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EZB-Entscheid: die heimliche Zinssenkung "Super-Privilegien" für die Banken

12.03.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Beschlüsse

Auf der Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) sind folgende Beschlüsse gefasst worden:

- Der Leitzins bleibt unverändert bei 0 Prozent, der Einlagenzins bei minus 0,5 Prozent.

- Die EZB weitet die Kreditvergabe an die Euro-Banken aus:

(1) Euro-Banken erhalten ab sofort bei Bedarf unlimitiert neue Kredite von der EZB, deren Zins am Einlagenzins hängt (und zwar ermittelt als Durchschnitt des Einlagenzinses für die Kreditlaufzeit).

(2) Ab Juni 2020 bis Juni 2021 wird die geplante Kreditvergabe an Banken (via "TLTROs III“) ebenfalls vergünstigt: Der Kreditzins für die Banken soll 0,25 Prozentpunkte unter dem Hauptrefinanzierungszins liegen, und die Kreditvergabe soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen.

(3) Banken, die ihr bisheriges Kreditvergabevolumen aufrechterhalten, werden sich bei der EZB refinanzieren können zu einem Zins, der 0,25 Prozentpunkte unter dem Einlagenzins liegt.

(4) Das Kreditvolumen, das die Banken von der EZB bekommen können, wird fortan auf 50% der anrechenbaren Darlehensbestände ausgeweitet.

(5) Zudem sollen zusätzlich für 120 Mrd. Euro Wertpapiere bis Ende des Jahres aufgekauft werden (und das bedeutet zusätzliche Käufe in Höhe von 90 Mrd. Euro pro Monat).


Beurteilung

Die EZB hat die Leitzinsen quasi heimlich gesenkt: Die Euro-Banken bekommen bald Kredite, die unter dem Hautrefinanzierungszins und Einlagenzins (die 0,0 Prozent beziehungsweise minus 0,5 Prozent betragen) liegen. Mit anderen Worten: Die EZB wird den Banken fortan Kredite zu Negativzinsen bereitstellen. (Das heißt: Banken können sich z. B. 100 Euro von der EZB leihen und zahlen nach einem Jahr nur 99,25 Euro zurück.)

Die Banken sind somit nicht mehr auf die Kapitalmärkte angewiesen: Sie können sich ihre längerfristigen Kredite bei der EZB besorgen zu günstigeren Zinsen besorgen, als sie derzeit im Kapitalmarkt bezahlen müssen.

Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass die Banken fällige Kredite durch EZB-Kredite, die einen negativen Zinsen tragen, ersetzen. Das verschafft ihnen Gewinne auf der Refinanzierungsseite, die helfen, Kreditausfälle besser verkraften zu können.

Die EZB zahlt hingegen ihr Eigenkapital (das Kapital der Steuerzahler im Euroraum) auf diese Weise nach und nach an die Euro-Banken aus.

Die EZB fordert zudem die Euro-Regierungen, konjunkturstützende Maßnahmen zu ergreifen - und das heißt wohl nichts anderes, als dass die Staaten neue Schulden machen sollen, die die EZB aufkaufen und neu geschaffene Euro in Umlauf bringen wird.


Druck auf EUR/USD

Was bedeutet das für EURUSD? Dazu ein Gedanke: Ab etwa Mitte 2014 begann die Bilanzsumme der EZB stärker zu steigen als die der Fed – und der Euro ging gegenüber dem US-Dollar in die Knie.

Es ist wahrscheinlich, dass die EZB ihre Bilanzsumme absehbar wieder stärker ausweiten wird als die Fed - weil der Euro-Bankensektor weitaus größer ist als der US-Bankensektor (erster hat eine Bilanzsumme von etwa 33,3 Billionen Euro, zweiterer von "nur" 17,9 Billionen US$) und mehr neues Geld braucht.

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Das spricht dafür, dass die jüngste Stärke des Euro gegenüber dem US-Dollar nicht von Dauer sein könnte.


Zentralbanken sind nicht Krisenlöser, sondern Krisenverursacher

Ein Hinweis sollte an dieser Stelle nicht fehlen: Der Corona-Virus und die dadurch ausgelösten Finanzmarkt- und Wirtschaftsturbulenzen sind lediglich ein Auslöser für die unterliegende Problematik, die jetzt wieder offen zutage tritt: und das ist das ungedeckte Papiergeldsystem.

Die Zentralbanken in Kooperation mit den Geschäftsbanken weiten die Geldmengen per Kreditvergabe immer weiter aus. Die Banken operieren dabei mit einem sogenannten Teilreservesystem und halten- dank staatlicher Privilegien - nur ein geringes Eigenkapitalpolster vor.

Das Ausweiten der Geldmengen per Kredit sorgt aber notwendigerweise für Krisen, für immer größere Krisen. Die Maßnahmen, die die EZB heute getroffen hat, versuchen wieder einmal die Symptome zu behandeln, aber die Ursache bleibt unangetastet: Das Ausweiten der Geldmenge und das Heruntermanipulieren der Zinsen.

Die Investoren werden den EZB-Entscheid vermutlich als nicht ausreichend ansehen - weil die Maßnahmen sich nur auf die Banken beziehen, und nun alles davon abhängt, dass die Banken die neuen Kredite nutzen und die niedrigen Zinsen weiterreichen an die Märkte. Und die Banken genießen derzeit nur geringes Vertrauen.


Was für Anleger jetzt wichtig ist

Die Finanzmärkte befinden sich im "Panic-Mode", es herrscht der Kapitulationsstimmung, die Risikoaversion ist hoch. Nicht nur die Aktienkurse befinden sich (zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Kommentars) im freien Fall, auch der Goldpreis hat nach dem EZB-Entscheid merklich nachgegeben.

Das sollte jedoch langfristig orientierte Anleger nicht entmutigen - und Anleger, die ihre Goldposition aufbauen wollen, sollten diesen Preisrücksetzer als Gelegenheitsfenster einstufen.

Für Anleger ist es jetzt wichtig, über den Tag hinaus zu blicken. Der heutige EZB-Entscheid zeigt, wohin die Reise geht: Die EZB refinanziert ausstehende Schulden zu immer niedrigeren Zinsen - im Fall der Banken zu Negativzinsen, und das läuft letztlich auf nichts anderes hinaus als eine Inflationspolitik, die die Kaufkraft des Geldes zersetzt.

Das Halten von Gold und - wenn die Stimmung am Tiefpunkt ist - das Investieren in Aktien erscheinen aus unserer Sicht für den Langfristinvestor als eine sinnvolle Ausrichtung des Portfolios.

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© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH



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