Die große Umverteilung
05.04.2020 | Manfred Gburek
Es ist höchste Zeit, einen Nebeneffekt der Covid-19-Pandemie in Betracht zu ziehen, der uns alle betreffen wird: An den Kapitalmärkten findet, ausgehend von dem Virus, eine massive Umverteilung statt. Sie wird nachhaltig sein und sich auf alle Anleger auswirken, seien es private Sparer, seien es Fonds, Versicherer, Pensionskassen oder sonstige institutionelle Anleger.
Beginnen wir mit einem scheinbar nebensächlichen, in Wahrheit jedoch folgenschweren Beispiel: Am 27. März bat die EZB die Banken, von Dividenden und Aktienrückkäufen abzusehen. Die Bitte, aus der eine Empfehlung wurde, betrifft Dividenden für 2019 und 2020; sie gilt mindestens bis Oktober 2020. Indes, einige Banken haben schon Dividenden für 2019 ausgezahlt. Sie sind nicht rückwirkend von der Empfehlung betroffen.
Die anderen Banken sollen die durch den Verzicht auf Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe eingesparten Beträge dafür verwanden, "private Haushalte sowie kleine und große Unternehmen zu unterstützen und/oder Verluste aus bestehenden Forderungen gegenüber diesen Kreditnehmern aufzufangen".
Was für ein Wirrwarr! Und es kommt noch schlimmer. Die Börsen-Zeitung trifft den Nagel auf den Kopf, wenn sie warnt: "Die EZB überrumpelt Banken und ihre Anteilseigner mit einem höchst fragwürdigen Ukas, der ohne gesetzliche Grundlage massiv in Eigentumsrechte eingreift. Am Ende weiß keiner, was gemeint ist" - zumal es einen weiteren Zusammenhang gibt, extreme Folgen inbegriffen: Banken müssen ihr Kreditgeschäft mit Eigenkapital unterlegen.
Doch das ist zurzeit sehr teuer. Was machen also auf Kredite angewiesene Unternehmen, vor allem Mittelständler? Sie suchen Zuflucht in Firmenanleihen. Deren Emissionsvolumen erreicht denn auch fast täglich neue Rekorde. Solche Anleihen üben wegen ihrer Kupons zwischen teilweise 5 bis 10 Prozent einen magischen Reiz auf die erwähnten institutionellen Anleger aus. Ob sie je zurückgezahlt werden, ist zwar ungewiss - weshalb ihre Schuldner treffend als Zombies bezeichnet werden. Aber darum kümmert sich aktuell kaum jemand so recht, es gilt das Prinzip Hoffnung.
Was wir gerade erleben, ist ein neues, bislang wenig erforschtes Kapitel der Wirtschaftsgeschichte. Dazu tragen, vordergründig betrachtet, laienhafte Aktionen wie der EZB-Ukas oder die Häufung minderwertiger Firmenanleihen bei. Doch im Hintergrund rührt sich viel mehr, kaum oder gar nicht koordiniert. Da appelliert Arbeitsminister Hubertus Heil an die Arbeitgeber: "Schmeißt die Leute nicht raus!" Doch sein Appell muss allein schon deshalb verpuffen, weil ein unkündbarer Minister mit risikolosem festem Gehalt in puncto Glaubwürdigkeit nun mal kein zwischen der Sorge um Aufträge und Arbeitsplätze bangender, mit Risiken behafteter Mittelständler ist.
Finanzminister Olaf Scholz appelliert sogar an Banken und Sparkassen, bei der Kreditprüfung die sprichwörtlichen "Fünfe gerade sein" zu lassen. Und welcher Teufel die SPD-Chefin Saskia Esken geritten hat, ausgerechnet jetzt eine Vermögensabgabe in die Debatte zu werfen, kann wohl nur auf die Wut über die nicht eben schmeichelhaften Umfrageergebnisse ihrer Partei zurückgeführt werden.
Nimmt man Scholz beim Wort, drängt sich die Frage auf: Ist Deutschland nicht schon mit einem kleinen Schritt auf dem Weg zur Bananenrepublik? Allein sein allzu lockerer Spruch reicht natürlich noch nicht aus, um diese Frage mit Ja zu beantworten. Es gibt allerdings Indizien, die Fragen wie die folgenden aufwerfen:
Welche Unternehmen sollen gerettet, welche ihrem Schicksal überlassen werden? Was für Kriterien sollen dabei gelten? Wann und unter welchen Umständen haben die Interessen der Arbeitgeber und die der Arbeitnehmer Vorrang? Welche Institutionen haben bei bestimmten Entscheidungen das letzte Wort, zum Beispiel: Bundesregierung, Landesregierungen, Kommunen, Verbände, Bundesverfassungsgericht, Europäische Union, EZB, Europäischer Gerichtshof? Wie werden die sogenannten Corona-Anleihen konstruiert sein? Welche Maßnahmen sind mit dem Grundgesetz vereinbar, welche nicht?
