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Anleger im Billionenrausch

03.05.2020  |  Manfred Gburek
Was wollen uns die Aktienkurse sagen, wenn sie an einem Tag, wie am vergangenen Mittwoch, rasant steigen, aber tags darauf in sich zusammenbrechen? Genaugenommen: nichts. Oder wie die Interpreten von Charts sagen würden: Dahinter steckt die Vola, Kurzfassung für Volatilität = Schwankungsbreite, durch gängige Charts abgebildet in den dazugehörigen Indizes = Trendindikatoren, wie VDax an der deutschen und VIX an der amerikanischen Börse.

Und was sagt uns die Vola? Immerhin das: Sie sinkt mit steigenden und steigt mit sinkenden Kursen. Zum Trost für alle Anleger, die da nicht mehr mitkommen wollen: Sie sind besser dran als die vermeintlichen Profis, weil sie heute hier, morgen da ein- oder aussteigen können, ohne sich - wie zum Beispiel Fondsmanager - nach irgendwelchen Anlagevorschriften richten zu müssen. Sie dürfen sogar heute hundert, morgen null Prozent Liquidität vorhalten. Und wenn die Vola allzu sehr hin und her pendelt wie in der vergangenen Woche, warten sie einfach ab, bis sie sich beruhigt und dadurch Nachhaltigkeit nach oben oder nach unten signalisiert.

Wer nun einwendet, Profis hätten doch im Vergleich zu den übrigen Anlegern einen Informationsvorsprung, sei auf diesen Zusammenhang hingewiesen: Informationen zur Kursentwicklung von Aktien sind unterschiedlich relevant und ändern sich im Lauf der Zeit. Heute muss man jede von ihnen anders einschätzen als vor Ausbruch der Pandemie, täglich kommen neue hinzu - und solange es Geld von den Notenbanken nur so schüttet, sind Kurskapriolen praktisch programmiert.

In so einer Börsenatmosphäre müssen Anleger besonders flexibel sein. Aber nicht wie die Daytrader mit deren massenweisen Transaktionen, sondern als Anlagestrategen, die schon heute an morgen denken und sich Fragen wie diese stellen:

Wie weit treiben es die Notenbanken noch mit ihrer auf massiven Schulden aufgebauten Geldpolitik? Welche Folgen sind daraus für Aktien, Anleihen, Edelmetalle, Immobilien und sonstige Anlagen zu erwarten? Schreiten die führenden Wirtschaftsnationen weiter von einem Schuldenhoch zum nächsten? Was alles kann man sich als Konsequenz der extrem expansiven Geld- und Fiskalpolitik vorstellen? Etwa dass beide miteinander verschmelzen? (was zu einem erheblichen Teil ja bereits der Fall ist, etwa in der Eurozone).

Welche Effekte sind zu erwarten, wenn die Auswirkungen von Covid-19 auf die genannten Anlagen in größerem Umfang nachlassen? Wie sollte ein Portfolio strukturiert sein, das all diese Fragen bei Ausrichtung auf die kommenden drei bis fünf Jahre berücksichtigt? Und wie bewahrt man die nötige Ruhe, um sich in den vor uns liegenden Zeiten nicht von der Vola nervös machen zu lassen?

Zweifellos sollte zunächst die Flexibilität einen hohen Stellenwert einnehmen. Wie zuletzt vor allem im März und April, also beim historischen Rauf und Runter der Aktienkurse. In solchen Fällen geht es zwischenzeitlich weniger um fundamentale Daten, wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Eigenkapitalquote oder Cashflow, als um ein möglichst geschicktes flexibles Timing. Das fällt Anlegern, die in eigener Verantwortung handeln, zwangsläufig leichter als solchen, die an irgendwelche Richtlinien gebunden sind.

Nun ließe sich einwenden, dass Großanleger wie zum Beispiel Fondsmanager über ein Börsenwissen verfügen, das viel umfangreicher ist als das der privaten Anleger mit vier-, fünf- oder sechsstelligem Vermögen. Das dürfte in der Regel zutreffen. Doch was nützt all dieses Wissen, wenn es nicht flexibel eingesetzt werden kann, weil die Aktienkurse in kürzester Zeit erratisch nach oben oder nach unten hüpfen, sodass kein Fondsmanager der Welt davon profitieren kann? Zweifellos ist der Nutzen dann arg begrenzt.

Börsianer neigen dazu, ihr Universum in Growth- (Wachstums-) und Value- (Substanz-)Aktien einzuteilen. Darüber hinaus sprechen sie als Gegenpol zu Wachstumsaktien auch gern von Zyklikern, etwa aus der Stahl- oder Chemiebranche, und von Renditeaktien, die eine relativ hohe nachhaltige Dividende abwerfen, oft zu finden bei Aktien von Unternehmen aus den Branchen Lebensmittel und Immobilien. Schließlich nicht zu vergessen: Turnaround-Kandidaten, das sind Aktien von Unternehmen mit der Aussicht, rote in schwarze Zahlen zu drehen.

Allerdings fehlen dazu jeweils einheitliche Kriterien, sodass die Grenzen zwischen den Kategorien verschwimmen. Aus alldem folgt für private Anleger immerhin, dass sie Aktien zumindest grob ihren individuellen Finanzzielen unterordnen sollten. Leider halten sie sich allzu oft nicht daran - zum einen aus Mangel am entsprechenden Wissen, zum anderen, weil die Gier mit ihnen durchgeht, wenn die Kurse steigen, und die Angst, wenn sie fallen.

Was wir im März und April an den Börsen erlebt haben, wird sich nicht wiederholen. Was wird stattdessen geschehen? Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte es zu einer Entwicklung kommen, die wir seit den 70er Jahren selten bis gar nicht erlebt haben: eine Vola mit unterschiedlich starken Ausschlägen, ganz anders als die Mini-Vola von 2009 bis zum Februar 2020, aber auch anders als die Maxi-Vola von diesem März und April. Infolgedessen wird Anlegern viel Beobachtungsgabe und Konzentration abverlangt. Doch die wird sich auszahlen, besonders dann, wenn Anleger penibel aufs Timing achten.

Hintergrund: Zur Spekulation stehen den Börsianern mehrere Billionen von aus dem Nichts geschöpftem Fiat-Geld zur Verfügung. Die erwähnten fundamentalen Daten werden bis auf Weiteres links liegen gelassen. Ob für Wochen oder für Monate, hängt von der Entwicklung der Aktienkurse ab.

Ein interessanter Aspekt für alle Börsianer, denen ihre Gold- und Silbermünzen und -barren nicht aufregend genug erscheinen: Minenaktien könnten, veranlasst durch die ihnen innewohnende starke Hebelwirkung, vom Vola-Rausch sogar noch mehr erfasst werden als Technologieaktien. Denn zum Hintergrund gehört auch, dass Edelmetalle, vor allem Gold, als größte Feinde des Fiat-Geldes von dessen Tendenz, sich eines Tages in Luft aufzulösen, besonders stark profitieren. Diese Überlegungen gelten natürlich nur für Anleger mit besonders starken Nerven!


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu : Trügerische Dividenden


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