordnen, indem man ihre Kurse mit den Indizes XAU oder HUI vergleicht. Doch hier sei vor zu frühen Schlussfolgerungen gewarnt, denn in diesem Metier sind Kennzahlen zu Kosten, Erlösen, Gewinnen und weiteren fundamentalen Daten von größerer Bedeutung als zum Beispiel die Interpretation erratischer Kursschwankungen der Gold- und Silberaktien, wie wir sie in der vergangenen Woche erlebt haben. Besonders deren Kurseinbruch vom vergangenen Donnerstag und Freitag hinterlässt enttäuschte Anleger. Nun kommt es auf deren Stehvermögen an.
Fazit: Der globale Einbruch der Aktienkurse ist kein Grund dafür, bereits jetzt wieder bei Aktien aus Dax & Co. einzusteigen (anders als bei Gold- und Silberaktien). VDax und VIX weisen stellvertretend den Weg. Dazu die folgende Beobachtung: Beide haben am vergangenen Freitag 40 Punkte erreicht und damit alle Punktzahlen aus den vergangenen Jahren übertroffen - bis auf eine, die vom Herbst 2008 datiert, mit dem Rekordwert von 80 Punkten. Ein Grund mehr, gerade in diesen Tagen VDax und VIX intensiv zu verfolgen. Je länger beide auf dem aktuellen Niveau verharren, ohne weiter in die Höhe zu schießen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass an den Börsen insgesamt das Schlimmste hinter uns liegt.
Wer auch nur die geringsten Zweifel an einer Aktie hegt, sollte ihren Kauf erst gar nicht in Betracht ziehen. Das gilt nicht für Gold- und Silberaktien, die bereits in der vergangenen Woche ihren Tiefpunkt erreicht haben dürften. Die Streuung des Vermögens über mehrere Anlageklassen erscheint wichtiger denn je. Es gilt, Klumpenrisiken zu vermeiden. Bis auf Weiteres ist ein ordentlicher Schuss an Liquidität Trumpf. Anders als Minenaktien bedeutet auch Gold in Form von Münzen und Barren Liquidität.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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