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Falsche Freunde, faule Kompromisse

26.04.2020  |  Manfred Gburek
Was auf uns zukommt, erscheint unglaublich - und dennoch ist es Realität: Das ganze Wirtschaftssystem gerät aus den Fugen, Ende offen. Und die Konsequenzen? Um sie zu ergründen, hilft nur eine klare Analyse. Beginnen wir sie mit der Aufzählung der entscheidenden Kräfte, die derzeit ihre Wirkung entfalten: Pandemie, Politik, Populismus, Verteilungskampf, Lobby, Systemrelevanz, Börse. Diese Kräfte prallen aufeinander, beeinflussen sich gegenseitig und verunsichern die Menschen. Das wird Konsequenzen haben, die man sich heute nur mit viel Phantasie vorstellen kann. Versuchen wir uns trotzdem Klarheit zu verschaffen.

Über allem schwebt dieser Satz von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann: "Man vertraut anderen doch seine Kreditkarte nicht an, wenn man nicht die Möglichkeit hat, deren Ausgaben zu kontrollieren." Aber genau dieses Vertrauen versuchen uns Politiker und Notenbanker aufzuzwingen: Vertrauen in die Solvenz von Frankreich, Italien, Spanien und weiteren Euroländern, Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger aus Berlin und Brüssel, Vertrauen darin, dass man einen Großteil der anstehenden Probleme mit der überbordenden Geldschwemme von EZB, Fed und weiteren Notenbanken lösen kann und dass der Euro auch in Zukunft noch Bestand haben wird.

Wenn das alles so einfach wäre! Ist es aber nicht. Das ergibt sich allein schon aus der einen oder anderen vagen Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gern "auf Sicht fährt" - eine Metapher ihrer medialen Begleiter, die besagt: Merkel lässt sich Handlungsoptionen möglichst lange offen. Ein aktuelles Beispiel: "Ein europäisches Konjunkturprogramm könnte in den nächsten zwei Jahren den nötigen Aufschwung unterstützten", sagte sie im Bundestag. Dazu sei Deutschland bereit, in einem "begrenzten Zeitraum" viel höhere Beiträge zum EU-Haushalt beizusteuern. Erkenntniswert: nebulös.

Doch allein schon Aussagen wie diese genügen für Merkels vermeintliche Bewunderer aus dem In- und Ausland, sie wegen ihrer Anti-Endemie-Politik in höchsten Tönen zu loben - na klar, wenn die falschen Freunde mit ihrer gängigen Kritik am angeblich reichen Deutschland und speziell am Einfordern von möglichst viel Solidaritätsgeld abprallen, versuchen sie es eben mit Schmeichelei.

Die EZB hat in der vergangenen Woche etwas Ungeheuerliches veröffentlicht: Die Anleitung zu faulen Kompromissen mit dem sperrigen Titel "EZB ergreift Maßnahmen, um die Auswirkungen von Rating-Herabstufungen auf die Verfügbarkeit von Sicherheiten abzuschwächen". Inhalt: Bestandsschutz für die von der EZB schon getroffenen Maßnahmen bis September 2021 und für Wertpapiere von geringerer Bonität mit angemessenen Bewertungsabschlägen.

Der Bestandsschutz ist nicht etwa vom Himmel gefallen, sondern er ergänzt ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Lockerung der Kriterien für notenbankfähige Sicherheiten. Bei Bedarf kann die EZB sogar zusätzliche Maßnahmen beschließen, "um die reibungslose Transmission ihrer Geldpolitik in jedem Land des Eurogebiets weiterhin zu gewährleisten".

Bekanntlich sollen Ratingagenturen für Transparenz sorgen, wenn es darum geht, den Emittenten von Wertpapieren auf den Zahn zu fühlen. Und wie findet das die EZB? Sie setzt sich darüber hinweg, indem sie die "Lockerung von Kriterien für notwendige Sicherheiten" einfach festlegt. Nun gibt es zwar seit Jahrzehnten geltende Kriterien, die in die Bewertung der Bonität von Schuldnern münden. Zum Beispiel bedeutet die Bonität BBB-, dass der betreffende Schuldner gerade noch notenbankfühig ist. Doch was macht die EZB daraus? Sie legt fest: Das Mindestrating BBB- bleibt auch nach der Herabstufung auf das tiefere BB-Rating bestehen.

Einer geht noch: "Die EZB kann, sofern sie es für notwendig erachtet, zusätzliche Maßnahmen zur Abschwächung von Rating-Herabstufungen beschließen, insbesondere, wenn diese dazu dienen, die reibungslose Transmission der Geldpolitik in jedem Land des Eurogebiets zu gewährleisten." So etwas nennt man Freibrief. Daraus folgt: Jetzt, genaugenommen seit dem 7. April, darf die EZB sogar solche "Wert"papiere in ihr ohnehin schon fragwürdiges Portfolio aufnehmen, die von angeschlagenen Schuldnern stammen.

Zu Ende gedacht, bedeutet das: Der Euro-Wert wird verwässert. Und weil die Geldpolitik der amerikanischen Notenbank-Schwester Fed sowie anderer Notenbanken auf dasselbe hinausläuft, braucht sich niemand zu wundern, wenn daraus ein globales Misstrauen in so gut wie alle großen Währungen erwächst. Dieses Misstrauen offenbart sich bereits im monatelangen Anstieg des Goldpreises.

Dahinter steckt zweifellos mehr als bloß eine von Angebot und Nachfrage geprägte übliche Entwicklung, dahinter steckt ein tief verwurzeltes Misstrauen der Anleger in jegliche Währungen, und zwar über den ganzen Globus verteilt. Je länger sich nun US-Präsident Donald Trump im Ton vergreift (um nicht zu sagen: je mehr er dummes Zeug redet), desto intensiver breitet sich das Misstrauen aus. Das zu erkennen, bedeutet: Währungen verlieren ihre Funktion als Wertspeicher, sie werden zu Spekulationsobjekten. Ihre Funktion als Messlatte und Zahlungsmittel behalten sie einstweilen, aber nicht auf Dauer.

Wir alle müssen damit leben, dass daraus etwas ganz Neues erwächst. Nicht das, was uns die Untergangspropheten und Verschwörungstheoretiker weismachen wollen, sondern eine sogenannte Disruption: der totale Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Davon haben wir erst einen Bruchteil zu spüren bekommen. Was folgen wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Übergang von der Deflation zur Inflation - mit großen Chancen für alle Anleger, die bereit sind, mit Geld flexibel umzugehen. Alles in allem Grund genug, sich viel mehr als gewohnt mit den eigenen Finanzen zu beschäftigen. Dabei sollten Gold und Silber in den kommenden Jahren einen hohen Stellenwert einnehmen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu: Der Verteilungskampf tobt


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