Schulden wie im Krieg
29.03.2020 | Manfred Gburek
Fiskalpolitik, darauf sollten Sie jetzt ganz besonders achten. Denn sie bedeutet im Zuge der Covid-19-Krise konkret: Der Staat, egal welcher, macht massiv Schulden. Koste es, was es wolle. Das ist alternativlos - und wird Konsequenzen haben. Einer, der dieses Szenario treffend beschreibt, ist Thomas Mayer von der Denkfabrik Flossbach von Storch Research:
"Die Fiskalpolitik hat überall große und richtige Schritte unternommen. Die Kehrseite dieser Politik ist aber auch ein enormer Anstieg der Staatsverschuldung. Da dieser Anstieg in vielen Ländern zu dem durch die Finanzkrise vor einem Jahrzehnt bedingten Anstieg hinzukommt, wird die Staatsverschuldung auf Höhen steigen, die vordem nur zu Kriegszeiten zu sehen waren." Daraus zieht Mayer den Schluss: "Die Konsumentenpreisinflation dürfte deutlicher steigen, als dies nach der Finanzkrise der Fall war."
Eine weitere ernst zu nehmende Interpretation kommt von ifo-Präsident Clemens Fuest, der die kommende Entwicklung der deutschen Konjunktur so einschätzt: "Wenn die Wirtschaft zwei Monate lang teilweise stillsteht, entstehen Kosten je nach Szenario zwischen 255 und 495 Milliarden Euro. Die Wirtschaftsleistung schrumpft dann im Jahr um 7,2 bis 11,2 Prozentpunkte. Am Arbeitsmarkt kommt es durch die Krise zu massiven Verwerfungen. Diese stellen die Zustände auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in den Schatten."
Daraus folgt nach Einschätzung von Fuest, dass bis zu 1,8 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze (oder 1,4 Millionen Vollzeitjobs) verloren gehen können und mehr als 6 Millionen Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen sein dürften.
Was droht in der Zeit danach? Zweifellos noch mehr Staatsverschuldung, deren Höhe aus heutiger Sicht nicht absehbar ist. Wobei man berücksichtigen muss, dass dem Staat im Zuge dieser Entwicklung Steuereinnahmen wegbrechen werden. Da wirkt es geradezu lächerlich, wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier damit droht, sich gegenzustemmen, falls Ausländer deutsche Konzerne aufzukaufen versuchen.
Woher will er das dafür erforderliche Geld nehmen? Und ist die aus den Fugen geratene Teilverstaatlichung der Commerzbank nicht Warnung genug? Was bezüglich einer Abwehrschlacht auf uns zukommen könnte, verspricht zwar viel Spannung, aber keine, die wir zurzeit gebrauchen könnten.
Zumindest dies hat die Bundesregierung und haben die Landesregierungen nebst Kommunen schon begriffen: Dass Deutschland mit Investitionen in die Infrastruktur von nun an klotzen muss. Die Bandbreite erstreckt sich von Schulen bis zu Krankenhäusern, vom schnellen Internet bis zum Schienennetz, von Stromtrassen bis zu Einrichtungen zum Schutz vor Cyberkriminalität, von der Landwirtschaft bis zur Bundeswehr.
Das dementsprechend eingesetzte Geld würde auf Dauer Renditen bringen, die alles in den Schatten stellen. Nur muss man es jetzt in die Hand nehmen und nach der staatlichen Anschubfinanzierung mehr Marktwirtschaft wagen. Dabei dürfte allerdings ein Problem in den Vordergrund rücken, das sich auf zwei Buchstaben konzentrieren lässt: EU. Sie besteht aus Euro- und aus Nicht-Euro-Ländern. Diese Aufteilung bringt so seltsame Zustände mit sich wie die folgenden, die belegen, dass Marktwirtschaft in der EU eher abgewürgt als gefördert wird:
Ärzte aus Tschechien und Spargelstecher aus Rumänien - beide Länder haben eigene, im Vergleich zum Euro schwache Währungen - verdienen viel mehr, wenn sie in den Euroländern Deutschland oder Österreich arbeiten. Doch damit ist jetzt erst mal Schluss, weil plötzlich alte Grenzen gelten und Ärzte, Spargelstecher oder andere Berufszweige in ihre alten Grenzen eingesperrt sind. So viel zu einem von vielen Beispielen im großen EU-Getriebe. Für den restlichen Wirrwarr sorgen die Brüsseler Bürokraten mit immer neuen Vorschriften. Unterm Strich bleibt indes festzuhalten, dass trotz solcher Widrigkeiten mit Investitionen in die Infrastruktur geklotzt werden muss, und zwar in allen EU-Ländern.