Bereits heute ist absehbar, dass es zu intensiven Umverteilungskämpfen kommen wird: zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Reichen und Armen, Gesunden und Kranken, Bundesregierung und Opposition, Bund und Bundesländern, Aktionären und Managern, Kreditgebern und Kreditnehmern, einzelnen EU-Ländern und der EU, nationalen Entscheidern und internationalen Organisationen - und so weiter, Ende offen. Immerhin geht es hier um folgenschwere Entscheidungen, nicht zuletzt auch über das Schicksal von Konzernen wie Lufthansa, Deutsche Bank, Adidas, Puma, TUI oder Galeria Karstadt Kaufhof einschließlich ihrer Angestellten.
Der Komplexität des Problems, geschweige dessen Lösung, kann derzeit niemand gerecht werden. Die von Deutschland und anderen Ländern beschlossenen massiven, extrem weit reichenden Hilfsmaßnahmen, so erforderlich sie auch sind, belegen eines ganz deutlich: Die Bazooka, Synonym für volle Feuerkraft zur Belebung der Konjunktur, mag noch so viel um sich schießen, ihre Wirkung wird bis auf Weiteres verhalten bleiben. Denn solange Unternehmen Investitionen aufschieben und Verbraucher aus Furcht um ihren Arbeitsplatz mit Anschaffungen warten, lässt die Konjunkturbelebung auf sich warten.
Und die Konsequenz? Einer, diesbezüglich für Klartext bekannt, ist Heinz-Werner Rapp, Chef der Denkfabrik Feri Cognitive Finance Institute. Er resümiert: "Die Wucht des Corona-Crashes zwingt Regierungen und Notenbanken weltweit zu massiven Reaktionen. Erste Analysen zeigen ein beunruhigendes Bild. Die Corona-Krise bringt definitiv den Einstieg in ein neues monetäres Regime: offene Staatsfinanzierung mit Notenbankgeld."
Von daher erübrigen sich weitgehend Vergleiche mit der Finanz- und Wirtschaftskrise aus dem Jahr 2008. Damals griffen zwar auch Staaten und Notenbanken in die Wirtschaft ein, aber weder legte ein Virus alles lahm noch kam es zu einer solch massiven Staatsfinanzierung wie jetzt. Im Übrigen hatten die Notenbanken genug Spielraum für Zinssenkungen. Das ist jetzt nicht der Fall, weil die Zinsen längst um die Nulllinie pendeln.
Das Fazit kann nur lauten: Die Weltwirtschaft befindet sich zwar noch in einer Deflation, aber die inflationären Kräfte werden schon im Lauf dieses Jahres zu wirken beginnen. Die Vorstufe dazu ist das üppige Notenbankgeld. Gold und Silber, später auch andere Metalle, bieten einen gewissen Schutz vor den schlimmsten Folgen. Je früher man beide Edelmetalle in die private Finanzplanung einbezieht, desto besser.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei www.gburek.eu : Immobilien mal vier
Beginnen wir mit einem scheinbar nebensächlichen, in Wahrheit jedoch folgenschweren Beispiel: Am 27. März bat die EZB die Banken, von Dividenden und Aktienrückkäufen abzusehen. Die Bitte, aus der eine Empfehlung wurde, betrifft Dividenden für 2019 und 2020; sie gilt mindestens bis Oktober 2020. Indes, einige Banken haben schon Dividenden für 2019 ausgezahlt. Sie sind nicht rückwirkend von der Empfehlung betroffen.
Die anderen Banken sollen die durch den Verzicht auf Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe eingesparten Beträge dafür verwanden, "private Haushalte sowie kleine und große Unternehmen zu unterstützen und/oder Verluste aus bestehenden Forderungen gegenüber diesen Kreditnehmern aufzufangen".
Was für ein Wirrwarr! Und es kommt noch schlimmer. Die Börsen-Zeitung trifft den Nagel auf den Kopf, wenn sie warnt: "Die EZB überrumpelt Banken und ihre Anteilseigner mit einem höchst fragwürdigen Ukas, der ohne gesetzliche Grundlage massiv in Eigentumsrechte eingreift. Am Ende weiß keiner, was gemeint ist" - zumal es einen weiteren Zusammenhang gibt, extreme Folgen inbegriffen: Banken müssen ihr Kreditgeschäft mit Eigenkapital unterlegen.
Doch das ist zurzeit sehr teuer. Was machen also auf Kredite angewiesene Unternehmen, vor allem Mittelständler? Sie suchen Zuflucht in Firmenanleihen. Deren Emissionsvolumen erreicht denn auch fast täglich neue Rekorde. Solche Anleihen üben wegen ihrer Kupons zwischen teilweise 5 bis 10 Prozent einen magischen Reiz auf die erwähnten institutionellen Anleger aus. Ob sie je zurückgezahlt werden, ist zwar ungewiss - weshalb ihre Schuldner treffend als Zombies bezeichnet werden. Aber darum kümmert sich aktuell kaum jemand so recht, es gilt das Prinzip Hoffnung.
Was wir gerade erleben, ist ein neues, bislang wenig erforschtes Kapitel der Wirtschaftsgeschichte. Dazu tragen, vordergründig betrachtet, laienhafte Aktionen wie der EZB-Ukas oder die Häufung minderwertiger Firmenanleihen bei. Doch im Hintergrund rührt sich viel mehr, kaum oder gar nicht koordiniert. Da appelliert Arbeitsminister Hubertus Heil an die Arbeitgeber: "Schmeißt die Leute nicht raus!" Doch sein Appell muss allein schon deshalb verpuffen, weil ein unkündbarer Minister mit risikolosem festem Gehalt in puncto Glaubwürdigkeit nun mal kein zwischen der Sorge um Aufträge und Arbeitsplätze bangender, mit Risiken behafteter Mittelständler ist.
Finanzminister Olaf Scholz appelliert sogar an Banken und Sparkassen, bei der Kreditprüfung die sprichwörtlichen "Fünfe gerade sein" zu lassen. Und welcher Teufel die SPD-Chefin Saskia Esken geritten hat, ausgerechnet jetzt eine Vermögensabgabe in die Debatte zu werfen, kann wohl nur auf die Wut über die nicht eben schmeichelhaften Umfrageergebnisse ihrer Partei zurückgeführt werden.
Nimmt man Scholz beim Wort, drängt sich die Frage auf: Ist Deutschland nicht schon mit einem kleinen Schritt auf dem Weg zur Bananenrepublik? Allein sein allzu lockerer Spruch reicht natürlich noch nicht aus, um diese Frage mit Ja zu beantworten. Es gibt allerdings Indizien, die Fragen wie die folgenden aufwerfen:
Welche Unternehmen sollen gerettet, welche ihrem Schicksal überlassen werden? Was für Kriterien sollen dabei gelten? Wann und unter welchen Umständen haben die Interessen der Arbeitgeber und die der Arbeitnehmer Vorrang? Welche Institutionen haben bei bestimmten Entscheidungen das letzte Wort, zum Beispiel: Bundesregierung, Landesregierungen, Kommunen, Verbände, Bundesverfassungsgericht, Europäische Union, EZB, Europäischer Gerichtshof? Wie werden die sogenannten Corona-Anleihen konstruiert sein? Welche Maßnahmen sind mit dem Grundgesetz vereinbar, welche nicht?
Bereits heute ist absehbar, dass es zu intensiven Umverteilungskämpfen kommen wird: zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Reichen und Armen, Gesunden und Kranken, Bundesregierung und Opposition, Bund und Bundesländern, Aktionären und Managern, Kreditgebern und Kreditnehmern, einzelnen EU-Ländern und der EU, nationalen Entscheidern und internationalen Organisationen - und so weiter, Ende offen. Immerhin geht es hier um folgenschwere Entscheidungen, nicht zuletzt auch über das Schicksal von Konzernen wie Lufthansa, Deutsche Bank, Adidas, Puma, TUI oder Galeria Karstadt Kaufhof einschließlich ihrer Angestellten.
Der Komplexität des Problems, geschweige dessen Lösung, kann derzeit niemand gerecht werden. Die von Deutschland und anderen Ländern beschlossenen massiven, extrem weit reichenden Hilfsmaßnahmen, so erforderlich sie auch sind, belegen eines ganz deutlich: Die Bazooka, Synonym für volle Feuerkraft zur Belebung der Konjunktur, mag noch so viel um sich schießen, ihre Wirkung wird bis auf Weiteres verhalten bleiben. Denn solange Unternehmen Investitionen aufschieben und Verbraucher aus Furcht um ihren Arbeitsplatz mit Anschaffungen warten, lässt die Konjunkturbelebung auf sich warten.
Und die Konsequenz? Einer, diesbezüglich für Klartext bekannt, ist Heinz-Werner Rapp, Chef der Denkfabrik Feri Cognitive Finance Institute. Er resümiert: "Die Wucht des Corona-Crashes zwingt Regierungen und Notenbanken weltweit zu massiven Reaktionen. Erste Analysen zeigen ein beunruhigendes Bild. Die Corona-Krise bringt definitiv den Einstieg in ein neues monetäres Regime: offene Staatsfinanzierung mit Notenbankgeld."
Von daher erübrigen sich weitgehend Vergleiche mit der Finanz- und Wirtschaftskrise aus dem Jahr 2008. Damals griffen zwar auch Staaten und Notenbanken in die Wirtschaft ein, aber weder legte ein Virus alles lahm noch kam es zu einer solch massiven Staatsfinanzierung wie jetzt. Im Übrigen hatten die Notenbanken genug Spielraum für Zinssenkungen. Das ist jetzt nicht der Fall, weil die Zinsen längst um die Nulllinie pendeln.
Das Fazit kann nur lauten: Die Weltwirtschaft befindet sich zwar noch in einer Deflation, aber die inflationären Kräfte werden schon im Lauf dieses Jahres zu wirken beginnen. Die Vorstufe dazu ist das üppige Notenbankgeld. Gold und Silber, später auch andere Metalle, bieten einen gewissen Schutz vor den schlimmsten Folgen. Je früher man beide Edelmetalle in die private Finanzplanung einbezieht, desto besser.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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