Damit rückt Deutschland in den Mittelpunkt, und zwar unter zwei Annahmen, die in Anbetracht der gegebenen Umstände als realistisch einzuschätzen sind: Dass die EU einschließlich ihrem Kern, den Euroländern, bis auf Weiteres erhalten bleibt und dass der Geldtransfer von einem zum anderen Land funktioniert. Was den letzten Punkt betrifft, dürfte es dazu kommen, dass Deutschland den größten Teil der finanziellen Lasten trägt. Dazu stehen zwar harte Verhandlungen innerhalb der EU an, aber das ändert nicht viel an der Lastenverteilung - die findet ja beispielsweise zugunsten von Frankreich, Italien, Griechenland und zulasten von Deutschland ohnehin schon statt.
An dieser Stelle sei noch ein wichtiger Schlenker von der Fiskal- zur Geldpolitik erlaubt. Beide sind dazu verdammt, sich gegenseitig zu ergänzen. Der Haken dabei: Durch den bisherigen massiven Geldeinsatz der Notenbanken scheint deren Potenzial zur Stützung und Belebung der Weltkonjunktur zunächst ausgeschöpft zu sein, weshalb zurzeit wie beschrieben die Fiskalpolitik in den Vordergrund gerückt ist.
Doch auch deren Potenzial könnte in absehbarer Zeit an Grenzen stoßen. Wie geht es also weiter? Mithilfe der in Akademikerkreisen schon seit einigen Jahren, jetzt wieder heiß diskutierten Modernen Monetären Theorie kurz MMT! Sie läuft im Prinzip auf die Metapher hinaus: Nach mir die Sintflut, sprich Geldflut. Deren Wirkungsweise kann man sich zum Beispiel so vorstellen: Notenbanken kaufen wie bisher weiterhin Anleihen, schreiben sie später ab, kaufen neue Anleihen, schreiben sie ebenfalls ab und so weiter – Notenbaken können ja nicht pleite gehen. Das Ganze lässt sich mit einem einzigen Begriff kennzeichnen: MMT-Inflation.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei www.gburek.eu Lieber liquide als immobil
"Die Fiskalpolitik hat überall große und richtige Schritte unternommen. Die Kehrseite dieser Politik ist aber auch ein enormer Anstieg der Staatsverschuldung. Da dieser Anstieg in vielen Ländern zu dem durch die Finanzkrise vor einem Jahrzehnt bedingten Anstieg hinzukommt, wird die Staatsverschuldung auf Höhen steigen, die vordem nur zu Kriegszeiten zu sehen waren." Daraus zieht Mayer den Schluss: "Die Konsumentenpreisinflation dürfte deutlicher steigen, als dies nach der Finanzkrise der Fall war."
Eine weitere ernst zu nehmende Interpretation kommt von ifo-Präsident Clemens Fuest, der die kommende Entwicklung der deutschen Konjunktur so einschätzt: "Wenn die Wirtschaft zwei Monate lang teilweise stillsteht, entstehen Kosten je nach Szenario zwischen 255 und 495 Milliarden Euro. Die Wirtschaftsleistung schrumpft dann im Jahr um 7,2 bis 11,2 Prozentpunkte. Am Arbeitsmarkt kommt es durch die Krise zu massiven Verwerfungen. Diese stellen die Zustände auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in den Schatten."
Daraus folgt nach Einschätzung von Fuest, dass bis zu 1,8 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze (oder 1,4 Millionen Vollzeitjobs) verloren gehen können und mehr als 6 Millionen Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen sein dürften.
Was droht in der Zeit danach? Zweifellos noch mehr Staatsverschuldung, deren Höhe aus heutiger Sicht nicht absehbar ist. Wobei man berücksichtigen muss, dass dem Staat im Zuge dieser Entwicklung Steuereinnahmen wegbrechen werden. Da wirkt es geradezu lächerlich, wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier damit droht, sich gegenzustemmen, falls Ausländer deutsche Konzerne aufzukaufen versuchen.
Woher will er das dafür erforderliche Geld nehmen? Und ist die aus den Fugen geratene Teilverstaatlichung der Commerzbank nicht Warnung genug? Was bezüglich einer Abwehrschlacht auf uns zukommen könnte, verspricht zwar viel Spannung, aber keine, die wir zurzeit gebrauchen könnten.
Zumindest dies hat die Bundesregierung und haben die Landesregierungen nebst Kommunen schon begriffen: Dass Deutschland mit Investitionen in die Infrastruktur von nun an klotzen muss. Die Bandbreite erstreckt sich von Schulen bis zu Krankenhäusern, vom schnellen Internet bis zum Schienennetz, von Stromtrassen bis zu Einrichtungen zum Schutz vor Cyberkriminalität, von der Landwirtschaft bis zur Bundeswehr.
Das dementsprechend eingesetzte Geld würde auf Dauer Renditen bringen, die alles in den Schatten stellen. Nur muss man es jetzt in die Hand nehmen und nach der staatlichen Anschubfinanzierung mehr Marktwirtschaft wagen. Dabei dürfte allerdings ein Problem in den Vordergrund rücken, das sich auf zwei Buchstaben konzentrieren lässt: EU. Sie besteht aus Euro- und aus Nicht-Euro-Ländern. Diese Aufteilung bringt so seltsame Zustände mit sich wie die folgenden, die belegen, dass Marktwirtschaft in der EU eher abgewürgt als gefördert wird:
Ärzte aus Tschechien und Spargelstecher aus Rumänien - beide Länder haben eigene, im Vergleich zum Euro schwache Währungen - verdienen viel mehr, wenn sie in den Euroländern Deutschland oder Österreich arbeiten. Doch damit ist jetzt erst mal Schluss, weil plötzlich alte Grenzen gelten und Ärzte, Spargelstecher oder andere Berufszweige in ihre alten Grenzen eingesperrt sind. So viel zu einem von vielen Beispielen im großen EU-Getriebe. Für den restlichen Wirrwarr sorgen die Brüsseler Bürokraten mit immer neuen Vorschriften. Unterm Strich bleibt indes festzuhalten, dass trotz solcher Widrigkeiten mit Investitionen in die Infrastruktur geklotzt werden muss, und zwar in allen EU-Ländern.
Damit rückt Deutschland in den Mittelpunkt, und zwar unter zwei Annahmen, die in Anbetracht der gegebenen Umstände als realistisch einzuschätzen sind: Dass die EU einschließlich ihrem Kern, den Euroländern, bis auf Weiteres erhalten bleibt und dass der Geldtransfer von einem zum anderen Land funktioniert. Was den letzten Punkt betrifft, dürfte es dazu kommen, dass Deutschland den größten Teil der finanziellen Lasten trägt. Dazu stehen zwar harte Verhandlungen innerhalb der EU an, aber das ändert nicht viel an der Lastenverteilung - die findet ja beispielsweise zugunsten von Frankreich, Italien, Griechenland und zulasten von Deutschland ohnehin schon statt.
An dieser Stelle sei noch ein wichtiger Schlenker von der Fiskal- zur Geldpolitik erlaubt. Beide sind dazu verdammt, sich gegenseitig zu ergänzen. Der Haken dabei: Durch den bisherigen massiven Geldeinsatz der Notenbanken scheint deren Potenzial zur Stützung und Belebung der Weltkonjunktur zunächst ausgeschöpft zu sein, weshalb zurzeit wie beschrieben die Fiskalpolitik in den Vordergrund gerückt ist.
Doch auch deren Potenzial könnte in absehbarer Zeit an Grenzen stoßen. Wie geht es also weiter? Mithilfe der in Akademikerkreisen schon seit einigen Jahren, jetzt wieder heiß diskutierten Modernen Monetären Theorie kurz MMT! Sie läuft im Prinzip auf die Metapher hinaus: Nach mir die Sintflut, sprich Geldflut. Deren Wirkungsweise kann man sich zum Beispiel so vorstellen: Notenbanken kaufen wie bisher weiterhin Anleihen, schreiben sie später ab, kaufen neue Anleihen, schreiben sie ebenfalls ab und so weiter – Notenbaken können ja nicht pleite gehen. Das Ganze lässt sich mit einem einzigen Begriff kennzeichnen: MMT-Inflation.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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